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Warenannahme: Lidl testet kostenpflichtige Rampenservices, die Branche hat kein Verständnis

Der Lebensmittel-Discounter Lidl testet zwei optionale Zusatzangebote im Wareneingang an einem Teil seiner Logistikzentren. Das sorgt bei Speditionen und Transportunternehmen für ordentlich Diskussionen. Für Frank Huster, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Speditions- und Logistikverbands (DSLV) ist der Schritt von Lidl „ein bemerkenswerter Vorstoß angesichts der derzeit knappen LKW-Ressourcen“.

Die beiden Zusatzangebote im Wareneingang werden aktuell an sechs von 39 Logistikzentren getestet – Grünheide (Mark), Großbeeren und Kremmen (beide Brandenburg), Siek (Schleswig-Holstein), Rostock und Hamburg. Wie Eurotransport berichtet, wurde das entsprechende Schreiben, dass auf die Angebote hinweist, von dem auf Zeitfensterbuchungen spezialisierte Transporeon-Tochter Mercareon per Mail verschickt. In der Mail wird der Test damit begründet, dass es das Ziel von Lidl sei, den Transportdienstleistern „eine flexiblere Möglichkeit zur Anlieferung an diesen Standorten und eine möglichst optimale Auslastung der Schichtzeit Ihres Fahrpersonals zu ermöglichen“.

Expressrampe und Entladung außerhalb der Wareneingangszeiten.
Bei den kostenpflichtigen Zusatzleistungen, die Lidl beim Anliefern an seine Logistikzentren, handelt es sich zum einen um eine sogenannte „Expressrampe“ und zum anderen um die Entladung des Lkw außerhalb der Wareneingangszeiten. Bei der „Expressrampe“ mit Entladung der Waren durch Lidl sollen 40 Euro pro Lkw extra anfallen. Dafür verspricht das Unternehmen eine Abwicklung binnen 90 Minuten. Die Buchung soll über die Mercareon-Plattform bis fünf Uhr morgens am Anliefertag möglich sein. Die zweite Zusatzleistung richtet sich vor allem an „Unternehmen, deren Lkw zum Beispiel aufgrund von Staus nicht mehr pünktlich zur Rampe kommen.“ Auch dieser Service muss bis Uhr am Anliefertag gebucht werden und soll pro Lkw 100 Euro extra kosten. Lidl begründet die zu bezahlende Leistung damit, dass so verhindert werden kann, dass zu spät „eintreffende Lkw bis zum nächsten Morgen warten“ müssen. Die Zeit außerhalb der üblichen Wareneingangszeit definiert das Unternehmen aus Neckarsulm laut Eurotransport als Zeitraum zwischen 12 und 18 Uhr. Dir üblichen Wareneingangszeiten (6 bis 12 Uhr) sollen laut Lidl beibehalten werden. Die beiden Angebote können zudem kombiniert gebucht werden.

Die Branche hat kein Verständnis.
Die Reaktionen in der Branche sind alles andere als positiv. Gegenüber der Deutschen Verkehrs-Zeitung hat sich Frank Huster, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Speditions- und Logistikverbands (DSLV) kritisch geäußert und empfindet Lidls „Vorstoß angesichts der derzeit knappen LKW-Ressourcen“ als „bemerkenswert“. Dabei wolle der Handelskonzern „für Dinge Geld nehmen, die eigentlich selbstverständlich sind“, heißt es weiter. Huster wirft dem Unternehmen weiterhin vor, dass „Unvermögen an der Rampe als Normalzustand“ darzustellen. Ähnlich äußert sich auch der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL). Gegenüber der DVZ zeigt man sich ebenfalls verwundert, dass Lidl „gerade vor dem Hintergrund der Laderaumknappkeit und des bestehenden Fahrermagels weitere Hürden für die Anlieferung der von ihnen bestellten Waren aufbaut“. „Überhaupt kein Verständnis“ für den Vorstoß von Lidl hat Karlhubert Dischinger, Präsident des Verbands Spedition und Logistik Baden-Württemberg. Er verweist zudem auf die Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen (ADSp), in denen unter anderem steht, dass die Entladung des Lkw ohnehin Pflicht des Empfängers ist.

Neben den Verbänden äußern sich auch betroffene Speditionen. Der Geschäftsführer der Braunschweiger Spedition Wandt, Anthony Wandt, erklärt gegenüber Eurotransport: „Nach der Diskussion um den Palettentausch und die Rampenabläufe ist diese Form der Zeitfensterbuchung das nächste Ärgernis.“ Er pflichtet Karlhubert Dischinger bei und kritisiert, dass Lidl die ADSp aushebelt. Das Angebot von Lidl mit der „Expressrampe“ ermöglicht zudem Einblicke in das Geschäftsgebaren des Lebensmitel-Händlers. Denn offenbar, so die DVZ, kalkuliert Lidl „grundsätzlich mit entsprechend längeren Wartezeiten als die Express-Abfertigungszeiten“. Als Reaktion auf den Vorstoß von Lidl empfiehlt der BGL den Transportunternehmen, die Aufträge mit Lidl-Anlieferadresse erst nach genauer Prüfung anzunehmen – wenn überhaupt.

Etwas Gutes hat es doch.
Ob sich Lidls Vorstoß rechnet, wird sich aber erst noch zeigen müssen. Das aktuell knappe Laderaumangebot spielt nämlich vor allem den Speditionen und Transportunternehmen in die Hände. Frank Huster vom DSLV würde es laut DVZ nicht wundern, wenn „dieser Vorstoß als Bumerang von Transportunternehmern und Spediteuren zurückkommt“, da die Dienstleister „ihre  Kundenstruktur genau im Blick“ hätten. Lidl auf der anderen Seite zeigt sich zuversichtlich. Im Statement des Konzern, das der Fachzeitschrift vorliegt, heißt es, dass Erfahrungen aus der Vergangenheit zeigen, „dass ein Bedarf und auch der Wunsch am Markt bestehe, solche freiwilligen Sonderservices anzubieten“. Und weiter: „Wir befinden uns in der Pilotphase des Tests und sind daran interessiert, welche konkreten Angebote dem Transportmarkt eine effiziente Unterstützung bieten, und nehmen auch gerne Vorschläge auf.“

Neben all der Kritik an den optionalen Zusatzangeboten kann Huster Lidls-Vorstoß aber auch was Positives abgewinnen, denn die Einführung der „Expressrampe“ zeigt, dass „eine verbesserte Rampenabwicklung auch bei Discountern grundsätzlich möglich ist“.

© aureliefrance / Shutterstock.com

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