Auf dem Weg zur lückenlosen Qualitätsüberwachung in der gesamten Lieferkette
Die Produktions- und Logistiknetze sowie die Produkte in Branchen wie der Automobil- oder Luftfahrtfahrtindustrie sind sehr komplex. Je später ein Qualitätsmangel im Wertschöpfungsprozess erkannt wird, desto höher ist in der Regel der daraus resultierende Aufwand. Mithilfe einer lückenlosen Qualitätsüberwachung von Bauteilen und Komponenten während der Herstellungs- und Transportprozesse lässt sich dieser Aufwand vermeiden. Neue Forschungen am BIBA – Bremer Institut für Produktion und Logistik an der Universität Bremen beschäftigen sich mit einem solchen Monitoring. Sie konzentrieren sich auf die Lieferkette und setzen unter anderem auf Sensoren sowie Datenauswertung und -austausch.
Das dreijährige Verbundvorhaben namens „SaSCh“ (Digitale Services zur Gestaltung agiler Supply Chains) hat einen Gesamtumfang von gut 4,5 Millionen Euro. Es wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie im Technologieprogramm „PAiCE – Digitale Technologien für die Wirtschaft“ gefördert und vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR, Köln) betreut. Das Projektkonsortium besteht aus dem Forschungspartner BIBA, dem Logistikdienstleister BLG LOGISTICS (Bremen), dem Technologieunternehmen Bosch (Bühl), der Standardisierungsorganisation GS1 Germany (Köln) und dem IT-Dienstleister queo (Dresden).
Bereits im November vergangenen Jahres haben die Projektpartner ihre Arbeit aufgenommen – mit Detailplanungen, der Prozessaufnahme und der Erstellung detaillierter Anforderungsdefinitionen, sodass nun mit den ersten konkreten Entwicklungen begonnen werden kann. Ende Oktober 2019, so das Ziel, wird das Konsortium die Projektergebnisse vorstellen.
Informationen und Handlungsempfehlungen aus der Datenwolke
Im Mittelpunkt des Vorhabens steht die Entwicklung eines cyber-physischen Systems: „Es soll die durchgängige digitale Erfassung qualitäts- und zustandsrelevanter Daten von Autoteilen in der Lieferkette (Supply Chain) ermöglichen. Die Projektergebnisse lassen sich jedoch auch auf andere Branchen übertragen“, sagt BIBA-Wissenschaftler Dirk Werthmann und erklärt das Vorhaben. „Zunächst entwickeln wir cyber-physische Ladungsträger. Das heißt, wir versehen Transportboxen mit mobilen Sensoren. Sie können beispielsweise Temperatur, Erschütterung, Licht oder Luftfeuchtigkeit erfassen und sie in eine Datenwolke (Cloud) senden.“ Darüber hinaus werden an relevanten Punkten entlang der Lieferkette 3D-Kameras als stationäre Sensoren positioniert. Auch sie liefern Daten in die Cloud.
In der Datenwolke werden alle aus den verschiedenen Quellen in der Lieferkette erhaltenen Daten intelligent miteinander verknüpft und verarbeitet. So können die beteiligten Akteure aus Produktion und Logistik bei Bedarf auch in Echtzeit Informationen und Handlungsempfehlungen erhalten.
Datensouveränität der Unternehmen bleibt gewahrt
Voraussetzung für die Kommunikation der Akteure innerhalb eines solchen Netzwerkes ist die Verwendung einer einheitlichen Sprache. Daher erweitert das Projektkonsortium einen offenen Schnittstellenstandard, den EPCIS-Standard (Electronic Product Code Information Services Standard). Er dient dem Austausch von Ereignisdaten, also der Kommunikation zwischen unterschiedlichsten Akteuren mit verschiedensten Systemen hinsichtlich dem „Was passiert wann, wo und warum.“ Die Datenspeicherung soll dezentral in den beteiligten Unternehmen erfolgen, sodass die Datensouveränität der Unternehmen gewahrt wird.
Die Auswertung der Daten ermöglicht das Anbieten vielfältiger Services. Diese dienen unter anderem dazu, die Produktqualität zu sichern und dadurch zum Beispiel Sondertransporte, Nacharbeitungen, Produktionsstillstände oder gar Rückrufaktionen zu vermeiden. Die entsprechenden Services werden ebenfalls in dem Projekt entwickelt.
„Das wird bald schon Standard sein“
„Der Austausch von Tracking- und Tracing-Daten, der zunehmend die lückenlose Nachverfolgung und Überwachung von Sendungen zum Beispiel bei den Kurier-, Express- und Paket-Diensten (KEP) ermöglicht, kann heute bereits fast als Standard angesehen werden. Ein unternehmensübergreifender Datenaustausch entlang ganzer Lieferketten in Produktionsnetzwerken ist allerdings noch relativ selten. Mithilfe neuer Informations- und Kommunikationstechnologien sowie moderner Sensoren lassen sich nicht nur die Wege der Produkte und ihrer einzelnen Komponenten überwachen, sondern auch die Qualität der Produkte“, sagt BIBA-Leiter Prof. Dr.-Ing. Michael Freitag.
„Ein derart umfassendes Monitoring mit klar definierten Standards in Netzwerken ermöglicht zahlreiche neue Services und wird in der produzierenden Industrie schon in naher Zukunft Standard sein“, ist sich Freitag sicher. „Denn so können Prozesse noch transparenter gestaltet und weiter optimiert sowie Kapazitäten effizienter genutzt und Schäden vermieden werden.“
Quelle: idw/Bildquelle: Bosch