Deutschland fällt in der Gestaltung des modernen Handels zurück
Handlungsempfehlungen für die neue 21. Legislaturperiode (Neuwahlen 23. Februar 2025) in Deutschland- eine Bestandsaufnahme zum Thema Digitalisierung der Infrastruktur des modernen Handels in Deutschland & Europa.
Deutschland und Europa müssen ihre Anstrengungen grundlegend darauf konzentrieren, die Innovationslücken zu den USA und zu China zu schließen, insbesondere bei Spitzentechnologien und Grundlagen der Digitalisierung. Die Schwächen zeigen sich in unserer Gestaltung der neuen Geschäftsmodelle. In der grenzüberschreitenden Zustellung, vor allem dem Import von Warensendungen nach Deutschland & in die EU, zeigt sich ein ähnliches Bild.
Unsere Schwächen zeigen sich in der Gestaltung der neuen Geschäftsmodelle:
- Die, der Wertschöpfung vorgelagerten Produktionsketten sind nicht volldigital darstellbar.
- Die Warenwirtschaftskette ist nicht nach den offenen Normen digital harmonisiert. Sowohl
vorgelagerte, als auch nachgelagerte Prozesse werden meist nicht digital miteinander vernetzt. Proprietäre Datensysteme werden aus dem Markt gedrängt. Die Hardware folgt den offenen digitalen Vorsystemen, die Prozesse optimieren und steuern. - Der Zugang zu digitalen Datensystemen (Cloud, etc.) ist nicht nach offen Normen standardisiert. S/O Asien drängt zunehmend in eine führende Rolle in der Gestaltung der innovativen datengestützten Logistik (Post & KEP verbunden mit Fracht und Transport) und einer Neugestaltung des digital gestützten, intelligent Einzelhandels. Hier hinken Deutschland & Europa hinterher.
- Notwendige Hardware folgt den harmonisierten Datensystemen, und sollte auch für einen weltweiten Einsatz zertifizierbar sein.
- Die Einbindung der Systeme der staatlichen Aufsichtsbehörden, wie die Fiskalverwaltung (inkl. Risikomanagement, Markenschutz, IPR- Überwachung), die Transportsicherung, die Produktsicherung und zunehmend auch jene Behörden die Nachhaltigkeit zu gewährleisten haben ist in Europe nicht zentralisiert.
Das Resultat dieser Schwächen haben Deutschland & die EU in den letzten Monaten an neuen E-Commerce Geschäftsmodellen gesehen. Dabei wurden europäische Endkonsumenten über digitale Kommunikationsapplikationen (APPs auf mobilen Endgeräten wie Smartphones) direkt (in allen Sprachen der Union – China ist auch bei ChatGPT / AI den USA zumindest gleichrangig) mit den Herstellern und der digitalen Warenwirtschaft in S/O-Asien verbunden. Diese neuen Geschäftsmodelle sind für das anhaltenden Wachstum in der Union im E-Commerce verantwortlich, die älteren E-Commerce Geschäftsmodelle (zumeist jene aus N-Amerika und deren Kopien in Europa) haben 2023 und 2024 deutlich an Marktanteilen verloren. Das geht so weit, dass manche der bestehenden Plattformen Refinanzierungsherausforderungen befürchten müssen, sollte der Anpassungsdruck weiter steigen. In der grenzüberschreitenden Zustellung, vor allem dem Import von Warensendungen nach Deutschland & in die EU, zeigt sich ein ähnliches Bild:
- Zunehmend kommt es zu einer Konzentrierung in der Präsentation der verpflichtenden
Vorabdaten bei der Zollstellung und dem Import nach Deutschland & in die EU. - Das Import-One-Stop-Shop System, eingeführt durch das EU MwSt. E-Commerce Paket, ist die Grundlage des neuen S/O asiatischen E-Commerce Geschäftsmodells.
- Die führenden Dienstleister (zumeist chinesische Unternehmen) bauen Systeme aus, die digitale Zoll- oder Einfuhrumsatzsteuer- Dokumente zum Abgleich mit den Zollbehörden im Zugangsland in die EU vorhalten, gleichzeitig aber auch die Daten mit der automatisierten Präsentation der physischen Sendungen verbinden können.
- Transportsicherheitsdaten und Produktsicherheitsdaten sind, als Subdatensysteme aus dem vereinfachten Datenelementen, bei Waren mit geringem Wert ableitbar.
Der Mangel an zentralisierten Systemen der europäischen Zollbehörden erhöht die Abhängigkeit der Deutschen & der Europäer von den Vorabdaten. Das führt dazu, das amerikanische E-Commerce Wettbewerber mutmaßen, dass die S/O asiatischen zentralisierten Datensysteme in der Lage sein könnten Einfuhrumsatzerklärungen „dynamisch zu optimieren“ um Gebühren und Abgaben zu optimieren. Ob dies auch nur ansatzweise stimmen könnte, lässt sich auf Grund der fehlenden zentralisierten Systeme in Deutschland und in der EU (noch) nicht evaluieren.
Die Evolution der Zustellung auf der letzten Meile wird von S/O Asien bestimmt
In den letzten, mehr als 20 Jahren (seit dem Grünbuch der EU zur Öffnung und Liberalisierung der Postmarkte 1992) führte die EU die technische und datentechnische Normung der Post- und Kurier- Express- und Paketzustelldienste weltweit an. Mit der zunehmenden daten-optimierten Warenzustellung, deren Gestaltung aus S/O Asien ändert sich auch in diesem Bereich die Marktgestaltung. Heute noch führende europäische Post- & Paketzustelldienste beginnen, die sich ändernde Marktmacht zu spüren.
Zudem kommt die zunehmende Menge an Sendungen die in der Marktdisposition der S/O asiatischen Versender liegt. Bereits heute kommen die weltweit führenden Anbieter von unbeaufsichtigten Abgabesystemen (Paketboxen, Paketstationen), neuer logistischer Lösungen bei elektrischen Zustellfahrzeugen (inkl. der Optimierung im Flottenmnagement, der digital gestützten Routenplanung, und dem Management in der Befüllung der Fahrzeuge) aus S/O Asien.
Was ist zu tun?
Der aktuelle „Draghi-Bericht“ bringt es auf den Punkt: „Das Problem ist nicht, dass es Europa an Ideen oder Ambitionen mangelt. Innovationen werden auf der nächsten Stufe blockiert: Wir schaffen es nicht, Innovationen in die Kommerzialisierung umzusetzen, und innovative Unternehmen, die in Europa expandieren wollen, werden auf jeder Stufe durch inkonsistente und restriktive Vorschriften behindert.“ Im Klartext: Deutschland & Europa müssen die Grundlagen schaffen, um auf gleicher Augenhöhe mit unseren Handelspartnern zu interagieren. Dazu gehören insbesondere die notwendigen zentralisierten Systeme. Wir sollten künftig nicht alles glauben müssen, was zu uns gesandt wird.
Marktmacht braucht Kontrolle
Die grundlegend unterschiedlichen Daten-sphären und der Sicherung bieten genügend Ansatzfläche. Zentralle System bei der Einfuhr von Warensendungen in die EU, müssen so rasch wie möglich aufgebaut werden, um den zentralisierten Systemen aus S/O Asien und N-Amerika die notwendigen Schnittstellen zu bieten. Nur dann wäre auch die gesetzliche und regulatorische vorgesehene Kontrolle möglich. Ähnlich wie unsere Handelspartner aus S/O Asien und N-Amerika in den vergangen 20 Jahren von uns gelernt haben – wir hatten ja die Fertigung und zunehmend auch Teile der Entwicklung in diese Regionen ausgelagert – müssen wir nun versuchen den entstandenen Abstand wieder aufzuholen, indem wir unsere eigene Entwicklung und Fertigung wieder stärken, zurückholen und wettbewerbsfähig machen. Die dazu notwendigen Strukturen, um den Anschluss wieder zu finden sind (noch) vorhanden. Das dazu bedeutende Anstrengungen notwendig sein werden lässt sich auch im „Dragi-Bericht“ nachlesen. Nichts zu tun, führt zu Abhängigkeit, sinkendem Wachstum und schlussendlich schwindendem Wohlstand. (RED)
Quelle: LOGISTIK express Journal Handel & DIstanzhandel (H&D) LE-5-2024