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Express- und Luftfrachtmarkt in Indien

Der indische Luftfrachtmarkt ist in Bewegung. Die bedeutenden Passagierfluglinien des Landes wollen sich ein größeres Stück vom Kuchen des internationalen Frachtfluggeschäftes abschneiden, das bislang von Expressdienstleistern wie DHL und TNT beherrscht wird. Bisher ist es auch noch nicht gelungen, ein rein indisches Startup-Frachtflugunternehmen in diesem Segment zu etablieren. Im Inlandsmarkt dagegen tummeln sich viele kleine Dienstleister neben den großen Expressdienstleistern und indischen Startups.

Der Handel zwischen der EU und Indien brummt wieder. Zwar hat er noch nicht wieder die Vorkrisenwerte von 2008 erreicht, befindet sich aber auf hohem Niveau. Die Bedeutung des Subkontinents für die EU wird durch das geplante Freihandelsabkommen mit Indien noch gestärkt. Der Handelswert zwischen den beiden Partnern beläuft sich laut des indischen Ministers für Handel und Industrie Anand Sharma momentan auf 72 Milliarden US-Dollar (rund 50 Milliarden Euro) und soll innerhalb von fünf Jahren auf rund 70 Milliarden Euro anwachsen. Allerdings hat sich die Unterzeichnung aufgrund von Uneinigkeiten über den Schutz von geistigem Eigentum verzögert und wird nicht vor 2012 erwartet. Deutschland ist innerhalb der EU der wichtigste Handelspartner.

Die Luftfrachtindustrie der indischen Republik soll laut der nationalen STAT Trade Times um 8,5 Prozent jährlich in den nächsten fünf Jahren wachsen. Global werden die asiatischen Luftfrachtmärkte – allen voran der chinesische – die Wachstumstreiber sein. Der indische Expresskuriermarkt, der einen großen Anteil am internationalen Frachtverkehr mit Indien und am Inlandsmarkt hat, soll bis 2012 gemäß der Credit Analysis & Research Ltd (CARE Ratings) um 20 Prozent wachsen und sich damit gegenüber 2007 verdoppeln. In 2007 lag der Wert bei 71 Milliarden indischen Rupien (1,1 Milliarden Euro).

Indische Fluggesellschaften benötigen Marktanteile im internationalen Geschäft
Die indischen Fluglinien haben aufgrund der globalen Finanzkrise in 2008/09 laut Germany Trade & Invest (Gtai) bis 2010 zwei Milliarden Dollar (rund 1,4 Milliarden Euro) an Schulden angehäuft. Um der Schuldenfalle zu entkommen, wollen die großen  Passagierfluggesellschaften nun vermehrt in die Luftfrachtsparte investieren. Das Ministry of Civil Aviation erwartet, dass der Umsatz bis 2012 um 20 Prozent auf 133 Milliarden indische Rupien (rund 2 Milliarden Euro) steigen wird. Im internationalen Luftfrachtmarkt tummeln sich bisher große Expressunternehmen wie DHL und Blue Dart, FedEx, TNT und UPS. Momentan generierten die Fluggesellschaften Air India, Kingfisher und Jet Airways nur fünf bis zehn Prozent ihres Umsatzes mit dem Frachttransport. Nach der Fusion von Air India und Indian Airlines im Februar 2011 befindet sich die neue Air India weiterhin in einer Restrukturierungsphase. Das Luftfrachtgeschäft soll gemäß des Turnaround-Plans wiederbelebt werden. Die Frachtflugzeuge der nationalen Fluglinie gelten als zu groß für den inländischen und zu klein für den internationalen Transport. Laut des indischen Magazins Business Today wird das Luftfrachtgeschäft des Unternehmens durch ein mangelndes Vertriebsnetzwerk, fehlende Lagerhauseinrichtungen und Infrastruktur sowie Missmanagement beeinträchtigt. Rund 40 Flugzeuge liegen still, sollen aber in Frachter konvertiert werden. Die seit März 2010 operierende indische Startup-Frachtfluglinie Aryan Cargo Express (ACE) ist in finanzielle Schwierigkeiten geraten und hat mittlerweile ihre Dienste eingestellt. Jet Airways plant nach eigener Aussage ein Joint Venture mit FedEx (s. u.). Kingfisher hat die Frachtfluglinie Kingfisher Xpress für den inländischen Frachtflugmarkt gegründet.

Expressdienstleister fokussieren auf
zusätzliche Serviceleistungen
DHL sieht manigfaltige Möglichkeiten im indischen Markt. Den Gesamtwert des Luftfracht-expressmarktes auf dem Subkontinent schätzt das Unternehmen auf 450 Millionen US-Dollar (rund 312 Millionen Euro) ein. Der Expressmarkt wächst laut DHL momentan mit zwölf bis 15 Prozent. Dabei liegt das Wachstum des Unternehmens über dem Marktdurchschnitt. In Bezug auf den Eintritt indischer Fluglinien in den Luftfrachtmarkt antwortete Chandrashekhar Pitre, Senior-Marketingdirektor Südasien,  wie folgt: „Der Wettbewerb wird stärker, ist aber vorhersagbar… Es kommt darauf an, wie schnell wir liefern können und welche Zusatzleistungen wie z.B. die Übernahme der Formalitäten und Zollabfertigung wir bieten können.“ Durch die abgeschlossene Akquisition von AFL Pvt. Ltd. (AFL) und Unifreight India Pvt. Ltd. (UFL) im Februar 2011 kann FedEx die bisherige Abdeckung von 15 internationalen Flügen nach Delhi, elf nach Mumbai und fünf nach Bengalaru erweitern. Seit April 2011betreibt der amerikanische Expressdienstleister zudem neue größere Frachflugzeuge des Typs Boeing 777F auf seinen Indienrouten.  Michael L. Ducker, Vorstand des operativen Geschäfts sagte, dass Indien sich bis 2020 zur drittgrößten Wirtschaft der Welt entwickeln wird. Daher ist der Subkontinent ein Schlüsselmarkt für Investments. „Das Wachstum des indischen Marktes ist beträchtlich und bietet unseren Kunden enorme Möglichkeiten neue Märkte zu erkunden und zusätzliche Ertragsquellen zu erschließen.“ Zum geplanten Joint-Venture mit der indischen Jet Airways wollte sich das Unternehmen allerdings nicht äußern. Laut Cyrille Gibot, Pressesprecher beim TNT Hauptsitz in den Niederlanden, fokussiert das Unternehmen sowohl auf internationale Expressdienste (meist zwischen Indien und Europa sowie Indien und den Golfstaaten via Dubai) als auch auf straßengebundene Lieferdienste im Inland.

Der Ertrag des Unternehmens auf internationalen Strecken und im Inland stieg um mehr als 20 Prozent in 2010. Zwischen Europa und Indien existieren nun durch die Einführung der neuen Boeing 767 wöchentlich fünf Flüge zwischen Neu Delhi und dem europäischen Zentralhub in Lüttich. Mit der neuen Linienverbindung reagiert TNT Express auf die weiterhin steigende Nachfrage nach Luftfracht-Kapazitäten zwischen Europa und Indien – insbesondere durch die Hightech- und Maschinenbaubranche.

Inlandsmarkt ist unorganisiert und
stark umkämpft
Bis auf DHL bieten die internationalen Expressdienstleister keine inländischen Luftfrachtdienste an. Somit konkurrieren sie hier nicht mit den indischen Frachtfluglinien im Heimatmarkt. Anders sieht es bei den straßengebundenen Lieferdiensten aus. TNT z. B. fokussiert laut Cyrille Gibot ausschließlich auf straßengebundene Expressdienste und besitzt auch keinen Luftfrachtpartner. In 2006 übernahm TNT den indischen Expressdienstleister Speedage und generierte dadurch ein Netzwerk von 200 Schlüsselstädten. Im Inland stehen die internationalen Integratoren mit unzähligen kleineren Dienstleistern im Wettbewerb. Deshalb scheint die Übernahme einzelner Firmen die beste Strategie zur Expansion des eigenes Geschäftes zu sein. Der amerikanische Expressdienstleister FedEx hat seinen Marktanteil wie erwähnt durch die Akquisition von AFL und UFL auch in Indien ausgebaut. „Der Zukauf von AFL und UFL ermöglicht es, unseren Kunden weitere zugeschnittene internationale und inländische Dienste wie Air Express, straßengebundene Services, Lagerung, Logistiklösungen und 3PL zu bieten“, sagt Michael L. Ducker. Zudem existieren nun zwölf Zollfreigabestellen. Indische Importeure erhalten durch die Einführung des FedEx Import Service einen zeitgenauen und zugeschnittenen, sowie zollabgefertigten Tür-zu-Tür-Dienst. Zudem bietet AFL WiZ Express inländische Expresszulieferdienste.

DHL Indien ist in 2002 eine Verkaufspartnerschaft mit dem indischen Expressdienstleister Blue Dart eingegangen. Dies führte zu einer bedeutenden Ausweitung des eigenen Netzwerkes. Heute besitzt DHL 81 Prozent an Blue Dart. Das Unternehmen ist dabei seine Servicestellen für den Einzelhandel von 350 auf 1000 durch weitere Zusammenschlüsse, Bündnisse und Partnerschaften zu erweitern. „Die indische Wirtschaft wird durch den inländischen Konsum angetrieben. Dies eröffnet ganz neue Möglichkeiten im Vertrieb von Mobiltelefonen, Kreditkarten, Pharmazeutika und Autokomponenten. Generell sind wir über die Entwicklung des Einzelhandels sehr begeistert. Dieser Bereich stellt acht bis zehn Prozent am Gesamtgeschäft und soll auf 20 Prozent in den nächsten drei bis fünf Jahren anwachsen“, sagt der Leiter von DHL Express India R.S. Subramanian.

Über Blue Dart und DHL Lemuir können inländische Luftfrachtdienste angeboten werden. An dem in 2007 gegründeten Joint-Venture DHL Lemuir hält der deutsche Expressdienstleiter 76 Prozent, die restlichen 24 Prozent übernahm der indische Logistiker. Durch Blue Dart werden Dienstleistungen vornehmlich für die Industrie bereitgestellt. Der globale Branchenführer will seine Position zudem in den Biowissenschaften sowie im Mode- und Bekleidungsbereich ausbauen. Zudem sieht er große Möglichkeiten in Tier-II- und Tier-III-Märkten mit hohem Fertigungsanteil und einer Vielzahl von KMU. „Der indische Versorgungsketten- und Logistiksektor ist überwiegend unorganisiert und wird hauptsächlich durch kleine lokale Unternehmen bedient, die eine Bedrohung für das organisierte Wachstum des Sektors darstellen“, fügt Subramanian an.

Neue Luftfracht-Startups versuchen
Lücken zu füllen
Im inländischen Luftfrachtexpressgeschäft agieren relativ neue Dienstleister wie Kingfisher Xpress, Deccan Cargo und Quickjet. Im Februar 2010 hat Kingfisher seinen Inlands-expressdienst in Form der Luftfrachtgesellschaft Kingfisher Xpress gegründet. Bislang bedient der Dienstleister 23 Schlüsselstädte.  Prakash Mirpuri, Vizepräsident der Konzernkommunikation sagte: „Kingfisher Xpress wurde konzipiert, um die unbefriedigten Bedürfnisse von Nutzern nach tagesaktuellen Tür-zu-Tür-Lieferungen zu erfüllen.“ Deccan Cargo (Deccan 360), die Frachtfluglinie des indischen Luftfahrtpioniers G R Gopinath, arbeitet momentan an einem geänderten Geschäftsplan, nachdem sie in Turbulenzen geraten war. Die Airbus 310-Frachter sollen gegen Frachter des Typs Airbus 300 ausgetauscht werden. Zudem werden Flugzeuge der Hersteller ATR und Boeing zugekauft.

„Amerika generiert einen Frachtumschlag von rund 60 Milliarden US-Dollar (42 Milliarden Euro), Europa rund 26 Milliarden Euro und China rund sechs Milliarden Euro. Indien erwirtschaftet nur 350 Millionen Euro. Daher gibt es große Wachstumsmöglichkeiten… Der größte Teil der Fracht wird im Frachtraum von Zivilflugzeugen transportiert. Globale Expressunternehmen wie DHL, FedEx und UPS verbinden Indien mit der Welt und bauen momentan ihren Wirkungsbereich aus. „Wir dagegen etablieren ein großes Netzwerk im Inland. Da die Wirtschaft um rund acht Prozent jährlich wächst ist es nötig, dass Güter zeitnah eintreffen“, erklärt Gopinath. Laut der indischen Onlinezeitung Livemint versucht „eine Gruppe von internationalen Vertragsflugfirmen, die für FedEx,TNT und andere Expressunternehmen arbeiten, die eingestellte Frachtfluglinie Quikjet wiederzubeleben. Falls der Plan gelingt, wird Quikjet für alle Expressunternehmen inclusive FedEx fliegen.

Fazit
Der internationale als auch der Inlandsfrachtflugmarkt des Subkontinents ist stark umkämpft. Einige Marktteilnehmer wie Air India, Deccan 360, Aryan Air Cargo stecken in finanziellen und strukturellen Schwierigkeiten. Im Inlandsmarkt akquirieren die großen Expressdienstleister kleinere Unternehmen, um Ihren Marktanteil auszuweiten. Unabhängige lokale Frachtflugunternehmen und kleinere lokale Expressdienstleister haben es hier schwer zu bestehen. Wir werden also noch weitere Marktbereinigungen und Zusammenschlüsse erleben.

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