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Gefährliches Mittelmaß

Der durchschnittliche, unselbständige Österreicher verdiente 2011 24.843 Euro brutto, aber 1.051.000 Österreicher leben unter der Armutsgrenze. Mit einer Akademikerquote von 19,3 Prozent liegen wir unter dem OECD-Durchschnitt von 27,6 Prozent. Den letzten Nobelpreis für Österreich gab‘s 2004 in der Rubrik Literatur. Im IMD-Standort-Ranking sind wir auf Platz 23 abgerutscht. Mit Österreich geht’s bergab, am besten ist, wir wandern alle aus. Nur – wohin?  Redaktion: Angelika Thaler

Denn seien wir mal ehrlich: uns geht’s verdammt gut hier! Die Frage ist nur: wie lange noch? In vielen Bereichen laufen wir Gefahr, ins Mittelmaß abzurutschen, und gerade im Hinblick auf die Attraktivität als Wirtschaftsstandort ist das äußerst bedenklich. Auch wenn wir meiner Meinung nach weit davon entfernt sind, in einem „abgesandelten“ Land zu leben, so sind erste Anzeichen bereits zu bemerken. Auch bei uns steigt die Arbeitslosigkeit, insbesondere bei den Jungen und den Älteren. Wer heute mit über 50 seinen Job verliert, hat es extrem schwer – kaum ein Unternehmen gibt älteren Arbeitnehmern noch eine Chance, obwohl noch gut 15 Arbeitsjahre zu erfüllen wären.

Im EU-Durchschnitt stehen wir noch gut da, aber was hilft das dem einzelnen Betroffenen? Es ist eine tolle Ausrede für zu lasche Gegenmaßnahmen, wenn man sich auf den ohnehin im Vergleich zum Mittelmaß guten Wert beruft. Was selten zur Sprache kommt, ist das damit verbundene Damoklesschwert, das jährlich schwerer an seinem Rosshaar wiegt. Denn Arbeitslose zahlen nichts in die schon jetzt überforderten Pensionskassen ein, sondern erhalten Leistungen vom Staat. In den Südländern wächst eine ganze Generation in Jugendarbeitslosigkeit heran, die keine Beiträge zahlen kann. Wie hoch wird wohl deren Pension einmal ausfallen? Wer wird diese finanzieren?

Durchschnittsfalle
Schon vor Jahren warnte der Genetiker Markus Hengstschläger davor, dass in unserem Bildungssystem alles nach dem Durchschnitt ausgerichtet sei, einzelne Talente jedoch verkümmern würden. Die Gefahr dabei ist, dass ein Mensch, der alle Fähigkeiten durchschnittlich ausgeprägt hat, wohl kaum zu Spitzenleistungen fähig ist. Zudem ist es ungleich aufwendiger, eine Schwäche auszugleichen, als eine Stärke zu vertiefen. Ein gewisser Grad an Allgemeinbildung (wie wird die eigentlich definiert?) ist wichtig, keine Frage. Aber muss ein zukünftiger Softwareentwickler wissen, wo Beethoven begraben liegt? Ist es für einen Personalverantwortlichen, der einen Marketingmitarbeiter sucht, wirklich von Relevanz, welche Abschlussnote der Bewerber in Biologie hatte? Ein Beispiel: zwei Schüler haben jeweils einen Notendurchschnitt von 2. Der eine hat in Mathematik eine Eins, in Biologie eine Drei. Der andere hat in beiden Fächern eine Zwei. Wen würden Sie für ein Praktikum in der Buchhaltung einstellen?

Viele haben Angst, in irgendetwas unterdurchschnittlich zu sein. Nur nicht negativ auffallen, mit der Masse schwimmen. Dabei ist es viel schlimmer, nirgends hervorzustechen! Wie will man – als Unternehmer, Arbeiter, Entwickler oder egal was – erfolgreich sein, wenn man sich am Durchschnitt orientiert und nicht versucht, in einem bestimmten Bereich besser zu sein als die anderen? Nicht ohne Grund sind Nischenunternehmen teilweise extrem erfolgreich! Sie verstehen es, in einem bestimmten, eng abgegrenzten Gebiet, um Längen besser zu sein als alle anderen. Viele Spezialisten in Summe ergeben eine gewaltige Macht, und genau das braucht Österreich, um im internationalen Wettbewerb nicht noch weiter zurückzufallen: Menschen mit Visionen, und Experten, die diese in Taten und Produkte umsetzen.

Patient Schulsystem
Die Schulzeit habe ich schon eine ganze Weile hinter mir gelassen, erinnere mich aber noch, dass ich nicht gerne dort war und mich überaus freute, wenn Stunden ausfielen und wir früher nach Hause durften. Eine Ganztagesbetreuung wäre für mich einer schlimmen Strafe gleichgekommen. Betrachtet man aber den Status quo der Schulsysteme in Europa, gibt es außer in Österreich lediglich noch Griechenland, wo Ganztagsschulen nicht die Regel darstellen. Wo sich Griechenland derzeit wirtschaftlich befindet, wissen wir….

Wussten Sie, dass es in einigen Sprachen – wie etwa Französisch, Englisch, Japanisch oder auch Schwedisch – kein direktes Wort für „Ganztagsschule“ gibt? Dort ist das nämlich so selbstverständlich, dass die Schule nicht schon zu Mittag endet, dass es niemand mehr dazusagt. Es gibt einfach nichts anderes! In Österreich hingegen sind Schulreformen und Schulversuche stets halb- wenn nicht sogar nur viertelherzig, und das liegt vor allem an der Politik. Auch ich habe eine kleine Tochter, die in wenigen Jahren zur Schule gehen wird, und aus heutiger Sicht finde ich den Gedanken, dass sie bis 16 Uhr täglich in der Schule hocken wird, äußerst befremdlich. Aber wenn sie dort von qualifizierten Lehrern betreut ihre „Hausaufgaben“ erledigt, zwischendurch mit Freunden Sport treiben und spielen kann, sprich zu Hause tatsächlich nur noch Freizeit angesagt ist – warum nicht??

Nun folgt meine persönliche Meinung, für die niemand den Logistik express zur Verantwortung ziehen kann, wenn sie ihm nicht passt: es wird erst etwas passieren, wenn ein gewisser Herr Fritz Neugebauer sich endlich aufs Altenteil zurückzieht. Sein Kampfgeist in allen Ehren, aber mit dieser Blockadepolitik wird es uns mit den PISA-Tests bald gehen wie mit dem Songcontest, und wir kommen nicht mal mehr in die nächste Runde. (AT)

Quelle: LOGISTIK express Fachzeitschrift 3/2013

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