„Land unter“ auf der Insel der Seligen

Für Viele gilt Österreich als „Insel der Seligen“, und bei manchen hat man wirklich das Gefühl, als gäbe es kein Drumherum, sondern nur sie. Aber unser Land liegt im Herzen Europas mit Beziehungen zur ganzen Welt. Beziehungen sind toll – solange sie nicht das Wohl eines der Partner bedrohen. Der Egotrip der USA führt dazu, dass Handelspakte verstärkt oder beschleunigt werden sollen – mit allen unumkehrbaren Konsequenzen. Wenn das geschieht, wird unsere Insel versinken.

Man kann sagen, die Wirtschaft brummt. Nach dem Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo hat auch der Internationale Währungsfonds (IWF) seine Konjunkturprognose 2018 für Österreich gegenüber der letzten Schätzung kräftig erhöht: so wird laut neuem World Economic Outlook das Bruttoinlandsprodukt (BIP) heuer voraussichtlich um 2,6 Prozent real wachsen (Schätzung für EU-Schnitt: 2,4 Prozent Plus). Im Jahr 2017 betrug das BIP-Plus in Österreich sogar 2,9 Prozent. Produktion und Beschäftigungszahlen legen zu, ebenso die Exportzahlen. Kurzum: es geht der Wirtschaft richtig gut. Davon zeugt auch die Außenhandelsbilanz 2017, die der Statistik Austria zufolge einen Überschuss in Höhe von 9,2 Mrd. Euro ausweist. Zudem erreichten heimischen Direktinvestitionen im Ausland mit einem Wert von rund 9,7 Mrd. Euro den höchsten Wert seit 2013. Kurz gesagt: die Österreichische Wirtschaft ist schon heute wunderbar vernetzt, unsere Produkte sind international gefragt. Das Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA), das Freihandelsabkommen der EU mit Kanada, trat bereits am 21. September 2017 vorläufig in Kraft – ohne den gefürchteten Investorenschutz. Stolze 98 Prozent der Zölle sind dadurch weggefallen. Und es funktioniert, auch ohne private Schiedsgerichte! Ist das nicht unglaublich?

Österreich exportiert erfolgreich Güter und erfreut sich an der Hochkonjunktur, ganz ohne, dass es seine Seele an internationale Großkonzerne verkauft! Dabei habe ich immer schon davon geträumt, mitzuerleben, wie Österreich auf Gewinnentgang verklagt wird, weil hier keine Atomkraftwerke errichtet werden dürfen und genmanipuliertes Fleisch nicht in den Supermärkten landet. WTF?? Vor den Regierungsverhandlungen und auch im Wahlkampf war die ÖVP noch für ein Rauchverbot, die FPÖ strikt gegen CETA. Im aktuellen ÖVP-FPÖ Regierungsprogramm „Zusammen. Für unser Österreich.“ findet man auf Seite 141 im Unterpunkt Internationalisierung: „Ratifizierung und Umsetzung des am 18.10.2016 im Ministerrat und in weiterer Folge am 30.10.2016 von der Europäischen Union und Kanada beschlossenen Handelsabkommens CETA“. Unwiderruflich! Natürlich inklusive Schiedsgerichten. Dafür ist das allgemeine Rauchverbot in der Gastronomie gekippt worden, ehe es in Kraft trat. Ein Schelm, der Böses dabei denkt. Wer nun mit der immensen Wichtigkeit des Handelspartners Kanada für Österreich argumentieren möchte, der solle sich bitte die Außenhandelsstatistik nochmals genau ansehen, denn schließlich wickelte Österreich 2017 rund 70 Prozent des gesamten Außenhandels mit EU-Staaten ab – mit Kanada gerade mal 0,8 Prozent. Dafür sitzen dort einige richtig große Konzerne, die nur darauf warten, ihren Fuß in die Tür zu bekommen – und eine Armada aus Anwälten, die sich schon die Hände reibt.

Wer anderen eine Grube gräbt.
Auch wenn der Amerikanische Präsident auf viele Menschen wirkt wie ein Elefant im Porzellanladen, so ist er immer noch ein Elefant. Und der kann viel Schaden anrichten. Seine populistischen „America First“ Parolen und die daraus folgenden, in meinen Augen nicht durchdachten Äußerungen und – viel schlimmer – Handlungen bringen das globale Handelsgefüge der letzten Jahrzehnte ins Schwanken. Alte Gräben brechen auf, neue entstehen. Die gegenseitig verhängten Strafzölle zwischen Amerika und China haben das Potenzial, sich zu einem globalen Handelskrieg auszuweiten. Wer ergreift für wen Partei? Wer ist solidarisch mit wem und setzt ebenfalls Maßnahmen? In so einem Handelskrieg kann es keinen Gewinner geben. Leidtragender ist die Bevölkerung – auf allen Seiten. Zum Glück sind Tweets nicht in Stein gemeißelt, und dass ein Herr Trump seine Meinung ändert, soll gerüchteweise auch schon vorgekommen sein. Hoffentlich kommt der Tag, an dem er einsieht, dass es nicht funktionieren kann, sich stets das beste und größte Stück vom Kuchen zu nehmen, ohne dass jemand Einspruch erhebt – oder irgendwann den ganzen Kuchen vergiftet.

Zieht euch warm an.
Die Temperaturen steigen, aber auch die soziale Kälte nimmt zu. Abseits von Handelspakten, die viel Geld in die Kassen von (großen) Konzernen spülen sollen, ist das Thema Sparen in aller Munde. Allerdings nicht auf dem Sparbuch – dank Niedrigstzinsen verliert das dort gelagerte Geld unaufhaltsam an Wert – sondern in den unterschiedlichen Bereichen des täglichen Lebens. Es gibt einen breiten Konsens darüber, dass durch eine effektive Hilfe in Krisengebieten, also vor Ort, Flüchtlingsströme reduziert werden können. Damit würde nicht nur eine gefährliche Reise verhindert, sondern auch der Wiederaufbau gefördert. Besonders ein gewisser Sebastian Kurz, damals Außenminister, betonte stets die Wichtigkeit dieser vor-Ort-Hilfe. Ist es da nicht ein wenig zynisch, das Budget für Entwicklungshilfe – das laut UNO-Ziel bei 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens liegen sollte – von aktuell 0,42 Prozent kurzfristig auf 0,3 Prozent, bis 2022 sogar auf nur 0,24 Prozent zu senken? Man muss aber gar nicht in die Ferne schweifen, um einen rauen Wind zu finden. Das Ende der „Aktion 20.000“, die Halbierung der Mittel für das verpflichtende Integrationsjahr und die Debatten über die Mindestsicherung sind nur ein paar Beispiele für die Entwicklungen, die Österreich gerade durchlebt. Aber es ist ja auch viel einfacher, gegen Arbeitslose zu kämpfen, als gegen die Arbeitslosigkeit. Ich bestreite nicht, dass es schwarze Schafe gibt, die das System ausnutzen. Aber alle über einen Kamm zu scheren, ist der falsche Ansatz. Die Jobsuche ist nicht lustig, schon gar nicht, wenn man über 50 Jahre alt ist. Theoretisch hat man noch 15 (!!) Jahre zu arbeiten, aber den meisten Arbeitgebern ist man bereits zu alt. Wenn dann noch der Druck dazukommt, als Versager und Sozialschmarotzer zu gelten und auf der Straße zu landen, macht das den Wiedereinstieg bestimmt leichter. Nicht.

Die Aufgabe der Politiker ist es, die Geschicke des Staates dem Willen der Bevölkerung folgend zu lenken. Bei der Vielzahl an Interessensgruppen ist es unmöglich, alle zufrieden zu stellen. Es würde aber schon genügen, die Stimme der Wirtschaft nicht über alles andere zu stellen und der Menschlichkeit Vorrang zu geben, damit das Leben für alle erträglicher wird. Und wir irgendwann wieder eine Insel der Seligen sein können.

Redaktion: Angelika Gabor

Quelle: LOGISTIK express Ausgabe 3/2018

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