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Punkten mit Qualität

Die ÖBB sind im Güterverkehr in den schwarzen Zahlen unterwegs. Künftig will Rail Cargo Austria nicht mit niedrigen Preisen, sondern mit guter Qualität bei den Verladern punkten.   Redaktion: Logistik express

Österreichs Staatsbahn ÖBB hat im vergangenen Jahr erstmals nach wirtschaftlich schwierigen Jahren mit dem Güterverkehr wieder Geld verdient und unterm Strich einen Gewinn von 29 Mio. EUR (EBT) eingefahren. Das klingt nach Meisterstück, fielen im vergangenen Jahr doch Umsatz und transportiertes Volumen zurück. 113 Mio. Tonnen beförderte der ÖBB-Teilkonzern im vergangenen Jahr, um neun Prozent weniger als im Jahr zuvor. Der Umsatz ging um zwei Prozent auf 2,4 Mrd. EUR zurück. Im Jahr 2011 schrieb RCA von einen Verlust von 49 Mio. EUR. Der Gewinn im Vorjahr geht nicht allein auf das Konto von RCA in Österreich, sondern kommt mit mehr als acht Mio. EUR auch von der ungarischen Tochter Rail Cargo Hungaria (RCH), deren wirtschaftliche Befindlichkeit in den vergangenen Jahren als sehr fragil galt. „Wir blicken auf ein erfolgreiches und zufriedenstellendes Jahr 2012 zurück“, kommentiert ÖBB-Konzernchef Christian Kern das 2012er-Geschäft. Gelungen ist der Schwenk in die schwarzen Zahlen durch Produktivitätssteigerungen und Kostensenkungen bei der Produktion, aber auch dank einer erfreulichen Geschäftsentwicklung in einzelnen Industriesparten wie Stahl, Papier, Automotive oder Agrarwirtschaft. Die einst über 100 Beteiligungen wurden auf 71 zusammengestrichen, Managerposten eingespart und was die Verlader direkt zu spüren bekamen: RCA hat in verschiedenen Bereichen des Güterverkehrs die Preise spürbar erhöht und so mehr Geld in die Umsatzkasse bekommen.

Das Gelingen des von Kern eingeleiteten schmerzhaften Sanierungsprogramms im Bahnkonzern bereitet dem Eigentümer Staat durchaus Freude: Als Gesamtkonzern haben die ÖBB im Vorjahr einen Gewinn von 66,5 Mio. EUR (EBT) erwirtschaftet. Im Vergleich zu 2011 um 94 Mio. EUR mehr; 2011 lag der Verlust noch bei 28 Mio. EUR. Mit den Zahlen hofft Kern freilich, mit einem häufig über die ÖBB verbreiteten „Märchen“ aufräumen zu können, wonach die Bahn im Güterverkehr im weniger profitabel ist, liest man beispielsweise im Mitarbeitermagazin für die 39.800 stehenden Beschäftigen.

Wachsen mit werthaltigem Geschäft
Die ÖBB wollen im Güterverkehr künftig nicht mehr mit transportierter Tonnage die Welt beeindrucken, sondern mit soliden Erträgen aus werthaltigem Geschäft. Die Strategie richtet sich klar in Richtung Bahnlogistik. Darunter versteht man im RCA-Konzern die Geschäftsbereiche Bahnspeditionsgeschäft, Operator-Tätigkeit, Carrierfunktion, Waggonvermietung und Instandhaltung sowie den bislang nicht gerade von Fortune begleiteten Bereich der Kontraktlogistik. Werthaltigkeit kommt auch aus der verstärkt eigenen Produktion. So haben die ÖBB in Budapest die zentrale Traktionssteuerung eingerichtet, wo die Fäden für die Eigenproduktion zusammenlaufen.

Der „Rail Cargo Carrier“ ist ein RCA-internes Eisenbahnverkehrsunternehmen, das den Vertrieb der gesamten Rail Cargo-Gruppe produktionsseitig unterstützt. Für den Verlader liegt beispielsweise der Vorteil darin, dass grenzüberschreitende Verkehre ohne Lokwechsel ablaufen und RCA für den gesamten Transportlauf der Ansprechpartner ist. Rail Cargo Carrier mit Hauptsitz in Ungarn hat wiederum Töchter in Tschechien, Slowakei, Rumänien, Ungarn und Bulgarien. Das bedeutet, dass RCA in allen diesen Ländern selbst produziert und in Eigenregie die Züge abwickelt. Rail Cargo Carrier ist ausschließlich als Traktionär tätig, ohne eigenen Vertrieb und Waggons. Neben Rail Cargo Carrier für die genannten Länder in Osteuropa läuft die Eigenproduktion in Ungarn auch über die dortige Rail Cargo Hungaria, in Österreich, Deutschland, Slowenien und Tschechien über Rail Cargo Austria und in Italien mit der eigenen Rail Cargo Italia. Mit eigener Produktion lassen sich Kosten senken und die Werthaltigkeit erhöhen.

Der strategische Fokus von RCA ist und bleibt Südosteuropa. Dabei wird Westeuropa nicht außer Acht gelassen: In zehn Ländern als Carrier und in 15 Länder als Spediteur (Express-Interfracht) werthaltiges Geschäft zu machen ist das deklarierte Ziel. „Wir sind keine Phantasten, aber wir glauben, dass wir das richtige Geschäftsmodell“ haben, wenn rundherum in Europa die nationalen Schrebergärten zusammenbrechen“, betont ÖBB-Holding-Chef Kern. Werthaltiges Geschäft steht neben der Eigentraktion für komplexe Supply-Chain-Lösungen mit starker Schienenaffinität, Wagenladungsverkehre, Speditionsgeschäft und das Kontraktlogistikgeschäft, also Abwicklung des Stückgutgeschäfts mit damit verbundenen value added Services wie Warehousing, Kommissionierung, Verpackung etc. 30 Mio. EUR pro Jahr hat RCA mit der Kontraktlogistik während der vergangenen Jahre verloren, im vergangenen Jahr waren es nur noch drei Mio. EUR. Es herrscht akuter Sanierungsbedarf und Kern erklärt, wie saniert wird: Es wird eine eigene Firma gegründet, in der alle Stückgutaktivitäten konzernweit gebündelt werden.

Die genauen Details der Neukonstruktion dieses Geschäftsbereichs will man noch nicht hinausposaunen, weil noch nicht abgeschlossen. Doch so viel steht aber schon fest: „Das Erfolgsprinzip muss Qualitätsführerschaft heißen. Wir wollen unsere Kunden nicht durch einen niedrigen Preis gewinnen und halten, sondern sie durch die Qualität unserer Dienstleistungen überzeugen“, lautet das Mission-Statement. Die Spedition Express-Interfracht ist der wichtigste Vertriebsapparat von RCA. Deren Profil wird künftig geschärft und sie soll ich verstärkt um Bahnlogistik kümmern. Durch Zukäufe und Gewinnung von talentierten Nachwuchskräften sowie Verkauf nicht bahnaffiner Bereiche wie Luft- und Seefracht-Aktivitäten soll Express-Interfracht künftig wirtschaftlich auf noch kräftigere Beine kommen. Express-Interfracht bleibt eine eigenständige Tochter der RCA Aktiengesellschaft, unabhängig und klar getrennt von der Kontraktlogistik.

Zu den Kernländern der RCA zählen auch die Türkei und Italien. Mit dem türkischen Ro/Ro-Unternehmen Unroro arbeitet RCA seit Jahren eng zusammen. Ziel ist, auf der Achse Türkei-Österreich-Europa mehr Cargo auf die Schiene zu bekommen, entweder auf dem Landweg oder über die Adria mit Fährschiffen: Türkische Lkw kommen per Fähre nach Triest und fahren auf der Rollenden Landstraße (von RCA betrieben) in das europäische Hinterland weiter. Im konkreten Fall per RoLa von Triest nach Salzburg. (LE)

 Quelle: LOGISTIK express Fachzeitschrift 3/2013

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