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Von Wernberg in die Welt

Conrad Electronic baut den Standort Wernberg zu einem der modernsten Kommissionier- und Distributionszentren im europäischen Versand- und Stationärhandel aus. Pierau Planung realisierte die Erweiterung der zentralen Logistik und den benötigten Anbau.

Um zukünftige Sortimentserweiterungen logistisch bewältigen zu können, hat Conrad Electronic SE 56 Millionen Euro in den Ausbau seines Logistikzentrums im oberpfälzischen Wernberg investiert. Für die Konzept- und Detailplanung sowie für die Realisierung des Anbaus und der Erweiterung der zentralen Logistik setzt Conrad mit dem Hamburger Planungsbüro Pierau Planung auf eine bereits seit Jahrzehnten bestehende Partnerschaft. Im Mittelpunkt des Projekts steht die Reduzierung der Auftragsdurchlaufzeit, die Erweiterung von Lagerkapazitäten sowie die Schaffung von attraktiven Arbeitsplätzen.

Größte Einzelinvestition in der Geschichte Conrads

Insgesamt 150 Million Euro hat Conrad Electronic bereits in seinen Standort im Großraum Regensburg investiert. Die aktuelle Erweiterung macht hierbei mit 56 Millionen Euro den größten Teilschritt aus – und stellt gleichzeitig die größte bisher in der Unternehmensgeschichte geleistete Einzelinvestition dar. Das Familienunternehmen wurde 1923 in Berlin gegründet und Schritt für Schritt vom Spezialversender für Elektronik-Bauteile zu einem der führenden Multichannel-Anbieter für Technik und Elektronik in Europa ausgebaut. Seit 1946 ist das Unternehmen in der Oberpfalz ansässig, zunächst in Hirschau, ab 1995 dann im neugebauten Logistikzentrum in Wernberg. 2012 erfolgte der Spatenstich zur Erweiterung eben diesen Standorts auf eine Grundfläche von 54.000 m². Im November 2014 wurde schließlich der Erweiterungsbau in Betrieb genommen. Conrad Electronic verfügt nun über eines der modernsten Kommissionier- und Distributionszentren im europäischen Versandhandel und Filialgeschäft. Das zweigeschossige Logistikzentrum verfügt bei einer neuen Gesamtlänge von 325 Metern und einer Breite von 175 Metern nun insgesamt über 100.000 qm Logistikfläche.

Optimal integriert

Kernpunkt für das von der Pierau Unternehmensberatung GmbH entwickelte Gesamtnutzungskonzept war der von Conrad Electronic umgesetzte Ausbau der Vertriebswege sowohl im B2B- als auch im B2C-Bereich. Aufgrund der daraus resultierenden starken Vergrößerung des Artikelsortiments im Zentrallager war die Kapazität der Lagerfläche des Elektronik-Versandhändlers bis an ihre Grenzen ausgereizt. Der kontinuierliche Anstieg an E-Commerce-Bestellungen, insbesondere aus dem B2B-Bereich, bedingt zudem, dass die Aufträge unmittelbar nach der Auftragserfassung zu bearbeiten sind. Für die traditionelle Batchaufbereitung der 2-stufigen Prozessbearbeitung fehlte die Verarbeitungszeit in dem kleinen Zeitfenster zwischen der Auftragserfassung und der Cut-Off Zeit.

Neben der Zielsetzung einer kürzeren Auftragsdurchlaufzeit war die Gestaltung der Arbeitsplätze eine weitere wichtige Projektanforderung der Geschäftsführung von Conrad. Die bisherigen langen Laufwege des alten Systems widersprachen modernsten ergonomischen Gesichtspunkten, so dass sich Conrad als einer der größten Arbeitgeber im Großraum Weiden Gedanken über attraktivere Arbeitsplätze machte.

Bereits bei der ursprünglichen Logistikplanung für den Standort Wernberg im Jahr 2000 hatte Pierau Planung für Conrad ein innovatives Logistikkonzept realisiert, bei dem zugunsten hoher Leistungsfähigkeit die Prozesse Kommissionierung und Packerei komplett entkoppelt wurden. Hierzu wurde unter anderem das Lager in verschiedene Teilbereiche mit Pufferfunktionen unterteilt und eine ausgeklügelte Förderstreckenführung entwickelt. Dieses Konzept galt es nun unter der Berücksichtigung der neuen Anforderungen – größeres Artikelsortiment, schnelleres Handling, ergonomische Abwicklung – auf ein höheres Leistungsniveau zu bringen und intelligent zu erweitern.

Die konkrete Aufgabenstellung umfasste letztendlich die Integration der bestehenden Anlage in das neue Konzept sowie die Auslegung des Erweiterungsbaus unter Berücksichtigung des fördertechnischen Layouts. Die Pierau Unternehmensberatung GmbH hat mit ihrem Konzept das erste B2C-System realisiert, das konsequent das Prinzip „Ware zum Mann“ umsetzt. Udo Hermannstädter, Leitung Logistik / Supply Chain bei Conrad Electronic SE: „Bereits seit 1973 begleitet uns Pierau Planung durchgängig bei der Entwicklung der Logistik. Insbesondere im Jahr 2000 konnte sich Pierau Planung mit innovativen Lösungen hervortun. Keine Frage also, dass wir auch bei unserem jüngsten Projekt auf eine Zusammenarbeit gesetzt haben. Das Ergebnis hat unsere Entscheidung mehr als bestätigt.“

Die Aufgaben im Detail
Neben der Entwicklung des Gesamtnutzungskonzepts umfassten die Leistungen von Pierau Planung die Bauvorplanung, die Koordination von Bau, Haustechnik und Intralogistik, die Entwicklung eines Detail-Nutzungskonzepts, das Ausschreibungsmanagement, die Vergabekoordination sowie die gesamte Projektrealisierung. „Eine für uns wesentliche Herausforderung war die Integration der Bestandsanlage in die Betriebserweiterung“, beschreibt Arne Pierau, der das Projekt von Beginn an begleitete, die Ausgangssituation. „Aus der langjährigen Zusammenarbeit mit Conrad und unserer Erfahrung aus den Vorprojekten, speziell der Planung des Zentrallagers, kennen wir nicht nur die Abläufe innerhalb des Logistikzentrums im Detail, sondern wissen auch um die Unternehmenskultur und die Entwicklungsziele von Conrad Electronic. Die Erkenntnisse aus einer engen Zusammenarbeit über Jahrzehnte ermöglicht es uns Planern, in ganz besonderem Maße für unseren Kunden ein zu ihm perfekt passendes Konzept zu entwickeln.“

Conrads Logistik im Detail
Der Auftragsstart der Sendungen erfolgt im zentralen, im aktuellen Entwicklungsschritt erweiterten Kartonaufrichterbereich. Hier werden die Versandkartons automatisch aufgerichtet, nachdem die korrekte Versandkartongröße für jeden einzelnen Karton von dem LVS berechnet wurde. Ein Teil der Verpackungen wird auch in Zukunft zunächst in zweistufiger Kommissionierung über die Bestandsanlage geführt, denn hier werden zukünftig alle Artikel bevorratet, die aufgrund von Größe, Gewicht, Kleinteiligkeit oder anderer Eigenschaften nicht für das neu eingeführte, hochdynamische Shuttle-System in der Erweiterung geeignet sind.

Für den Großteil der Sendungen werden die Artikel jedoch komplett aus dem Shuttlelager mit seinen 200.000 Lagerplätzen und bis zu 12.000 Lagerbewegungen / Stunde entnommen. Die Abwicklung im Shuttlelager erfolgt in einem einstufigen Verarbeitungsprozess, bei dem die Ware direkt vom Lagerbehälter in den Versandkarton gelegt wird. Gegenüber der Bestandsanlage konnte der Sendungsdurchsatz verdoppelt werden.

Ein Novum des neu entstanden Systems ist die Shuttlesteuerung über SAP/EWM, für deren Realisierung eine enge Abstimmung mit dem Softwarepartner igz und TGW, dem Hersteller der Shuttletechnik, erforderlich war. Keines der bisher realisierten Shuttlelager nutzt die lichte Gebäudehöhe von 20 m so konsequent aus wie das System bei Conrad Electronic. 375 Shuttles werden in den 15 jeweils 60 m langen Regalgassen eingesetzt. Wenn es die Artikelansprache erfordert, wechseln die Shuttles über Shuttleheber sogar die Lagerebene. So konnte die Investition in die Shuttletechnik in Kombination mit den geplanten Lagerplätzen gegenüber den ebenen-gebundenen Systemen im Rahmen gehalten werden, ohne Erweiterungspotenziale in der Zukunft durch den Einsatz von weiteren Shuttles zu blockieren. Täglich werden bei Conrad Electronic im Schnitt über 40.000 Pakete in über 150 Länder versandt − die neue Logistik wird nun in Spitzenzeiten den Versand von bis zu 100.000 Paketen pro Tag ermöglichen.

Konsequente Umsetzung von „Ware zum Mann“
Die Vorzone des Shuttlelagers besteht aus drei Kommissionierebenen: Auf den beiden unteren erfolgt an 30 Arbeitsplätzen die Endkundenbearbeitung, in der dritten Ebene wird die Ware für die Filialen kommissioniert. Die Shuttlefahrzeuge transportieren die Shuttlebehälter mit den Artikeln zu den jeweiligen Kommissionierplätzen, die nach optimalen ergonomischen Gesichtspunkten ausgelegt wurden. Conrad nutzt nun in dieser Dimension das erste auftragsbezogene Endkunden-System, das konsequent das Prinzip „Ware zum Mann“ umsetzt. Das heißt, die Lagerware wird direkt aus den Lagerbehältern in die Versandkartons gelegt. Eine besondere Herausforderung war hierbei, dass sowohl die Filialbelieferung als auch der Endkunden-Versand auf den identischen Warenbestand − sogar auf den identischen Behälter − im Shuttlelager zurückgreifen. Hier galt es, genaue Kommissionierstrategien zu definieren, um Engpässe und Blockaden zu verhindern.

Unter anderem wurde hierfür bereits parallel zur Auftragsvergabe eine Simulation der Prozesse durchgeführt. „Da die Hälfte des Sortiments empirisch hochgerechnet werden musste, war die Simulationsphase deutlich länger als bei anderen Projekten“, erklärt Arne Pierau. „Außerdem war es notwendig, Artikeleigenschaften für die neuen virtuellen Artikel zu generieren sowie Annahmen für den zukünftigen Bestand und die Anlieferzyklen zu mutmaßen.“

Auch im Hinblick auf die Sequenzierung wurden neue Wege beschritten. Die traditionelle Herangehensweise hätte aufwendige Sequenzpuffer vorgesehen, welche die Lagerbehälter aus dem Shuttle zwischenpuffern, bis sich der korrekte Versandkarton am Entnahmeplatz anmeldet. Bei Conrad wurde stattdessen eine manuelle Sequenzierung eingebaut, die keine Art von Fördertechnik benötigt, sondern über Ablageflächen funktioniert. Die richtige Dimensionierung dieser neuartigen Sequenzierung wurde in der Simulation validiert. Bei Conrad Electronic hat sich dieses eigentlich „Brett Pick“ genannte System umgehend etabliert und voll bewährt – so sehr, dass es schnell seinen eigenen Spitznamen „Brad Pitt“ bekam.

Hochlaufphase im Weihnachtsgeschäft
Während der Planungsarbeit standen die wesentlichen fördertechnischen Abwicklungen bereits fest, so dass der Erweiterungsbau mit den Sozialräumen für die Mitarbeiter exakt darauf ausgelegt werden konnte. Inbetriebnahme und Hochlaufphase erfolgten parallel zum Versand mitten im Weihnachtsgeschäft 2014, ohne die Auslieferung zu beeinträchtigen. Zudem wurde eine neue Verpackungstechnik eingeführt, um das Versandvolumen zu optimieren und gleichzeitig die Ware im Paket zu schützen. Udo Hermannstädter von Conrad Electronic SE bilanziert: „Die mit Pierau Planung durchgeführte Neuausrichtung stellt für uns einen Meilenstein unserer Logistik dar.“

Quelle: Pierau Planung

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