Arbeitskräftemangel auf Rekordniveau: 20.000 offene Stellen
Der heimische Handel sucht händeringend nach neuen Beschäftigten und Lehrlingen. Aktuell gibt es in der Branche rund 20 Prozent mehr Personalbedarf als vor der Corona-Pandemie. Die vierte Corona-Welle könnte nun breitflächige Personal-
ausfälle in allen Handelssektoren auslösen.
Beitrag: Gerald Kühberger.
Die vierte Corona-Welle hat auch in Österreich Fahrt aufgenommen. Gleichzeitig stagniert die Durchimpfungsrate. Was vielen nicht bewusst ist: Die Pandemie hat zu einem massiven Personalmangel in ganz Österreich geführt. Die heimischen Händler klagen über viel zu wenige verfügbare Arbeitskräfte und einen massiven Rückgang an Bewerbungen. Bundesweit gibt es derzeit mehr als 15.000 offene Stellen im Einzelhandel und mehr als 5.000 im Großhandel.
Der Handelsverband weist schon seit Monaten darauf hin, jetzt spitzt sich der Arbeitskräftemangel im Handel dramatisch zu. Zurzeit sind es bundesweit mehr als 20.000 offene Stellen, die nicht zeitnah besetzt werden können. Allein in Oberösterreich sind es 4.800, in der Bundeshauptstadt Wien immerhin 3.200. Und eine Entspannung der Lage ist noch nicht in Sicht.
Breitflächige Personalausfälle befürchtet.
Verschärft wird die Problematik durch die rasant angestiegenen Corona-Infektionszahlen. Dies könnte in den kommenden Wochen zu breitflächigen Personalausfällen in allen Branchen führen. Hintergrund sind die geltenden K1 Bestimmungen. Kontaktpersonen der Kategorie I werden per Bescheid für die Dauer von 14 Tagen behördlich abgesondert (Heimquarantäne) und müssen sich einem PCR-Test unterziehen. Eine vorzeitige Beendigung der Absonderung ist frühestens 10 Tage nach dem letzten infektiösen Kontakt bei Vorliegen einer negativen PCR-Untersuchung möglich. Da genesene bzw. geimpfte Personen als Kontaktperson der Kategorie II eingestuft werden können, und diese im Regelfall keine Quarantäne antreten müssen, ist eine rasche Erhöhung der Durchimpfungsquote entscheidend. Sonst drohen im Herbst und im Winter breitflächige Personalausfälle in den Geschäften.
Faktor Arbeit entlasten.
Um das Problem zu lösen, sind neue Ansätze gefragt. Oberste Priorität sollte jetzt die viel beschworene aber leider auch oft verschobene Senkung der Lohnnebenkosten haben. Damit könnte auch der wichtige Binnenkonsum effektiv angekurbelt werden. Österreich ist bei den Lohnnebenkosten EU-weit Nachzügler. Nirgendwo in Europa zahlen Unternehmen so viel für ihre Beschäftigten, ohne dass es den Angestellten selbst bleibt. Daher muss der Faktor Arbeit endlich entlastet werden, das ist das beste Investment in die Zukunft unseres Landes. Die nächste Steuerreform muss sowohl bei den Lohnnebenkosten als auch bei der Lohnsteuer ansetzen. Jenen, die einen Arbeitsplatz innehaben, soll mehr netto vom brutto bleiben.
KV-Verhandlungen mit Augenmaß führen.
Vor diesem Hintergrund appelliert der Handelsverband an die Sozialpartner, die im Herbst anstehenden KV-Verhandlungen mit Augenmaß zu führen. Denn während jetzt das Inflationsgespenst als logische Folge der Pandemie und der aktuellen Beschaffungskrise herumgeistert, steigt auch die Erwartung, dass bei den anstehenden KV-Verhandlungen hohe Abschlüsse möglich seien. Es ist aber so, dass viele Betriebe ihre Krisenverluste noch lange nicht getilgt haben. Gerade die KMU-Händler leiden noch immer massiv unter der Krise, viele können sich eine deutliche KV-Erhöhung schlicht nicht leisten. Stattdessen gilt es, die Inflation abzufangen. (GK)