Außenhandel verschärft internationale Ungleichheiten

Durch internationalen Handel erzielen reichere Länder nicht nur einen monetären Überschuss, sondern eignen sich zudem die natürlichen Ressourcen und Arbeitskraft ärmerer Länder an. Während dadurch in einigen Ländern hoher Konsum und Wirtschaftswachstum bei gleichzeitiger Schonung der heimischen Ressourcenbasis sichergestellt werden können, wird anderswo immer mehr Land für Bergbau und landwirtschaftliche Produktion für den Export in Anspruch genommen und eine sozial-ökologisch nachhaltige Entwicklung unmöglich gemacht. Diese dem internationalen Handel strukturell zugrunde liegende Ungleichheit hat jetzt ein Team aus Wissenschaftler*innen des Konrad Lorenz Instituts Klosterneuburg (KLI), der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) und der Wirtschaftsuniversität Wien (WU) empirisch untersucht.

Erdöl, Eisen, Kraftfutter für die Viehwirtschaft, Komponenten für den Fahrzeugbau, Geräte für den Endverbrauch: Importe sind aus unseren Konsummustern kaum noch wegzudenken. Und zur Herstellung importierter Güter (und auch Dienstleistungen) müssen anderswo Arbeitskraft, Energie, Land und materielle Ressourcen aufgebracht und eingesetzt werden. Obwohl ohne diese Inputs weitere Produktion und letztlich auch der Konsum undenkbar wären, erzielen sie nur einen geringen Anteil des ökonomischen Mehrwerts, der entlang einer gesamten Lieferkette erzielt wird. Erstaunlicherweise hat es jedoch bisher keine wissenschaftliche Studie gegeben, die den „ökologisch ungleichen Tausch“ auf globaler Ebene umfassend empirisch untersucht hätte.

Arbeitskraft, Land, Ressourcen: Vorbedingungen des Außenhandels.
Wo wird wieviel Arbeitskraft aufgebracht, um für den Export zu produzieren? Welche Landfläche wird dafür beansprucht? Wieviel Energie wird eingesetzt? Welche materiellen Ressourcen müssen durch Bergbau, Land- und Forstwirtschaft extrahiert werden? Und vor allem: Wo landen diese Inputs auf direktem oder indirektem Wege im Endkonsum? Mithilfe von Rohdaten zu Ressourcennutzung und sogenannten multi-regionalen Input-Output Modellen, die die Verflechtungen zwischen Produktion und Konsum innerhalb und zwischen einzelnen Ökonomien abbilden, können diese Fragen empirisch beantwortet werden. Die Ergebnisse machen deutlich, dass der internationale Handel und die Umverteilung von Ressourcen, die er darstellt, manche Ungleichheiten eher verschärft als mildert.

Wohin fließen Geld und Ressourcen?
Im Handel fließen Geld und Ressourcen in entgegengesetzte Richtungen: Wer Güter verkauft, bekommt dafür Geld, wer Güter kaufen will, muss Geld dafür zahlen. Dadurch jedoch, dass sich manche Länder – jene mit höherem durchschnittlichen pro-Kopf Einkommen – auf höherwertige Verarbeitung spezialisiert haben, während in anderen Ländern die Expansion der Rohstoffextraktion forciert wird, kommt es international zu asymmetrischen Geld- und Ressourcenflüssen. Die reicheren Länder sind zwar Netto-Importeure von Ressourcen und Arbeitskraft und beanspruchen global gesehen mehr Energie und Landfläche, als sie bereitstellen, bleiben aber nichtsdestotrotz monetär gesehen Netto-Exporteure, das heißt, sie verdienen mehr an ihren Exporten, als sie für ihre Importe zahlen. Das ist deshalb möglich, weil Preise für Rohstoffe, Land, Energie, und Arbeitskraft global extrem unterschiedlich sind: Die reicheren Länder erzielten, wegen ihrer Spezialisierung auf höherverarbeitete Güter und Dienstleistungen, im Jahr 2015 durchschnittlich einen elfmal höheren Preis pro exportierter Einheit an materiellen Ressourcen als die ärmeren Länder. Auch für Energieeinsatz und Landnutzung werden die reicheren Ländern um ein Vielfaches höher entschädigt als ärmere Länder. Für Arbeitskraft ist der Unterschied am deutlichsten: Hier erzielen reichere Länder eine 28-mal höhere Entschädigung als ärmere.

Ressourcenaneignung als Grundlage für Wirtschaftswachstum.
Die Länder mit dem höchsten Pro-Kopf-Einkommen sind auch diejenigen mit den höchsten ressourcenbasierten Fußabdrücken – und auch für den damit verbundenen Umweltauswirkungen verantwortlich. Konkret war die Nachfrage im Jahr 2015 im reichsten Sechstel der Länder mit fast 13-mal höherem Materialeinsatz verbunden als im ärmsten Sechstel. Der jährliche Konsum in diesem reichsten Sechstel war 2015 mit durchschnittlich etwa 26 Tonnen Rohmaterialeinsatz pro Kopf verbunden (wovon ca. 9 Tonnen pro Kopf in Form von Netto-Importen aus ärmeren Ländern stammten). Das ärmste Sechstel verzeichnete lediglich ca. 2 Tonnen materiellen Ressourceneinsatz pro Kopf. Für Energie war der Fußabdruck zwischen reichstem und ärmstem Sechstel fast 34-mal so hoch.

Über die Zeit wird dieser höhere Fußabdruck zu einem technologischen, wirtschaftlichen, und infrastrukturellen Vorteil für reichere Länder, die dadurch wiederum in der Lage sind, mehr Ressourcen in den Folgejahren anzueignen. Mit diesen hohen Ressourcenaneignungen und Fußabdrücken erwirtschaftete das reichste Sechstel der Länder (~16% der Weltbevölkerung) im Jahr 2015 weit mehr Wertschöpfung als alle anderen Länder gemeinsam. Genau genommen waren es mit 65% fast zwei Drittel des globalen BIPs bzw. 48,5 Trillionen US-Dollar.

„Aufholende Entwicklung“ – im doppelten Sinne unnachhaltig?
Explizit oder zumindest implizit werden die reichsten Ökonomien als Entwicklungsleitbild hochgehalten, doch wenn wir uns vergegenwärtigen, wie sehr ihr Reichtum eben von Netto-Importen abhängt, dann muss auch klar sein, dass nicht alle Ökonomien dieser Welt Netto-Importeure sein können. Die Entwicklung, die einige Länder für sich haben realisieren können, ist global nicht verallgemeinerbar.

Die Nachfrage nach Ressourcen steigt weltweit. Da sie auf der Erde aber nur begrenzt verfügbar sind, müssten neue Wirtschaftssysteme, Technologien, und Infrastrukturen geschaffen werden, die weniger Ressourcen benötigen; vor allem müssen auch diejenigen Strukturen und Verhältnisse rückgebaut oder aufgelöst werden, die die internationalen Ungleichheiten, die diese Studie offen legt, verschärfen. Dies würde mehr „materiellen Freiraum“ für ärmere Länder geben deren Ressourcenverbrauch derzeit nicht überall Grundbedürfnisse decken kann, und dabei gleichzeitig aber nicht den Druck auf Umwelt und zukünftige Generationen noch weiter erhöhen.

Quelle: Christian Dorninger, Alf Hornborg, David J. Abson, Henrik von Wehrden, Anke Schaffartzik, Stefan Giljum, John-Oliver Engler, Robert L. Feller, Klaus Hubacek, Hanspeter Wieland (2020): Global patterns of ecologically unequal exchange: Implications for sustainability in the 21st century. Ecological Economics 179, 106824. https://doi.org/10.1016/j.ecolecon.2020.106824

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Rückfragen & Kontakt:
Christian Dorninger, Konrad Lorenz Institut Klosterneuburg (KLI), christian.dorninger@kli.ac.at
Anke Schaffartzik, Institut für soziale Ökologie, BOKU Wien, anke.schaffartzik@boku.ac.at
Hanspeter Wieland, Institut für ökologische Ökonomie, WU Wien, hanspeter.wieland@wu.ac.at

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