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Chinas Öffnung: Auswirkung auf die Supply Chains

Die Beendigung der „Null-Covid-Politik“ lässt eine Erholung der globalen Lieferketten erwarten. Die Situation hängt natürlich vom Auftreten weiterer Covid-Wellen und eventuell neuer Varianten ab.

Redaktion: Dirk Ruppik.

Nach mehreren Jahren strikter Pandemie-Beschränkungen hat China unter dem Druck der Bevölkerung im Dezember seine Null-Covid-Politik aufgegeben. Die Proteste gegen die menschenverachtende Lockdown-Politik wurden durch ein Feuer in einem unter Quarantäne stehenden Wohnblock in Urumqi in der Xinjiang-Provinz am 24. November getriggert. Mehrere Menschen starben, da sie den Wohnblock aufgrund der Lockdown-Maßnahmen nicht verlassen konnten. Die Proteste weiteten sich infolgedessen schnell bis nach Wuhan, Chengdu, Peking und Schanghai aus.

Die chinesische Regierung und allen voran Xi Jinping mussten aufgrund von drohenden Unruhen nachgeben. Die 180-Grad-Kehrtwende kam dennoch für viele westliche Beobachter überraschend. Da zur gleichen Zeit eine größere Covid-Infektionswelle durch das Land schwappte, waren einige Experten und Medien schnell bereit, wieder mit dem Schlimmsten zu rechnen. Eine gewaltige Ausbreitung von Covid mit möglichen gefährlicheren Varianten wurde vorausgesagt. Diese Annahmen wurden allerdings in keinster Weise bestätigt. Ganz im Gegenteil, Anfang Februar waren Covid-Infektionen und Todesfälle in China massiv am Fallen (1). Trotzdem bleibt abzuwarten, was für Folgen die abrupte Öffnung Chinas für die Weltwirtschaft und die Lieferketten haben wird.

Was bedeutet der Abbau der Covid-Restriktionen?
Grundsätzlich erhält die Bevölkerung viele Freiheiten zurück. Einwohner, die sich mit Covid infiziert haben, müssen seit Dezember nicht mehr in Quarantäne, sondern dürfen sich zuhause isolieren. Auch das Reisen innerhalb und außerhalb des Landes wurde wesentlich vereinfacht. Allerdings fordern zahlreiche Länder wie Frankreich, Schweden und Südkorea Covid-Tests von chinesischen Reisenden. Darüber hinaus verlangt auch China bei der Rückreise bzw. Einreise einen PCR-Test. Für den Besuch von Veranstaltungsorten und auch Schulen werden im Lande kaum noch Tests gefordert. Aufgrund der aufgehobenen Reisebeschränkungen ist eine starke Zunahme im nationalen und internationalen Flugverkehr zu erwarten. Dadurch wird auch die Nachfrage nach bestimmten Gütern in den jeweiligen Ländern steigen.

Welche Auswirkungen auf die Weltwirtschaft und die Lieferketten sind zu erwarten?
Laut Finanzmarktwelt reagieren die Finanzmärkte zu optimistisch auf Chinas Öffnung (2). Die Produktion im Land der Mitte fiel demnach bereits zum fünften Monat in Folge und die Gesamtaufträge für neue Produkte sanken bereits im sechsten Monat in Folge. Doch fiel die Schrumpfung im Januar geringer aus als im Dezember. Nach wie vor zeigt sich laut Wang Zhe, Senior Economist bei Caixin Insight Group, eine weitere Schrumpfung sowohl bei den Lieferketten als auch bei der Nachfrage aufgrund einer drohenden Rezession in vielen Ländern weltweit im Januar. Trotzdem stabilisierten sich die Lieferketten im Lande, auch wenn sich die Logistik aufgrund des Mangels an Arbeitern noch nicht vollständig erholt hat. Der Optimismus nimmt durch die Erwartung einer Post-Covid-Erholung allerdings beständig zu, auch wenn die Pandemie immer noch Auswirkungen auf die Wirtschaft und Lieferketten zeigt.

Goldman Sachs warnte noch bis vor kurzem vor einem vorübergehenden Arbeitskräftemangel aufgrund von Covid-Infektionen und gestörten Lieferketten in China. Allerdings scheinen die Infektionen und Todesfälle laut ECNS Wire jetzt massiv zu sinken (1). Es bleibt also abzuwarten, ob die Covidfälle wieder steigen werden und damit die Produktion bzw. Lieferketten im Lande beeinträchtigen. Gemäß Goldman Sachs könnten, die bessern Wachstumserwartungen für 2023 negative Beeinträchtigungen bei den Handelsbilanzen für Güter und Dienstleistungen übertreffen (3).

Der Economist unterstützt diese Erwartungen durch eine Wachstumsprognose von 5,2 Prozent für China im Jahr 2023. Gemäß einer Befragung des Ifo-Instituts verzeichneten immer weniger deutsche Firmen Lieferprobleme bei Vorprodukten und Materialien. Im Dezember berichteten nur noch 50,7 Prozent der befragten Unternehmen von Lieferproblemen. Im November waren es noch 59,3 Prozent. In einer Befragung des amerikanischen Fernsehsenders CNBC im Dezember wurden verschiedenste Unternehmen aus dem Einzelhandel und anderen Bereichen befragt, wann sich ihre Lieferketten voraussichtlich wieder normalisieren werden (4). 22 Prozent der Unternehmen antworteten, dass sie sich unsicher sind, 19 Prozent gehen von einer Normalisierung im Jahr 2023, 30 Prozent in 2024 und 29 Prozent nach 2025 oder niemals aus.

Wie wahrscheinlich ist eine weitere Verschärfung der Störung von Lieferketten?
Ob es wirklich zu einer Zunahme von Störungen bei der Produktion und den Lieferketten kommt, hängt natürlich vom Auftreten weiterer Covid-Wellen und eventuell neuer Varianten ab. Allerdings zeigen die aktuellen Infektions- und Todeszahlen im Februar, dass die „Dezemberwelle“ gebrochen zu sein scheint (1). Laut dem Chinese Centre for Disease Control and Prevention erkrankten in den ersten 20 Tagen im Dezember rund 18 Prozent der chinesischen Bevölkerung an Covid (5). Allerdings waren die Verläufe überwiegend sehr leicht. Das Land der Mitte ist in eine neue Phase des „Leben mit Covid“ eingetreten, wie es auch in anderen asiatischen Ländern und Ländern weltweit praktiziert wird.

Die unrealistische „Null-Covid-Politik“ wurde mittlerweile aufgegeben, wodurch weitere größere Lockdowns wie in der Vergangenheit nicht zu erwarten sind. Covid wird uns nach Ansicht der Experten von nun an begleiten und immer wieder für neue sehr wahrscheinlich milde Infektionswellen sorgen, die aufgrund der praktizierten Akzeptanz zu weniger Störungen in den Supply Chains führen wird. Allerdings werden Ausfälle bei erkrankten Arbeitnehmern auch in den nächsten Jahren weiterhin zu Störungen führen. Eine logische Antwort darauf ist die Diversifizierung von Lieferketten und eine Verminderung der Abhängigkeit vom chinesischen Markt. Auch kann der Einsatz von neuen Technologien der Künstlichen Intelligenz wie Predictive Analysis zu einer Vermeidung von „Bottlenecks“ führen (6). (DR)

Quelle: LOGISTIK express Journal 1/2023

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