Elektromobile Logistik kommt ins Rollen

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Über 100 Gäste erlebten ein praxisnahes Forum, das nicht nur Erfahrungen aus erster Hand bot, sondern auch Rüstzeug für den wirtschaftlichen Einsatz von E-Fahrzeugen lieferte. Zum 4. Mal versammelte der SMART CITY LOGISTIK Kongress am 13. und 14. September 2017 Forscher, Fahrzeugentwickler und Praktiker rund um das Thema Elektromobilität in der Stadtlogistik, dieses Mal auf Schloss Ettersburg bei Weimar.

„Das Thema des Kongresses trifft in Zeiten von Dieselskandal und drohenden Fahrverboten einen Nerv“, so Christian Liebich, Vertreter des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, in seinem Grußwort. Smarte Citylogistik ist gefragter denn je, und das Kongressprogramm trug dem mit abwechslungsreichen Fachvorträgen sowie Praxisworkshops am zweiten Tag Rechnung.

Elektrobasierte Distributionslogistik neu gedacht
Am ersten Tag beleuchteten Anwender, Spezialisten und Hersteller ihre Perspektiven auf das anspruchsvolle Thema, das Fuhrparkverantwortliche vor völlig neue Herausforderungen stellt. Auf großes Interesse stieß die Vorstellung des im Mai gestarteten Forschungsprojekts SMART DISTRIBUTION LOGISTIK (SDL). Forschungseinrichtungen und Unternehmen aus Thüringen und Sachsen entwickeln dabei gemeinsam eine zentrale Steuerungsplattform, die den Einsatz von Elektronutzfahrzeugen kontinuierlich entlang der gesamten Lieferkette vom Hersteller bis zum Endverbraucher optimiert.

Harald Hempel, Projektleiter bei Konsortialführer DAKO, brachte es auf den Punkt: „Bei einem reinen Tausch von Benziner gegen E-Fahrzeug kommen die Vorteile der Elektromobilität gar nicht zur Geltung. Die Art des Auslieferns muss völlig neu gedacht werden.“ Hier möchte das Forschungsprojekt wichtige Pionierarbeit leisten, zunächst im Bereich der Medienlogistik.

Als Praxispartner beteiligen sich die Leipziger Volkszeitung (LVZ) und die Sächsische Zeitung am SDL-Projekt, die bereits kleine Elektrofahrzeuge in der Post- und Zeitungszustellung nutzen und den Einsatz weiter ausbauen möchten.

Hersteller mit Mobilitätskonzepten und Logistiker mit Herstellerambitionen
In den Vorträgen und Workshops lieferten die beiden Partner interessante Einblicke in ihre Erfahrungen als Erstanwender, beispielsweise mit dem Paxster. Den vierrädrigen, auf zwei Seiten offenen „Öko-Flitzer“ mit Elektroantrieb hat ein norwegisches Unternehmen für die speziellen Anforderungen der einheimischen Post entwickelt und mittlerweile bis nach Neuseeland und eben auch Deutschland exportiert.

Die Herstellerfirma Paxster AS war nur eines unter den vielen Unternehmen vor Ort, die ihre eigenen Entwicklungen zum Kongress mitgebracht hatten. Vom handlichen Urban E-Bike bis hin zum schweren E-LKW von FRAMO konnten die Besucher ganz verschiedene Nutzfahrzeuge auf dem Schlossvorplatz in Augenschein nehmen und teilweise auch Probe fahren.

Neben ihren Fahrzeugen, dem StreetScooter und einem Lastenpedelec, hatten die Deutsche Post und UPS auch spannende Lösungsansätze für die Citylogistik im Gepäck. UPS skizzierte anhand eines Modellprojekts in Hamburg, wie mit Containerhubs und den von dort ausschwärmenden Cargobikes Zustellung schnell funktionieren kann und gleichzeitig den Innenstadtverkehr entlastet.

Die Deutsche Post entwickelte in Zusammenarbeit mit der RWTH Aachen kurzerhand ihren eigenen E-Transporter, da die passenden Angebote aus der Industrie fehlen. Mittlerweile steigt die Nachfrage auch von externen Kunden und die dritte Modellserie ist in Planung.

Strategien für das Lademanagement stark begehrt
Das große Thema Lademanagement stand beispielsweise bei den Vorträgen zu den Akkuautomaten von GreenPack und zum Forschungsprojekt smobility:com im Mittelpunkt. Mit den Entwicklungen der leichten, von Hand wechselbaren Akkus verfolgt GreenPack unter anderem das ambitionierte Ziel, einen weltweiten Standard für Akkus in Elektroleichtfahrzeugen zu schaffen. So sollen öffentlich zugängliche Akkustationen entstehen, z.B. in Einkaufscentern, wo Nutzer einen leichten und schnellen Tausch des Energiespeichers mit ihren sonstigen Besorgungen verbinden können.

smobility:com unter dem Konsortialführer INNOMAN GmbH widmet sich einem bedarfsorientierten Lademanagement, dass ambulanten Pflegediensten die Integration von Elektrofahrzeugen erleichtert. Dabei werden ebenso Strategien entwickelt, um den Energiebedarf der Fahrzeuge in Echtzeit zu prognostizieren.

Elektromobilität in der Logistik funktioniert nur mit IT-Unterstützung
In einem Punkt waren sich alle einig: Wirtschaftlich können die E-Fahrzeuge nur eingesetzt werden, wenn die Unterstützung durch IT-Systeme und Software gegeben ist. Denn nur mit hohen Laufleistungen und entsprechender Auslastung können die Fahrzeuge trotz der zurzeit noch hohen Anschaffungskosten durch entsprechend niedrige Betriebskosten punkten. Dies wiederum setzt eine umfassende Steuerung und Planung voraus, die mithilfe von Softwaresystemen Big Data nutzbar macht.

Die Friedrich-Schiller-Universität Jena arbeitet etwa an so genannten Agenten-Programmen, die als kleine mobile Einheiten direkt in den entsprechenden Datenbanken Informationen verarbeiten und die Ergebnisse im Ausgangssystem ausgeben. Diese Agenten können beispielsweise für die Suche in Frachtplattformen eingesetzt werden und haben den Vorteil, dass die Daten beim Kunden bleiben und nicht erst zentral gespeichert werden müssen.

Die Agententechnologie soll auch im SMART DISTRIBUTION LOGISTIK-Projekt eingesetzt werden, um die Tourenoptimierung zu unterstützen. Die DAKO GmbH, Ausrichter des SCL-Kongresses, steuert hier ihre Expertise in der Auswertung von Big Data über das Telematiksystem TachoWeb bei, das mit elektromobilitätsspezifischen Parametern auch die Einbindung von E-Fahrzeugen ermöglicht. In den Workshops am zweiten Tag konnten die Kongressteilnehmer tiefer in die Themen einsteigen, etwa auch in die für den Laien recht komplizierte Agententechnologie.

Vernetzung als Antriebsmotor der Energiewende
Einen weiteren Schwerpunkt bildete die Mehrfachnutzung von Fahrzeugen, um diese zeitlich und ladungsseitig auszulasten. Der Ansatz, das im Privaten bereits bekannte Car-Sharing auch im gewerblichen Bereich einzusetzen, rief eine große Resonanz beim Publikum hervor und mündete in so interessanten Vorschlägen wie private Garagen als Micro-Hubs zu vermieten oder den öffentlichen Nahverkehr auf passenden Strecken in die Zeitungszustellung einzubinden.

Die heterogene Zusammensetzung des Kongresspublikums sorgte für ergiebige Diskussionen nach den Vorträgen und in den Workshops, die sich auch in den Pausen und beim abendlichen Kongressdinner fortsetzten. Mit dieser Art des Austausches bietet die einzigartige Logistikveranstaltung das Potenzial, die Branche zu vernetzen und die vielen Start-ups und mittelständischen Anbieter miteinander in Kontakt zu bringen. Daraus bildet sich ein Netzwerk, dass gemeinsam die Energiewende im Transport vorantreiben kann – etwas, bei dem sich die großen Automobilkonzerne bisher sehr zurückgehalten haben, wie auch Bundesministeriumsvertreter Christian Liebich betonte. Mit der Kongressreihe hat die DAKO in Zusammenarbeit mit den Partnern aus dem Vorgängerprojekt des SDL-Projekts ein Format geschaffen, das als interdisziplinäres Elektromobilitätsforum weit über die Grenzen Thüringens hinausstrahlt und die deutschlandweite Vernetzung für einen nachhaltigen Transport fördert.

Quelle/Bildquelle: DAKO GmbH

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