Gender Mainstreaming


Chancen und Perspektiven für die Logistik- und Transportbranche in Österreich und insbesondere in Wien

Das Forschungsprojekt entstand im Auftrag im Auftrag der Magistratsabteilung 57 der Stadt Wien – Frauenförderung und Koordinierung von Frauenangelegenheiten.

Der Begriff „Gender Mainstreaming“ (=GM) wird in allen Bereichen gerne für positive Unternehmenskommunikation verwendet. StudentInnen des 4. Semesters des Fachhochschulstudiengangs „Logistik- und Transportmanagement“ an der Fachhochschule des bfi Wien unter der Projektleitung von Prof. (FH) Mag. Breinbauer und Frau Mag.a Gabriele Bech haben im Rahmen der vorliegenden Untersuchung zum Forschungsprojekt „Gender Mainstreaming“ Chancen und Perspektiven für die Logistik- und Transportbranche in Österreich und insbesondere Wien die Denkhaltung und den Umsetzungsgrad dieses strategischen Ansatzes analysiert.

1. Forschungsfragen

Folgende Kern-Forschungsfragen wurden gestellt:

  • Ist Gender Mainstreaming in der Logistik- und Transportbranche in Österreich und insbesondere in Wien bekannt?
  • Wurde Gender Mainstreaming in der gegenständlichen Branche bereits umgesetzt, und wenn ja, in welchen Bereichen?
  • Welche Gehaltsunterschiede zwischen Frau und Mann gibt es?
  • Wird die partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Frauen und Männern im Beruf gefördert?
  • Wird Gender Mainstreaming als Strategie zur Produktivitätssteigerung in der untersuchten Branche wahrgenommen?


2. Methode

ExpertInneninterviews mit ca. 40 EntscheidungsträgerInnen der Branche, Literaturauswertung, Sekundärstatistiken, Ergebnisse


3. Ergebnisse

57,8% aller interviewten Unternehmen geben an, dass sie den Begriff Gender Mainstreaming kennen. Für 42,2% aller interviewten Unternehmen ist der Begriff nicht zuordenbar. Aus den ergänzten Interviewleitfäden konnte abgelesen werden, dass der Begriff mehrheitlich in den interviewten Mittel- und Großunternehmen bekannt und bereits in Umsetzung ist. Kleinbetriebe haben hier noch einiges aufzuholen. Unter der gebotenen Vorsicht, dass die Vergleichsgruppe der interviewten Unternehmen in den Bundesländern sehr klein ist, ist der Gender Mainstreaming-Ansatz in Wien bekannter als in den Bundesländern.

Interessant ist, dass im Transport- und Logistikbereich, der ja starke Wurzeln im Militärbereich hat, mit Präsenzdienst für Frauen im Zusammenhang mit Gender Mainstreaming nichts angefangen werden kann. 31,6% aller interviewten Unternehmen sehen Präsenzdienst für Frauen nicht im Zusammenhang mit Gender Mainstreaming, 26,3% beantworten diese Frage mit „eher nicht“. Vorsichtig formuliert kann man sagen, dass die diesbezügliche Haltung bei den interviewten Unternehmen in den Bundesländern noch stärker ausgeprägt ist.
39,5% aller interviewten Unternehmen sehen eine verpflichtende Quote von Frauen auf allen Führungsebenen nicht als Maßnahme im Zusammenhang mit Gender Mainstreaming. Wieder mit der gebotenen Vorsicht ist hier die Ablehnung bei den interviewten Unternehmen in Wien stärker als bei den Unternehmen in den Bundesländern.

Positiv wird mehr Wissen über unterschiedliche Fähigkeiten und Anliegen von Frauen und Männern gesehen. 42,1% aller interviewten Unternehmen sagen eindeutig „ja“, 34,2% geben bei dieser Frage ein „eher ja“ an. 71,1% aller interviewten Unternehmen geben ein deutliches Signal für gleiche Mitsprachemöglichkeiten von Frauen und Männern bei Entscheidungen des öffentlichen Lebens. 

Die Gehaltsunterschiede zwischen Frauen und Männern sind deutlich. Die interviewten Unternehmen geben nur 13 Frauen an, die als Vollzeit beschäftigte € 4.000,- verdienen, jedoch werden etwa 300 Männer genannt, die als Vollzeitbeschäftigte in diese Einkommenskategorie zugeordnet werden können. Angenommen kann hier auch werden, dass die Führungsebenen und damit die höheren Gehaltsgruppen primär von Männern eingenommen werden. Interessant ist auch, dass 1 teilzeitbeschäftigter Mann in der Einkommenskategorie > € 4.000,- zu finden ist, jedoch keine einzige Frau! 

Deutlich ablesbar ist weiters, dass Frauen wesentlich öfter Teilzeit-modelle in Anspruch nehmen. Interessant ist auch, dass in den Bundesländern die Anzahl der Männer, die Teilzeit-Modelle in Anspruch nehmen, geringer ist als in Wien.

Überraschend ist die hohe Anzahl von 4,9 Schulungstagen pro Jahr der MitarbeiterInnen in den interviewten Unternehmen, da die Kennzahl Teilnehmertage je produktive/n MitarbeiterIn in Österreich bei 2,75 pro Jahr liegt.  Von den Schulungstagen konsumieren jedoch 64% der Männer und nur 36% der Frauen der interviewten Unternehmen diese Schulungstage. Wenn man einen vorsichtigen Vergleich zwischen den interviewten Unternehmen aus Wien und den Bundesländern anstellt, so sind die durchschnittlichen Schulungstage in den Wiener Unternehmen mit durchschnittlich 5,2 Tage/Jahr höher als in den Bundesländern mit durchschnittlich 3,9 Tage/Jahr.

Die EntscheiderInnen, welche Schulungen besucht werden, sind in der Mehrheit männlich. So geben 39,5% aller interviewten Unternehmen an, dass die diesbezüglich definierte Ansprechperson männlich ist. 36,8% aller Interviewten geben dazu keine Angabe. Dies könnte dahingehend interpretiert werden, dass es  unternehmensintern keine klare Zuordnung dieser Aufgabe gibt. 

63,2% aller interviewten Unternehmen geben an, dass es bei ihnen regelmäßig Personalentwicklungs- und Fördergespräche zwischen MitarbeiterInnen und Vorgesetzten gibt. 31,6% geben an, dass es bei Ihnen solche Gespräche nicht gibt. Am häufigsten wird das MitarbeiterInnengespräch genannt. 

Als wichtigste Instrumente für gezielte Personalentwicklung werden die Potenzialanalyse (34,2%) und das Assessmentcenter (23,7%) genannt. Wiederum vorsichtig formuliert, unterscheiden sich die diesbezüglichen Angaben der interviewten Wiener Unternehmen kaum von denen der Bundesländer.

84,2% der interviewten Unternehmen geben an, dass sie Praktika für SchülerInnen und StudentInnen anbieten. 57,9% sagen jedoch auch, dass diese nicht verstärkt werden sollen. 

18,4% aller interviewten Unternehmen fördern Abteilungswechsel von MitarbeiterInnen. 34,21% geben zusätzlich an, dass sie diesbezügliche Wechsel „eher schon“ fördern. Für MitarbeiterInnen nach schweren Unfällen/Krankheiten bieten 56,25% aller Interviewten einen geeigneten Arbeitsplatz zur Verfügung. 

18,4% aller interviewten Unternehmen bieten ihren MitarbeiterInnen eine freie Arbeitszeiteinteilung. 50% beantworten diese Frage mit „eher ja“.

Die Elternkarenz ist nach wie vor eher Frauensache. 57,9% aller Interviewten geben an, dass Männer in ihren Unternehmen die Elternkarenz nicht in Anspruch nehmen. Nur 5,3% aller interviewten Unternehmen haben beschäftigte Männer, die die Elternkarenz in Anspruch nehmen.
92,1% aller interviewten Unternehmen geben an, dass es keine betriebliche Unterstützung bei der Organisation der Kinderbetreuung gibt.

42,1% der insgesamt Interviewten geben an, dass sie keine positiven betriebswirtschaftlichen Effekte auf Unternehmen durch Work-Life-Balance  erwarten. 

73,7% aller Interviewten geben an, dass ihre MitarbeiterInnen in der Vergangenheit zum Thema Chancengleichheit nicht befragt wurden. 42,1% geben ebenfalls an, dass eine solche Befragung nicht durchgeführt werden sollte.

Zur Frage nach der Integration der Chancengleichheit im Unternehmensleitbild, machen 73,7% keine Angaben. 47,4% geben keine Angaben zur Frage, ob es  verbindlichen Vorgaben für die chancengerechte Gestaltung von Produkten, etc.

36,8% der interviewten Unternehmen geben an, dass in ihrem Unternehmensleitbild der GM-Ansatz integriert ist. 39,5% verneinen diese Frage. Die strukturelle Verankerung der Chancengleichheit ist ebenfalls nur spärlich vorhanden. Nur jeweils ein Arbeitskreis, drei Beauftragte, zwei Integrationen in die Betriebsvereinbarung werden von allen Interviewten genannt.

94,8% aller interviewten Unternehmen geben an, dass sie an keinem EU-Förderprogramm zum Thema Gender Mainstreaming teilnehmen.

Kein einziger der Interviewten gibt an, dass es in seinem Unternehmen eine(n) oder mehrere GM-Beauftragte(n) gibt. Einzig die/der PersonalentwicklerIn wird explizit insgesamt sieben Mal genannt.

31,6% aller Interviewten geben an, dass sie auf geschlechtergerechten Sprachgebrauch in ihren Unternehmen Wert legen.

71,1% aller interviewten Unternehmen geben an, dass ihre Produkte/ Dienstleistungen auf die KundInnenbedürfnisse abgezielt sind. 68,4% sind davon überzeugt, dass Frauen und Männer die gleichen Bedürfnisse ihren Produkten gegenüber haben. Nur 2,6% aller Interviewten führen jedoch eine gesonderte Zielgruppenanalyse durch, diese wird auch nicht als Ziel führend erachtet!

Die meisten Möglichkeiten zur Umsetzung der Chancengleichheit von Frauen und Männern werden im Personalbereich (Personalentwicklung, -einstellung, Aus- und Weiterbildung) gesehen. Strategische Ansätze werden von den interviewten Unternehmen bereits durch Arbeitsanweisungen, leistungsgerechte Entlohnung, weiblichen Führungskräften, etc. gesehen.

Durch flexible Arbeitszeitmodelle, gleiche Arbeitsbedingungen für Frau und Mann, Teamwork, Motivation der MitarbeiterInnen werden Möglichkeiten gesehen, die Arbeitsleistung zu optimieren.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das Thema „GM“ zwar vom Ansatz her bekannt ist, strategische Impulse bereits vorhanden sind, „GM“ aber scheinbar nicht Priorität bei den Unternehmen hat. Dies war auch teilweise beim Zugang zu den Firmen im Vorfeld der Befragung spürbar. Wichtig ist hier, Aufklärungsarbeit hinsichtlich der Produktivitätssteigerungspotenziale zu leisten. Nachstehende Ergebnisse können nun im Zusammenhang mit den Forschungsfragen festgehalten werden

1. Ist Gender Mainstreaming in der Logistik- und Transportbranche in Österreich und insbesondere in Wien bekannt?
Im Ansatz ist Gender Mainstreaming in der Branche bekannt. Die Ergebnisse zeigen jedoch, dass hier grundsätzlich noch Aufklärungsarbeit notwendig ist. Insbesondere sollten die Vorteile für die Unternehmen transparenter gemacht werden, die Gender Mainstreaming bewirken kann. 

2. Wurde Gender Mainstreaming in der gegenständlichen Branche bereits umgesetzt, und wenn ja, in welchen Bereichen?
Die Ergebnisse zeigen, das Gender Mainstreaming nach wie vor primär als Personalentwicklungs-thema wahrgenommen wird. Es ist jedoch bei weitem nicht in allen Unternehmensprozessen integriert.

3. Gibt es Gehaltsunterschiede zwischen Frau und Mann?
Ja. Frauen verdienen in der Logistik- und Transportbranche nach wie vor in allen Ebenen weniger als Männer.

4.  Wird die partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Frauen und Männern im Beruf gefördert?
Es gibt erste Ansätze zur Förderung partnerschaftlicher Zusammenarbeit zwischen Frauen und Männern im Beruf.

5. Wird Gender Mainstreaming als Strategie zur Produktivitätssteigerung in der untersuchten Branche wahrgenommen? 
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass hier das größte Aufholpotenzial besteht. Wie in Punkt 1. angeführt, ist es wichtig, die Unternehmensvorteile stärker zu kommunizieren.



Prof. (FH) Mag. Andreas Breinbauer

Leiter des Studienganges
Logistik und Transportmanagement

Wissenschaftlicher Leiter des MBA Programmes
„Central and South Eastern Europe“ an der Fachhochschule des bfi Wien
A-1020 Wien, Wohlmutstr. 22 
Tel:  0043 1 720 12 86/ 60
Fax: 0043 1 720 12 86/19
E-Mail: andreas.breinbauer@fh-vie.ac.at

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