Maßnahmen gegen Retourenbetrug
Alle Jahre wieder gehen am Anfang des Jahres große Warenmengen zurück an den Einzelhandel. Es ist die Zeit der Retouren, denn unliebsame Geschenke werden zurückgegeben oder umgetauscht. Die Möglichkeiten, die Rückgaben bieten, machen sich zunehmend auch Betrüger zunutze.
Zum Beispiel die „GermanRefundCrew“, die laut Bundeskriminalamt (BKA)1 verdächtigt wird, gewerbs- und bandenmäßig Artikel online gekauft und deren Rücksendungen nur vorgetäuscht zu haben, damit ihnen der Kaufpreis rückerstattet wird. Allein im Zeitraum von Juli bis Oktober 2020 sollen sie auf diese Weise einen Schaden von über einer halben Million Euro angerichtet haben. Ein weiterer Betroffener ist der Online-Händler Amazon, der im Dezember 2023 eine Klage gegen 48 Personen aus verschiedenen Ländern einreichte. Ihnen wird vorgeworfen, als Angehörige der Gruppe „Rekk“ im Auftrag von Kunden systematisch die Rückgabe-Politik von Amazon ausgenutzt und manipuliert zu haben.
Laut Angaben des Technikportals Tarnkappe2 bestellten Käufer beispielsweise ein Apple iPhone und beauftragten REKK mit der Erstattung des Kaufpreises. Durch erfolgreiche Phishing-Angriffe konnten sie die Rücksendung im System als abgeschlossen markieren, obwohl sie die Produkte nie zurückgeschickt hatten. Die Cyber-Kriminellen von REKK erhielten dann einen Prozentsatz des Kaufpreises als Provision. Einem Bericht des „Stern“ zufolge3 ging der Schaden in die Millionen.
Betrüger prellen die Händler mit raffinierten Methoden
Um die Rückgabeprozesse von Händlern auszutricksen, entwickeln Betrüger immer raffiniertere Methoden. Manche lassen sich beispielsweise den Kaufpreis mehrfach zurückerstatten. Dabei verlangen sie zunächst das Geld für einen Artikel, den sie vermeintlich nicht bekommen haben und fordern anschließend eine zweite Erstattung über ihr Kreditkartenunternehmen. Da viele Hersteller das Paket lediglich wiegen und es ohne manuelle Kontrolle weiterleiten, machen Online-Betrüger sich das bei der Paketrückname zunutze. Sie behalten die Originalware ein und schicken stattdessen ein mit Erde oder Sand gefülltes Paket zurück, das exakt dem Gewicht der Originalsendung entspricht. Eine weitere Methode besteht darin, den Artikel durch eine andere, meist gebrauchte Ware zu ersetzen und diese als vermeintliches Original zurückzusenden. Auch mit leeren Paketen oder angeblich verloren gegangenen Paketen arbeiten manche Betrüger. Inzwischen bilden sich auch immer mehr organisierte Gruppen, die über Kanäle wie Telegram oder Tiktok andere Nutzer bei der betrügerischen Navigation durch den Retourenprozess bestimmter Händler anleiten.
Maßnahmen können nach hinten losgehen
Retourenbetrug aufzudecken und zu verhindern, ist für den Einzelhandel mittlerweile ein zen-
trales Thema. Dafür ergreifen sie verschiedene Maßnahmen:
- Kostenpflichtige Retouren: Rücksendegebühren werden in letzter Zeit immer häufiger erhoben. Sie können dazu beitragen, verlorene Kosten wieder hereinzuholen und Betrüger abzuschrecken.
- Rückgabemenge begrenzen: Eine begrenzte Anzahl an erlaubten Rücksendungen verhindert, dass Serienrücksendungen missbraucht werden.
- Manuelle Prüfung: Händler sollten jede einzelne Rücksendung manuell überprüfen, um sicher zu sein, dass die richtigen Artikel erstattet werden. Allerdings haben diese Maßnahmen auch eine Kehrseite: Kostenpflichtige Retouren und begrenzte Rückgaben treffen auch unbescholtene und ausgabefreudige Kunden. Freundliche Rückgaberichtlinien sind für Neukunden ein bedeutender Faktor, um einen ersten Einkauf in einem Onlineshop zu tätigen. Eine fallspezifische Anpassung der Rückgabepolitik erfordert vorab eine manuelle Überprüfung aller Rückgaben und ist damit äußerst personal- und kostenintensiv.
KI-gestützte Lösungen legen Betrügern das Handwerk
Onlinehändler müssen einen Weg finden, ihre Rückgaberichtlinien kundenfreundlich und damit wettbewerbsfähig zu halten, aber gleichzeitig wirksam und kosteneffizient gegen Betrugsversuche vorgehen. Automatisierte End-to-End-Retourenlösungen mit KI-Unterstützung können ihnen helfen, dies umzusetzen. Sie nutzen Daten und künstliche Intelligenz (KI), um das Kundenverhalten zu analysieren und betrügerische Aktivitäten zu erkennen. Datenanalyse- und maschinelles Lernen-Algorithmen durchsuchen dabei riesige Mengen an Transaktionsdaten, um Unregelmäßigkeiten zu erkennen, wie zum Beispiel häufige Rücksendungen eines einzelnen Kunden oder große Rücksendungsmengen bestimmter Artikel. Händler können so ihre Prüfprozesse auf ein Minimum reduzieren und bei Bedarf für „verdächtige“ Fälle angepasste Rückgaberichtlinien festlegen.
- Einsatz von fallspezifischen Informationen
Mit Hilfe von KI ist es möglich, anhand von Kundenhistorie, Rückgabehäufigkeit und Zahlungsinformationen Muster und Anomalien zu identifizieren, die auf betrügerisches Verhalten hinweisen. Intelligente Retourenlösungen sichern auf diese Weise nicht nur ihre Abläufe ab, sondern können beim Erkennen von verdächtigem Verhalten auch Gegenmaßnahmen einleiten. - Transparenter Rücksendeprozess
Was wird von wem und warum zurückgesendet? Eine End-to-End-Retourenlösung, in die alle Systeme von der E-Commerce-Plattform über die Lagerverwaltung bis zum CRM und dem Zahlungsportal nahtlos integriert sind, vermittelt Online-Händlern eine ganzheitliche, transparente Sicht auf den gesamten Retourenprozess. Dies hilft, manuelle Prüfprozesse auf ein Minimum zu reduzieren und zu beschleunigen. - Überprüfung von Lagerpaketen
Wenn die Pakete im Lager ankommen, verfügen die Mitarbeiter über hilfreiche Vorab-Informationen und wissen, welche Überprüfungsverfahren im vorliegenden Fall unmittelbar erforderlich sind. Pakete, bei denen Artikel fehlen oder durch Artikel mit ähnlichem Gewicht ersetzt wurden, werden sofort gekennzeichnet. Auch eine automatisierte Bildüberprüfung kann hier zum Einsatz kommen, da der Vergleich von Bildern zurückgesandter Artikel mit Originalproduktbildern dazu beitragen kann, Unstimmigkeiten zu erkennen und die Rücksendung gebrauchter oder gefälschter Waren zu verhindern.
Betrügerische Rückgaben mit neuen Technologien kosteneffizient erkennen
Auf Basis von umfassenden End-to-End-Retourenlösungen können Onlinehändler Betrugsversuche wirkungsvoll bekämpfen. Technologien und Ansätze wie Datenanalysen, maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz (KI) unterstützen Unternehmen entscheidend dabei, betrügerische Retouren kosteneffizient zu erkennen und zu verhindern. Gleichzeitig verhindern End-to-End-Retourenlösungen hohe Kosten und strenge Rückgaberegularien und stellen ein positives Kundenerlebnis sicher. (RED)
Quelle: LOGISTIK express Journal Handel & Distanzhandel LE-1/2025