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Alles Walzer!

Die Ballsaison ist in vollem Gange, und nicht nur auf dem Tanzparkett dreht sich alles. Bei den Personalrochaden seit Angelobung der neuen Bundesregierung könnte einem durchaus auch schwindelig werden. Die aktuelle Berg- und Talfahrt der Börsen sorgt an manchen Stellen ebenfalls für Übelkeit. Wie „schön“, dass sich wenigstens Steuer- und Abgabenquoten immer nur in eine Richtung ändern.

Die neue Regierung hat ihre Arbeit aufgenommen. Ob man nun schwarz sieht, oder gerade sein blaues Wunder erlebt – Schwarz-Blau ist allen Protesten zum Trotz in Amt und Würden. Davon kann man halten, was man will, aber eine demokratisch legitimierte Regierung ist zu akzeptieren. Nach jahrzehntelanger Vorherrschaft der SPÖ ist es spannend zu beobachten, wie plötzlich hier und dort mächtige Positionen neu besetzt werden. Natürlich ist es purer Zufall, dass beim Staatsunternehmen ÖBB die bisherige Aufsichtsratschefin Brigitte Ederer (SPÖ) durch einen Vertrauten des FPÖ-Infrastrukturministers Norbert Hofer, HETA-Vorstand Arnold Schiefer, ersetzt wird. Dass in weiterer Folge dann deklarierte SPÖ-Mitglieder des Kontrollgremiums, wie Ex-Nationalbankerin Gertrude Tumpel-Gugerell, ebenfalls neue Jobs suchen werden müssen, hat bestimmt auch nichts mit deren politischer Gesinnung zu tun. Für die Bestellung dieser Positionen ist nämlich ausschließlich die herausragende Qualifikation und Ausbildung der betreffenden Personen ausschlaggebend – wetten?

Der Unmut über dieses „zufällige“ Umfärben ist in den Reihen der ehemals erfolgsverwöhnten Neu-Oppositionspartei groß. Allerdings ist jegliches Jammern reine Heuchelei – denn die Postenbesetzung folgt einer jahrzehntelangen Tradition. Immer schon wurden wichtige Ämter und Jobs mit ideologisch nahestehenden Menschen besetzt, um die eigene Machtposition zu festigen. Oder können Sie sich an ein Beispiel erinnern, wo die SPÖ-Regierung ein FPÖ-Mitglied freiwillig mit einem Aufsichtsratsposten bedacht hat? Wir stehen noch ganz am Anfang, es bleiben zumindest knapp 4 Jahre, um neue Beschäftigungen für Freunde zu finden (außer es gibt mal wieder Neuwahlen, weil es irgendjemandem reicht). Die Society-Seiten der Boulevardmagazine dürfen sich auf neue Gesichter freuen, ich rechne in absehbarer Zeit mit Neubesetzungen bei der Österreichischen Bundes-und Industriebeteiligungen GmbH (ÖBIB), der OMV, der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG), den Casinos Austria, der Telekom Austria und der Österreichischen Post – wenn nicht gleich bei allen Unternehmen, an denen die Republik Österreich beteiligt ist. Es wird eine ganze Weile dauern, bis die Rochaden abgeschlossen sind. Bleibt nur zu hoffen, dass sich der Schaden durch solche Versorgungsposten in Grenzen hält.

Achterbahn der Börsenkurse
Anfang Februar 2018 kam es an den Börsen – allen voran der US-Börse – nach ungewöhnlich langem, anhaltenden Anstieg zu einem Kursverfall. In dem reinigenden Gewitter wurden einige Anleger sprichwörtlich vom Blitz getroffen, und so manch nervöser Aktienbesitzer wurde kurzerhand weggespült. Schwankungen von mehr als 1000 Punkten beim Dow Jones hatten zweifellos auch unmittelbare Auswirkungen auf den Blutdruck der Händler. Trotz allem stand am Ende des Tages ein deutlicher Gewinn auf der Tafel. Vergleicht man mit den Vorjahreszahlen, liegen die Aktienkurse insgesamt auch nach den eklatanten Verlusten deutlich über jenen von Februar 2017, sie sind sogar deutlich höher als die Kurse vor drei Monaten. Ein Beweis dafür, dass Investitionen in Aktien eine langfristige Angelegenheit sind – Panikverkäufe haben sich noch nie ausgezahlt. Trotzdem witzig, wenn man bedenkt, dass ein aktueller Präsident den Erfolg seiner Politik an den Aktienkurs geknüpft hat. Zumindest sieht er positive Entwicklungen direkt von seinen Entscheidungen beeinflusst. Ob er sich Kursverluste ebenfalls an die Fahnen heftet, ist bislang allerdings nicht überliefert. Bei näherem Betrachten offenbart sich dann auch die Tragweite dieser Einstellung: alles andere wird dem wirtschaftlichen Erfolg untergeordnet. Gut zehn Jahre ist es her, dass die Wirtschaftskammer Österreich (WKO) mit dem Slogan „Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut“ für kontroverse Aufmerksamkeit sorgte. Die Quintessenz ist einfach erklärt: wenn man (politisch) dafür sorgt, dass es den Unternehmen gut geht, lösen sich Probleme wie Arbeitslosigkeit in Luft auf.

Nun, den Unternehmen geht es aktuell so gut wie schon lange nicht mehr, Auftragsbücher sind voll. Auch die Arbeitslosenzahlen gehen in den meisten Bereichen zurück. Trotzdem war die Gefahr, in die Armutsfalle zu rutschen, noch nie so hoch. Laut Statistik Austria sind in Österreich 1,542000 Millionen Menschen armutsgefährdet. Kommt die von der Regierung geplante ersatzlose Streichung der Notstandshilfe – Hartz IV auf Österreichisch – würde das bis zu 160000 Menschen in die Armut treiben. Am anderen Ende der Skala finden sich dann Menschen wie der Daimler-Chef Dieter Zetsche, der sich darüber beschwert, dass er wegen einer Gehaltsdeckelung weniger als zehn Millionen Euro jährlich verdient. Oder die Chefs von ATX-Unternehmen wie Wolfgang Leitner (Andritz), Wolfgang Eder (Voest) und Andreas Treichl (Erste Bank), die an lediglich drei Arbeitstagen so viel verdienen wie ein durchschnittlicher Vollzeitbeschäftigter im ganzen Jahr… ein Schlag ins Gesicht für jeden, der brav arbeiten geht und trotzdem jeden Cent drei Mal umdrehen muss. Wie war das noch gleich mit sozialer Gerechtigkeit?

Steuern für Arme und Dumme
Klingt hart, ist aber so. Österreich hat – wie weithin bekannt – in nahezu allen Bereichen die höchsten Steuersätze. Zahlen aus dem Finanzministerium belegen, dass die Brutto-Steuereinnahmen des Bundes seit 2006 um satte 40 Prozent gestiegen sind – auf 84,8 Mrd. Euro im Jahr 2017. Aufgedröselt nach Teilbereichen ist die Einkommenssteuer trotz sämtlicher „Reformpakete“ um 57 Prozent gestiegen, die Körperschaftssteuer sogar um 64 Prozent. Spitzenreiter: die motorbezogene Versicherungssteuer, die um unglaubliche 74 Prozent anstieg. Wie tröstlich, dass die Steuern alle gleich treffen… nicht wahr? Falsch. Österreich ist nämlich ein Steuerparadies – für jene, die sich die gewieftesten Steuerberater leisten können. Wie sonst lässt es sich erklären, dass die österreichische Tochterfirma des großen Schweizer Pharmakonzerns Novartis im Jahr 2016 sage und schreibe 34 000 Euro Steuern bezahlt hat? Die US-Kaffeehauskette Starbucks löhnte im selben Jahr immerhin 40000 Euro. Die kleine Trafik am Eck bezahlt vermutlich mehr… Aber wenn die Trafik zusperren muss, ist das dem Finanzministerium wohl relativ egal. Wenn aber ein Großkonzern droht, seinen Firmensitz zu verlegen, wird plötzlich nicht mehr so genau hingeschaut (es gilt natürlich die Unschuldsvermutung).

Steuern zahlen also nur jene, die sich eine Vermeidungsstrategie nicht leisten können, oder nicht wissen, wie es geht. Ein Weg für mehr Gerechtigkeit führt über Transparenz. Dass der neue ÖVP-Finanzminister Hartwig Löger sich nun allerdings gegen das sogenannte öffentliche Country-by-Country-Reporting ausspricht, über das im EU-Parlament und zwischen den EU-Finanzministern verhandelt wird, ist blanker Hohn. Denn genau das soll eigentlich durch eine Verpflichtung zur Veröffentlichung der Umsatz- und Gewinndaten im jeweiligen Land zu mehr Transparenz und damit weniger Steuertricks führen. Ein Schelm, der Böses dabei denkt. (AG)

Quelle: LOGISTIK express Fachzeitschrift, Ausgabe 1/2018

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