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Auf neuem Kurs: Japan nach der Stunde Null

Ein Jahr nach der „Dreifachkatastrophe“ sind die Häfen und die logistischen Versorgungsketten wieder intakt. Die wirtschaftlichen Auswirkungen auf das Land und auf die Reedereien waren beträchtlich. Das Bruttoinlandsprodukt Nippons sank auf nur 0,5 Prozent in 2011. Der gesamte entstandene Schaden wird heute auf 90 Milliarden Euro beziffert. Aufgrund der weltwirtschaftlichen Lage macht sich die Regierung im Land der Morgenröte nun große Sorgen und sucht Schutz durch einen Währungspakt mit China.  Redaktion: Dirk Ruppik

Gerade jährte sich die Natur- und Atomkatastrophe von Japan. Es war der 11. März 2012 als der Norden des Landes von einem gewaltigen Tsunami (durchschnittlich 10 m, doch lokal bis 38 m Höhe) überrollt wurde. Das auslösende Erdbeben gilt als das stärkste Beben in der Geschichte Japans. Durch die folgende Atomkatastrophe, insbesondere in Fukushima-Daiichi, erlangte das Desaster weit über die Grenzen Japans Bedeutung. Neben der großen Zerstörung im Norden des Landes mit insgesamt fast 16 000 zu beklagenden Toten, der radioaktiven Belastung des Wassers, u.a. auch im Großraum Tokio, wurden die Logistikketten des Landes ebenfalls zerrissen. Der Flughafen Sendai und einige Häfen wurden zum Teil stark zerstört. 3 572 Straßen und 77 Brücken wurden beschädigt und viele Eisenbahnverbindungen unterbrochen. Einige Fertigungsstellen von japanischen Autobauern und Zulieferbetrieben wurden beschädigt. Das Land sollte durch die Folgen auch wirtschaftlich stark in Mitleidenschaft gezogen werden. Verschlimmernd wirkten für die Automobil- und Elektronikindustrie ebenso die schweren Überschwemmungen im Abnehmerland Thailand Ende des letzten Jahres. Ein Jahr ist vergangen und es stellt sich natürlich die Frage, wie sich die Situation im Land der Morgenröte entwickelt hat.
 
Wirtschaftliche Folgen, neue Bedrohungen und Auswege
Durch die Dreifachkatastrophe sank das Bruttoinlandsprodukt von 2,4 in 2010 auf 0,5 Prozent in 2011. Der gesamte wirtschaftliche Schaden inklusive der Auswirkungen des Produktionsstillstands wird derzeit auf rund zehn Billionen Yen (rund 90 Milliarden Euro) beziffert. Trotzdem hat sich Japan relativ schnell erholt. Die Logistikketten in den bedeutenden Kfz- und Elektronikindustrien sind wieder geschlossen. Allerdings wurden Wiederaufbaumaßnahmen bisher nur relativ schleppend angegangen. Es wird aber erwartet, dass der Wiederaufbau Nordostjapans die heimischen Industrie in 2012 beflügeln wird. Allerdings macht sich die Regierung laut Germany Trade & Invest (Gtai) große Sorgen um die Weltwirtschaft. Die Eurokrise, die großen wirtschaftlichen Probleme der USA sowie die konjunkturelle Verlangsamung in China werden ängstlich beäugt. Zudem ist der Yen sehr hoch bewertet. Speziell um sich aus dem Diktat des Dollars und der USA zu befreien, hat China mit Japan laut der „Welt“ (Finanzteil 28.12.2011) einen Pakt geschlossen. Im Handel zwischen der zweit- und drittgrößten Volkswirtschaft soll zunehmend auf den chinesischen Yuan zurückgegriffen werden. „Das Land der Mitte wird Japan auch ermöglichen einen Teil der Devisenreserven in Yuan anzulegen. Beide Länder sind die größten Gläubiger der Welt. China hat inzwischen 3,2 Billionen Dollar (2,4 Billionen Euro) auf der hohen Kante, Japan eine Billion (760 Millionen Euro). Das meiste Geld ist jeweils im amerikanischen Markt investiert.“ Da die Notenpressen in den USA nur so rattern, um die eigene Wirtschaft wieder anzukurbeln, fürchten die Gläubiger um ihre Anlagen. „Die Vereinbarung ist daher nicht nur ein Zeichen der zunehmenden Öffnung des Finanzmarktes. Sie ist vor allem auch ein Angriff auf die Vormachtstellung des Dollars.“
 
Lage in der Schifffahrt und bei der Hafeninfrastruktur
„Angesichts der ungeheuren Schwere der Natur- und Atomkatastrophe kann man aus heutiger Sicht sagen, dass die Auswirkungen auf die Logistikketten durch das professionelle Krisenmanagement vieler internationaler Konzerne – bei Spediteuren und Verladern – vergleichsweise gering und von kurzer Dauer waren. Vor allem hat sich die Angst vor kontaminierten Containern oder Schiffen in den Ziel- und Transithäfen als völlig unbegründet herausgestellt“, fasst Joachim Hinne, Managing Director Hapag-Lloyd Japan, die Situation aus heutiger Sicht zusammen. Die Hafenanlagen im Norden wurden durch das Erdbeben und den Tsunami zum Teil stark zerstört. Die Terminals in Tokio konnten aber recht schnell wieder in Betrieb gehen, während andere weiter im Norden monatelang ausfielen. Der Hafen Sendai wurde im SCX-Dienst von der Reederei im Januar 2012 wieder aufgenommen. 
 
Die japanische Reederei Mitsui Osk Lines (MOL) verzeichnet den größten Verlust in der Unternehmensgeschichte mit 27 Milliarden japanischen Yen (rund 250 Millionen Euro) im Fiskaljahr 2011. In einer Rede zum 128. Geburtstag des Unternehmens sagte der Präsident des Unternehmens Koichi Muto, dass MOL trotz stabiler Gewinne und Kosteneinsparungen in die roten Zahlen gerutscht ist. Die genannten Faktoren sowie hohe Treibstoffpreise haben das Leistungsvermögen des Unternehmens beeinträchtigt. Muto fügte an, dass die Situation durch niedrige Tarife und einen Überhang an Schiffen in fast jeder Sparte verschlimmert wurde. Für 2013 erwartet er eine Verbesserung des Gleichgewichts zwischen Angebot und Nachfrage für die globale Flotte. Um den unbeständigen Markt zu meistern, hat MOL einen neuen mittelfristigen Managementplan mit der Bezeichnung „Gear up! MOL“ erstellt. Er umfasst ein neues Ertragsmodell, das widerstandsfähig gegenüber fallenden Tarifen sein soll. Zudem sollen Bündnisse im Containerversendungsbereich und Poolingvereinbarungen im Tankerbereich ausgeweitet werden. Die Reederei wird auf das LNG-Tanker- und das energiebezogene marine Geschäft fokussiert. 
 
Auch NYK änderte ihren Managementplan im April 2011 und steuert nun mit “More Than Shipping 2013: Grow with Asia, Expand across the Globe” in Richtung einer weiteren Diversifizierung. Die Reederei will komplexe wertschöpfende Logistikservices anbieten und insbesondere in Asien wachsen. „Wir können das Risiko einer schwächeren Nachfrage durch den Westen nicht verleugnen. Asien hängt stark von Exporten ab. Allerdings wird die wachsende Nachfrage in Asien der Schlüssel für starkes Wachstum in der Region sein und damit das Abflauen der Nachfrage durch den Westen ausgleichen. Asien ist nicht mehr nur eine Exportregion und ist dabei, einen größeren Konsumentenmarkt als jene in den USA oder in Europa aufzubauen. Z.B. lag die Anzahl der verkauften Autos in China bei fast 19 Millionen in 2011. 
 
„Das Wirtschaftswachstum in Asien, Heimat für die halbe Weltbevölkerung, ist eine großartige Möglichkeit für uns als ansässiges Unternehmen“, sagte Präsident Yasumi Kudo. Er fügte an: „More Than Shipping 2013 soll unser Wachstum unter den gegebenen globalen Bedingungen maximieren. Doch selbst wenn wir uns bemühen, wieder zurück zur Profitabilität zu kommen, können wir durch die bestehende Kluft beim Angebot und der Nachfrage kaum die selbe hohe Geschwindigkeit bei der Erholung erwarten wie im Finanzjahr 2010.“ NYK verzeichnete einen Verlust von 150 Millionen US-Dollar (rund 114 Millionen Euro) im ersten Halbjahr 2011. Alle japanischen Reedereien mussten Services in 2011 einstellen.  
 
Hapag-Lloyd will die schwierigen Zeiten im Containerschifffahrtsbereich durch den Beitritt zur neu gegründeten G6-Allianz überstehen. Im Rahmen des Zusammenschlusses werden sechs Reedereien gemeinsame Dienste zwischen Asien und Europa betreiben. Die Allianz wird nach Marktanteilen zu den größten Anbietern im Markt gehören. „Unsere Kunden profitieren von einem deutlich besseren Angebot, was Abfahrtfrequenzen und Hafenabdeckung angeht“, erklärt das Unternehmen. Zugleich können die sechs Reedereien ihre Ressourcen viel effizienter einsetzen und zum Beispiel große Neubauten (13 000 und 14 000 TEU-Schiffe, die in den kommenden 30 Monaten abgeliefert werden) viel besser und reibungsloser in Betrieb nehmen. Insgesamt sind neun neue Dienste ab April 2012 geplant (sieben nach Nordeuropa und zwei ins Mittelmeer/Schwarze Meer). Unter den neun Diensten wird ein Japan-Service (Loop 1) sein.
 
Fazit
Japans Industrie hat die Dreifachkatastrophe sowie das Hochwasser in Thailand relativ gut überstanden. Die Häfen und die logistischen Versorgungsketten sind wieder intakt, doch werden die Aufräum- und Aufbaumaßnahmen im Lande noch lange andauern. Unglücklicherweise sieht sich das geschwächte Land neuen Problemen durch die weltwirtschaftliche Lage und den starken Yen gegenüber. Laut dem amerikanischen Medienunternehmen npr haben Architekten, Volkswirtschaftler und Bürokraten seit dem Erdbeben einige futuristische Pläne für die Nordostküste wie z. B. die Besiedlung mit Hightech-Industrien, den Aufbau eines alternativen Energiesystems und erhöhte tsunamisichere Küstenstädte auf den Plan gebracht. Doch nach Einschätzung eines Professors der Iwate Prefectural University in der betroffenen nordöstlichen Region Tohoku sind diese Ideen alle untauglich und die Bewohner sollten seiner Ansicht nach bei der subventionierten Fischerei und Landwirtschaft bleiben. „Die Einwohner Tokios müssen Ihre Haltung gegenüber dem Nordosten ändern, damit diese bessere Geschäftsabschlüsse und Würdigung ihres Beitrags zur Nation erhalten.“  (DR) 
 
Unter http://www.abc.net.au/news/specials/japan-quake-2011/ können Vorher-Nachher-Bilder der nordöstlichen Küstenregion eingesehen werden.

Quelle: Logistik express Print- und E-Paper Ausgabe 2-2012 

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