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China: Suche nach Know-how und Sicherung der Marktposition

Unternehmen aus dem Land der Mitte besitzen weitreichende Gründe sich im europäischen Markt zu engagieren. Besonders in Zeiten der Finanzkrise sind chinesische Unternehmen auf Schnäppchenjagd. Leider profitieren europäische Unternehmen, Kommunen und Länder nicht immer davon.
Autor: Dirk Ruppik

screenshot-2016-11-21-12-53-51Die chinesischen Direktinvestitionen in Europa steigen seit Jahren beständig – insbesondere in Deutschland. Laut Studie „China investiert“ der Munich Innovation Group und der Technischen Universität München gehören zu den Hauptmotiven der chinesischen Konkurrenten der Zugang zu technologischem Know-how sowie die Sicherung der eigenen Marktposition, sowohl auf dem chinesischen als auch deutschen und europäischen Markt. Zudem spielt die Erweiterung des eigenen Produktportfolios und die Sicherung von strategischen Brückenköpfen in Europa eine Rolle. Vor allem während der internationalen Wirtschafts- und Finanzkrise nutzten unzählige chinesische Unternehmen die wirtschaftlich schwierige Lage vieler mittelständischer Technologie- und Marktführer in Deutschland und kauften günstig Unternehmensbeteiligungen. Zu den für die Chinesen begehrten Branchen gehören u.a. der Maschinenbau, Automobil, Elektronik, Erneuerbare Energien sowie die Logistik.

Chinas neue Positionierung als Investor
In der Studie „Chinesische Direktinvestitionen in Deutschland und Europa – Eine neue Ära chinesischen Kapitals (Juni 2015)“ des Mercator Institute for China Studies (MERICS) und der Rhodium Group schreiben die Autoren Thilo Hanemann und Mikko Huotari, dass laut „Plausibler Prognosen sich Chinas globale Vermögenswerte bis 2020 von derzeit 6,4 Billionen US-Dollar (5,7 Billionen Euro) auf fast 20 Billionen US-Dollar (17,7 Billionen Euro) verdreifachen werden. Chinas neue Positionierung in der Welt als Investor erfordert von politischen Entscheidern weltweit, dass sie die wirtschaftlichen Beziehungen zu China neu denken müssen …

Die neue Ära chinesischen Kapitals hat begonnen. Und die erste Welle trifft Europa bereits mit voller Wucht. Ausländische Direktinvestitionen chinesischer Firmen („Outward Foreign Direct Investment“, OFDI) übersteigen mittlerweile 100 Milliarden US-Dollar (88,3 Milliarden Euro) pro Jahr und verlagern sich zunehmend von Investitionen in ressourcenreiche Entwicklungsländer hin zu Technologie, Marken, Immobilien und anderen Vermögenswerten in Industrieländern“. Die Autoren schreiben weiter: „Im Zeitraum 2000 bis 2014 verzeichnen wir mehr als 1.000 chinesische Neugründungen („Greenfield Investment“), Fusionen und Übernahmen („Mergers and Acquisitions“, „M&A“) in den Mitgliedstaaten der EU im Wert von mehr als 46 Milliarden Euro … Unter den Empfängern chinesischer Direktinvestitionen in Europa steht Deutschland an zweiter Stelle nach Großbritannien: Zwischen 2000 und 2014 wurden insgesamt 6,9 Milliarden Euro investiert. Seit 2011 sind die jährlichen Investitionen kräftig gestiegen und liegen seitdem relativ stabil bei ein bis zwei Milliarden Euro pro Jahr.

Die größten chinesischen Übernahmen in Deutschland waren Lenovos Investition in Medion (530 Millionen Euro, 2011), AVICs Übernahme von Hilite International (473 Millionen Euro, 2014) sowie die Investition von Weichai Power in die Kion Group (467 Millionen Euro, 2012). Innerhalb Deutschlands ziehen Hessen und Bayern die meisten Investoren an. In Hamburg wiederum, dem wichtigen Zentrum für Schifffahrt und Transportlogistik, tummeln sich Filialen chinesischer Handelsunternehmen und großer multinationaler Staatsunternehmen wie Cosco oder ICBC.

Putzmeister und Sany teilen sich Markt
Ein bekanntes Beispiel für eine gelungene Übernahme ist die Akquisition des deutschen Maschinenbaukonzerns Putzmeister durch die chinesische Sany Heavy Industry. Der deutsche Betonhersteller konnte dadurch Synergieeffekte nutzen. Beide Unternehmen teilten sich nun den Weltmarkt auf und die chinesische Seite mischt sich gemäß Putzmeister kaum in das operative Geschäft ein. Weiterhin verspricht Sany die Erhaltung der Arbeitsplätze bis 2020. Seit der Übernahme ist zudem der Umsatz des deutschen Herstellers um knapp ein Drittel gestiegen.

Know-how gegen Marktzugang: Kuka und Midea
Die Übernahme des deutschen Industrierobotorherstellers Kuka aus Augsburg durch den chinesischen Haushaltsgerätehersteller Midea aus Guangdong ist beschlossene Sache. Es müssen lediglich noch die EU, Russland, Brasilien und Mexiko zustimmen. Da keine Bedenken bestehen, wird die EU die Akquisition im vereinfachten Verfahren überprüfen. Zu Kuka gehört auch der schweizer Logistiker Swisslog. Laut dem Handelsblatt hat der chinesische Konzern bereits 94,5 Prozent der Aktienanteile Übernommen, nachdem Kuka seinen Aktionären eine Verkaufsempfehlung ausgesprochen hat. Midea will die Übernahme bis März 2017 abschließen. Die Chinesen haben zugesichert, alle 12.600 Arbeitsplätze bis zum Jahr 2023 zu erhalten. Der Verkauf von Kuka schürt Ängste der Abwanderung von deutschem Know-how in das Land der Mitte, insbesondere da die Regierung die westlichen Länder in ausgewählten Schlüsseltechnologien überflügeln will.

Allerdings fand sich auch kein deutscher Investor für den Augsburger Roboterhersteller. Nicht nur Midea verspricht sich Vorteile durch die Akquisition, auch Kuka erhofft sich durch die Chinesen einen besseren Marktzugang im Reich der Mitte. Zudem will das Augsburger Unternehmen keinen Gewinnabführungsvertrag abschließen und weiterhin unabhängig an der Börse notiert bleiben. Die Chinesen suchen eine Vertretung im Aufsichtsrat, während das bisherige Kuka-Management bestehen bleiben soll.

Hong Kong: weitreichende Zukäufe von Hutchison Whampoa
Der Hong Konger Mischkonzern Hutchison Whampoa, dessen Geschäfte sich über die Branchen Häfen, Hotels, Infrastruktur, Telekommunikation, den Energiesektor sowie den Einzelhandel erstrecken, besitzt weitreichende Beteiligungen an Unternehmen in Europa bzw. eigene Firmensitze. Die Hutchison Port Holdings (HPH) besitzt und betreibt Häfen in 25 Ländern. Sie ist der weltweit zweitgrößte Hafenbetreiber nach der Singapurer PSA International und vor APM Terminals (Maersk). Hutchison besitzt Terminals in Belgien, Polen, Spanien, Schweden, den Niederlanden, Großbritannien und in Deutschland. HPH hält 98 Prozent am Containerterminalbetreiber Europe Container Terminals (ECT), der auch das DeCeTe Terminal in Duisburg betreibt.

Aber auch in anderen Branchen greift das Hong Konger Unternehmen nach Beteiligungen in Deutschland. Asiens größte Drogeriemarktkette A.S. Watsons, die ebenso zur Hutchison Gruppe gehört, hat schon in 2004 40 Prozent der deutschen Drogeriemarktkette Rossmann gekauft. Besonders auch im Telekommunikationsbereich kaufen sich die Hong Konger aggressiv in europäi-schen Unternehmen ein. Der Hutchison Manager Canning Fok Kin-ning sagte zu Finanzen.net: „Wir werden diesen Markt konsolidieren.“ Allerdings haben die EU-Wettbewerbshüter die milliardenschwere Übernahme des Großbritannien-Geschäfts von Telefónica (O2) durch Hutchison gemäß Spiegel im Mai 2016 untersagt. Die geplante Fusion von Hutchison H3G mit der italienischen Hutchison Wind Telecomunicazioni befindet sich noch bei den Wettbewerbshütern in der Prüfung.

Tor zu Europa: China Coscos Akquisition des Hafen Piräus
Am 10. August 2016 schloss Cosco laut der griechischen Tageszeitung Ekathimerini die Akquisition von 51 Prozent der Piraeus Port Authority (OLP) für 280,5 Millionen Euro ab. Weitere 16 Prozent (88 Millionen Euro) sollen künftig folgen. Zusätzliche ist geplant 300 Millionen Euro in die Entwicklung und Verbesserung der Hafenanlagen zu investieren. Der Hafen Piräus soll zwischen 2016 und 2025 das Bruttoinlandsprodukt Griechenlands um 0,8 Prozent steigern sowie 31.000 neue Arbeitsplätze kreieren. Die Hafenverwaltung hatte schon in 2008 einen Lizenzvertrag über 35 Jahre für die Containerterminals (Pier II und III) mit Cosco Pacific Ltd. unterzeichnet. Danach muss das Terminal zurückgegeben werden.

Der damalige griechiche Premierminister
Antonis Samaras sagte „Griechenland wird das Tor für den Handel zwischen China und Europa werden. Die erste Kooperation mit dem Land der Mitte wurde von Piräus aus gestartet. Wir laden China zu weiteren erfolgreichen Investitionen in anderen Sektoren wie den Transportbereich, Eisenbahn, Häfen und Werften ein.“ Der ehemalige Cosco-Gruppenchef Wei Jiafu bekräftigte: „Wir wollen Piräus zum Spitzenhafen im Mittelmeer und Europa entwickeln.” Der Verkauf stand u.a. in der Kritik, da die Position der örtlichen Gewerkschaften unterwandert wurde. Immer wieder gab und gibt es Streiks der Hafenarbeiter.

Bangen um den Erfolg: Flughafen Parchim
Das chinesische Unternehmen Link Global Logistics kaufte 2007 den Flughafen Parchim International bei Schwerin. Der chinesische Eigentümer und Millionär Jonathan Pang hat große Pläne und will den Flughafen als internationales Luftkreuz mit Industriepark zwischen China, Europa und Afrika ausbauen. Allerdings bewegt sich momentan noch nicht viel, auch wenn Pang gerade weitere sieben Millionen Euro in ein neues Passagierterminal investiert und einen neuen Tower gebaut hat.

Mittlerweile wurde sogar ein Dokumentarfilm mit dem Titel „Parchim International“ gedreht. Laut Handelsblatt wurden dem Chinesen gut zwölf Millionen Euro des ursprünglichen Kaufpreises von 30 Millionen Euro erlassen. Im Gegenzug verpflichtete sich Pang zu Investitionen in einen Industriepark oder ein Hotel. Konkrete Pläne hierzu gibt es allerdings bis heute nicht. „Die Frachthalle mit Zollstelle ist seit drei Jahren verwaist“, schreibt die Wirtschaftszeitung. Allerdings zahlt Pang gemäß Deutschlandfunk zuverlässig die laufenden Kosten von zirka 30.000 Euro monatlich. „Geld, das der klamme Landkreis nicht mehr aufbringen muss, wes-halb man dort froh über das Engagement ist.“

Die neuste Idee des chinesischen Investors ist der Ausbau von Parchim zu einem „Airport Village“. Dort sollen dann chinesische Gäste zum Shoppen bei bis zu 7.000 Händlern zoll- und visumfrei einkaufen können. Immerhin will Pang seine Vison umsetzen, auch wenn es Jahrzehnte dauern kann. Er scheint also die notwendige unternehmerische Hartnäckigkeit zu besitzen. Der Landkreis mit 18 Prozent Arbeitslosenquote könnte jedenfalls ein Projekt dieser Größenordnung gebrauchen. Momentan nutzen aber nur diverse Fluggesellschaften den Flughafen für Trainingsflüge.

Alles geht schief: Flughafen Frankfurt-Hahn
Das es auch noch schlimmer kommen kann, zeigt der misslungene Verkauf des Flughafens Frankfurt-Hahn an die Shanghai Yiqian Trading Company. Hier hatte das beauftragte Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunterneh-men KPMG eine ausführliche Prüfung des chinesischen Käufers versäumt. Nachdem die Zahlung der ersten Rate ausblieb, wurde die Regierung hellhörig. In einer folgenden Überprüfung konnte aber die Geschäftsadresse der Käufer nicht ausfindig gemacht werden. Laut der F.A.Z gibt es „keinen ernstzunehmenden Alternativ-Investor mehr zur Übernahme des hoch defizitären Flughafens, sodass in den nächsten Monaten die Insolvenz der Gesellschaft droht.“ (DR)

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