WK Wien präsentiert 5-Punkte-Themenplan für Industriestandort Wien

Der Industriestandort Wien steht seit Jahren unter Dauerdruck. Die Unternehmen beklagen die kommunale Bürokratiemaschinerie, hohe Gebühren- und Abgaben sowie die Versäumnisse der Stadtplanung gegenüber Industriezonen. So sind in den letzten 20 Jahren die Wiener Industriebetriebsflächen um 21 Prozent geschrumpft. In den letzten Jahren beschleunigte sich dieser Prozess. „Die Betriebe haben kein Verständnis für diese wirtschaftsfeindliche Belastungspolitik. Rund 200.000 Arbeitsplätze, die internationale Wettbewerbsfähigkeit und der Hochtechnologiestandort Wien stehen auf dem Spiel, wenn die Rahmenbedingungen für die industriellen Produktionsbetriebe nicht endlich verbessert werden“, sagt Stefan Ehrlich-Adám, CEO der EVVA Sicherheitstechnologie-GmbH und Spartenobmann Industrie der Wirtschaftskammer Wien.

Ulrike Baumgartner-Gabitzer, Vorsitzende des Vorstandes der Austria Power Grid AG und stv. Obfrau der Sparte Industrie in der WK Wien, ergänzt: „Wir haben in Wien rund 560 Landesgesetze und Verordnungen mit rund 9000 Paragraphen zu beachten. Bundesgesetze, EU-Richtlinien, nationale und internationale Normen sind dabei gar nicht berücksichtigt. Es ist dringend an der Zeit anzupacken, statt mit überzogener Bürokratie Zeit zu verschwenden.“

Richard A. Kwizda, Geschäftsführer des Pharmakonzerns Kwizda Pharma GmbH und stv. Obmann der Sparte Industrie in der WK Wien, sieht die Industrie in Wien am Scheideweg: „Investitionen in der Höhe von einer halben Milliarde Euro und 400 neue Arbeitsplätze bei Boehringer in Wien im Pharma-Forschungsbereich sind ein sehr positives Zeichen. Aber zugleich verabschieden sich dutzende Firmen aus Wien – unter Ihnen Flaggschiffe wie Niemetz.“

Im Rahmen einer Pressekonferenz präsentierte die Sparte Industrie deshalb heute ihre Anliegen für eine starke Wiener Industrie und damit für eine positive Wende am Industriestandort Wien. Rund 50 Unternehmerinnen und Unternehmer haben aktiv am Arbeitsprogramm mitgearbeitet.

Standort und Infrastruktur
Wien als Produktionsstandort international bewerben und positionieren • Ausbau der Wiener Exportförderung, denn eine Mio. Euro an Exportförderung löst Exporte im Wert von 55 Mio. Euro aus. Wien rangiert nur noch an 4. Stelle beim Exportvolumen. • Lösungsorientierte und wirtschaftsfreundliche Verwaltung schaffen • z.B.: Gebrauchsabgabegesetz radikal beschneiden, Vorschriften der Bauordnung kürzen, öffentliches Ausschreibungswesen vereinfachen • Betriebliche Aufzeichnungspflichten auf sinnvolles Maß reduzieren • Generell soll in der Verwaltung gelten: Beraten statt Bestrafen! • Umwidmungsstopp für bestehende Industrieflächen und Reservierung freier Betriebsfläche für Industrienutzung (inklusive der nötigen Pufferzonen zwischen Industrie- und Wohngebieten). • Bessere Erschließung von Gewerbe- und Industriegebieten durch öffentlichen Verkehr und Breitbandausbau. • Vienna Silicon Valley: Ausbau der Technischen Universität nach Vorbild des WU-Campus zu einem modernen TU-Campus mit Platz für Thinktanks, Spinoffs und Start-ups.

Technologie und Innovation
Harmonisierung von Bundes- und Landesförderstellen zur Senkung von Verwaltungskosten und Steigerung der Effektivität der Fördermittel. Derzeit ist einmal nach Stunden, bei der nächsten Förderstelle nach Tagen, einmal in Excel, einmal in Word zu erfassen. • Stärkung der urbanen Industrieleistung durch internationale Themenführerschaft. Eine Großstadt wie Wien braucht Industrie für Wachstum und Wohlstand, denn das Bevölkerungswachstum und damit einhergehend die Notwendigkeit, auch die nötige Anzahl an Arbeitsplätzen zu schaffen, geht weiter. • Unternehmensgründungen im produzierenden Bereich müssen gezielt unterstützt werden. • Ähnlich wie im Life-Sciences-Bereich müssen wir weitere Themen finden, mit denen wir international in Führung gehen können. Eine Idee für ein solches Leuchtturmprojekt könnte lauten, eine neue zukunftsgerichtete Energiestrategie für Wien zu erarbeiten. Die Stadt soll zum internationalen Themenführer werden und den Wirtschaftsstandort somit in einem zukunftsträchtigen Bereich positionieren.

Energie und Klimaschutz
Wiener Energiestrategie: Das aktuelle Energiekonzept der Stadt Wien stammt im Kern aus dem Jahr 1998. Durch eine neu konzipierte und „smarte“ Energiestrategie sollen die Risiken von Versorgungsunterbrechungen und -schwankungen minimiert und die höchstmögliche Sicherheit hergestellt werden. Zugleich sollen verschiedenste Maßnahmen und Programme die Verfügbarkeit von kostengünstiger Energie für eine wettbewerbsfähige Wirtschaft in Wien forcieren. Die Strategie muss mehr als „smart“ sein. • Energieinfrastruktur mit Bevölkerungswachstum in Einklang bringen: Mehr Bevölkerung bedeutet auch mehr Energiebedarf, die langfristige Versorgungssicherheit ist ein Standortthema – für Wien, Österreich und ganz Europa. • Belastung bei Energiekosten einbremsen: Die reinen Strom- und Gaspreise sinken seit Jahren, die Gesamtkosten bleiben jedoch gleich, da Steuern und Abgaben kontinuierlich steigen. • Kein „Golden Plating“ bei Umweltgesetzen: EU-Bestimmungen dürfen nicht im Alleingang mit nationalen Verordnungen verschärft werden, ansonsten verlieren wir Wettbewerbsfähigkeit.

Bildung und Arbeit
Fachkräftemangel entgegensteuern: 2015 konnten 23 Prozent der Wiener Lehrbetriebe ihre offenen Lehrstellen nicht besetzen. Einerseits ist das Ausbildungsniveau der Bewerberinnen und Bewerber zu niedrig, andererseits das Interesse am Absolvieren einer Lehre zu gering. • Mehr Wirtschaft in die Schulen bringen: Damit zukünftige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Wirtschaftszusammenhänge verstehen und danach handeln, müssen sie es vorher lernen. Schulen und Lehrkräfte sind gefordert. • Bildungsschwerpunkte MINT-Fächer, Wirtschaft und Fremdsprachen: der frühzeitige Kontakt zu Naturwissenschaften motiviert Schülerinnen und Schüler, später einen technischen Beruf zu erlernen. Ein weiterer wichtiger Bildungsschwerpunkt in der globalisierten Welt sind Fremdsprachenkenntnisse.

Steuern und Abgaben
Nachbarregionen berücksichtigen: Die Anpassung der Wiener Gebühren an die der benachbarten Regionen kann Wettbewerbsnachteile und das Abwandern von Betrieben verhindern. • Transparente Kostenrechnung bei Gebühren: Eine nachvollziehbare Kostenrechnung und deren regelmäßige Evaluierung sollten die Basis für alle Gebühren sein. Entsprechende Reformvorschläge des Bundesrechnungshofes und des Stadtrechnungshofes liegen vor und könnten einfach implementiert werden. Dann wäre Wien einen Schritt näher am Ziel, eine effiziente und damit die beste Verwaltung zu haben. • Kommunalsteuer als Basis für den Bezirksfinanzausgleich: Die Bezirksverwaltungen sollten sich für den Verbleib ansässiger Betriebe und für die Ansiedlung weiterer Unternehmen einsetzen. Dies wollen wir erreichen, indem das Kommunalsteueraufkommen und somit die Zahl der Arbeitsplätze im Bezirk die entscheidende Größe für die Bemessung des Bezirksbudgets wird.

Dass die Zeit für Maßnahmen drängt, zeigt ein Blick in die Statistik: In den letzten Jahren haben 16 Prozent der Industrieunternehmen Betriebsteile an einen anderen Standort außerhalb Wiens verlagert. Zudem können sich einige Industriebetriebe eine Abwanderung aus der Bundeshauptstadt in nächster Zeit konkret vorstellen. „Die Politik muss jetzt rasch reagieren. Wir unterstützen alle Maßnahmen, um Wien als interessanten Standort für die Industrie zu positionieren“, sagt Ehrlich-Adám.

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