4. Mittelstandsforum Mannheim

Mit rund 140 Teilnehmern und neun Ausstellern fand am 22. April das 4. Mittelstandsforum Mannheim statt. Unter dem Leitgedanken "Logistiksysteme im Wandel – Strategien, Kooperationen, Personal" referierten und diskutierten im Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung Experten aus Industrie, Handel und Logistikdienstleistung. Zu den namhaften Referenten zählten Wolfgang Grupp, Mario Ohoven und Prof. Helmut Merkel. Moderiert wurde die Kooperationsveranstaltung der BVL mit dem Bundesverband Mittelständische Wirtschaft von Prof. Michael Schröder, Sprecher der BVL-Regionalgruppe Rhein/Neckar.

Den Auftakt gestaltete Prof. Dr. Helmut Merkel (Managing Shareholder, Eurasia Global Concept, Hongkong, China und Mitglied des Beirats, BVL) mit seinem Vortrag "Deutsche Unternehmen in China – unternehmerisches Lotteriespiel oder strategisches Kalkül?" In einem kurzen geschichtlichen Exkurses legte er dar, dass "wir die Globalisierung nicht erfunden haben", sondern bereits seit Jahrhunderten fruchtbare Geschäftsbeziehungen zwischen Deutschland bzw. Europa und Asien existieren. Sein Vortrag führte ihn bis in die Gegenwart. Er schilderte das Land China anhand einiger beeindruckender Zahlen: so soll das Eisenbahnnetz z.B. bis 2020 mit 16.000 Meilen das größte der Welt werde. Zudem präsentierte er anschaulich erfolgreiche deutsche Marken in China – echte und kopierte.

Führung und Verantwortung
Im Anschluss sprach Wolfgang Grupp (Alleiniger Geschäftsführer und Inhaber, Trigema GmbH & Co. KG, Burladingen) mit Robert Kümmerlen (Redaktionsleiter Logistik, DVV Media Group GmbH, Hamburg) über die Frage "Führung, Haftung und Verantwortung – eine Erfahrung aus der Krise?" Er betonte, wie wichtig es sei, sich nicht von Banken abhängig zu machen – denn es könne nicht sein, dass ein Unternehmen sofort umfalle, weil es seiner Bank schlecht gehe. Unternehmer, die Projekte mit gigantischen Finanzierungskonstrukten realisieren, nannte er größenwahnsinnig. Und: "Größenwahn ist natürlich irrsinnig", so Grupp. Auf die Frage nach seiner Meinung zum Outsourcing sagte Grupp, wenn ein Unternehmen ausschließlich variable Kosten auslagere an einen Dienstleister, dessen variable und fixe Kosten es dann ja tragen müsse, damit aber insgesamt kostengünstiger fahre als zuvor – dann sei der Unternehmer "eine Flasche".

Einfluss der Sortimentskomplexität auf die Supply Chain
Den Einstieg in die Themen der Praxis machte Oliver Neubert (Director Corporate Supply Chain Management, Freudenberg Haushaltsprodukte KG, Weinheim) mit seinem Vortrag zur Bewertung von Änderungen der Sortimentskomplexität in Distributions- und Produktionsnetzwerken. Ein komplexes Sortiment verursache eine komplexe Supply Chain, die wiederum mehr Unsicherheiten in Bezug auf unvorhergesehene Ereignisse berge, wie z.B. starke Nachfrageschwankungen, steigende Durchlaufzeiten und Lagerkosten. Er schilderte, wie sein Unternehmen das Sortiment anhand eines IT-gestützten Werkzeuges optimieren und die Sortimentskomplexität um 20 Prozent senken konnte, was zudem zu einer beachtlichen Kostenersparnis führte.

Outsourcing kein Allheilmittel
Stefan Schmidt (Head of Logistics, Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG, Ingelheim) verriet den Teilnehmern, wie ein mittelständisches Unternehmen durch die sinnvolle Kombination von Fremd- und Eigenleistungen mehr Flexibilität erreichen kann. Er beschrieb die Strategie seiner Unternehmens für eine gesamthafte Logistik – von der ersten Annäherung der Unternehmensbereiche wie Einkauf und Vertrieb im Jahr 2007 – "man lernte sich kennen" – über die Erkenntnis der Notwendigkeit einer ganzhaften Logistik in 2008 und den Projektstart "one Logistics for Germany" in 2009 bis zur Etablierung einer "Logistik Germany" in 2010. Das Projekt umfasste unter anderem die Einführung innovativer Ladungsträger, eine Analyse des Aufgabenportfolios und auf dieser Basis gezieltes Outsourcing. So sei es ihm gelungen, die Produktivität je nach Bereich um zwischen 25 und 50 Prozent zu steigern. Er betonte, dass Outsourcing kein Allheilmittel sei, sondern differenziert betrachtet werden müsse.

"Haus der Veränderung" als Orientierungshilfe
Strategien für ein erfolgreiches Changemanagement präsentierte Axel von Bauer (kaufmännischer Leiter deutsche Werke und Prokurist, Behr Industry GmbH, Stuttgart). Eine allgemeine Analyse mithilfe eines Tools zur neutralen Beurteilung von Supply Chains in seinem Unternehmen brachte sehr schnell erste Optimierungsansätze hervor. Besonders im Bereich Fertigung und Logistik waren bei Transport- und Suchzeiten hohe Einsparpotenziale identifiziert worden. Neue Ladungsträger und Verpackungen wurden in Zusammenarbeit mit den Lieferanten entwickelt, aber von den Mitarbeitern nicht eingesetzt. Hier bedurfte es eines systematischen Change-Managements, um die Mitarbeiter "mitzunehmen": Behr nutzte dazu das "Haus der Veränderung", durch das Führungskräfte ihre Mitarbeiter führen müssen. Die Räume des Hauses stellen dabei verschiedene Phasen des Veränderungsprozesses dar, in denen die Mitarbeiter umfassend informiert, motiviert oder eingebunden werden müssen.

Globale Supply Chain implementieren
Marcus Schwarz (Director Global Logistics & Supply Chain Management, Weidmüller Interface GmbH & Co. KG, Detmold) erläuterte den Teilnehmern, wie es gelingen kann, globale Prozesse in den für Mittelständler typischen, gewachsenen Strukturen zu installieren und zu optimieren. Entscheidend dabei sei es, auch Abteilungen wie Vertrieb und Einkauf in die Supply Chain zu integrieren, um z.B. zu vermeiden, dass dem Kunden suboptimale Liefertermine zugesagt werden, oder um Verpackungsart und -größe unter logistischen Gesichtspunkten zu optimieren. Um die Notwendigkeit einer Supply Chain Strategie auch in der Belegschaft zu verdeutlichen, hat Weidmüller das Beispiel eines Orchesters gewählt: Die Noten sind die Regeln, das Publikum ist die Kundschaft, etc.

Der Mensch im Mittelpunkt
Die nachmittägliche Podiumsdiskussion mit Andreas Buß (Mitglied des Vorstands, Laurens Spethmann Holding, Seevetal), Dr.-Ing. Stefan Wolff (Vorsitzender des Vorstands, 4flow AG, Berlin, Vorsitzender des Förderbeirats und Mitglied des Vorstands, BVL) und Jürgen Bausback (Geschäftsführer, Matrium GmbH, Unterschleißheim) drehte sich im die Frage, wie angesichts des "Kampfes um die besten Köpfe" Personal gewonnen und gehalten werden kann. Moderiert hat die Diskussion Thomas Zink (Studienleiter, Deutsche Außenhandels-und Verkehrs-Akademie (DAV), Bremen). Die Diskussionsteilnehmer waren sich einig, dass der Mitarbeiter das größte Kapital eines Dienstleistungsunternehmens ist. Es sei wichtig, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen und bei Bedarf auch die Arbeitsplatzgestaltung des Mitarbeiters an seine Bedürfnisse anzupassen, z.B. durch Job-Sharing oder Tele-Arbeit. Konsens bestand auch darüber, dass gutes Personalmanagement den Spaß der Mitarbeiter an der Arbeit und auch an der Arbeit miteinander sicherstellen müsse. Außergewöhnlich ist der Ansatz von Andreas Buß, der erfolgreich eine Ausbildungseinrichtung für Hauptschulabgänger gegründet hat, um hier erzieherische Versäumnisse nachzuholen und die jungen Menschen in das Arbeitsleben zu integrieren.

Aufschwung noch nicht selbsttragend
Als abschließendes Highlight motivierte BVMW-Präsident Mario Ohoven die Teilnehmer dazu, auch die Herausforderungen des Jahres 2010 mit Optimismus zu meistern. Allerdings warnte er auch davor, zu hohe Erwartungen an den Aufschwung zu haben, der sich momentan abzeichne. Dieser sei staatlich gestützt und damit nicht stabil oder selbsttragend. Seiner Ansicht nach stehe die nächste Finanzkrise schon vor der Tür, denn es sei zu erwarten, dass nach Griechenland noch weitere EU-Länder an den Rand der Zahlungsunfähigkeit geraten würden. Zudem müsse dem Steuerbetrug ein Ende gesetzt und die Korruption wirksam bekämpft werden. Verschärft würde die Situation durch die Kreditklemme, die es seiner Ansicht nach definitiv gäbe, sowie die noch anstehenden Abschreibungen der Banken, welche deren Eigenkapital und damit die Bereitschaft zu Vergabe von Krediten weiter mindern würde. Die Schicksalsfrage des deutschen Mittelstandes sei Liquidität, und Wachstum im deutschen Mittelstand momentan nur durch Entlastungen möglich. Hier sei endlich das Handeln der Regierung gefragt. Auch müsse der Mittelstand politischer werden und sich wehren: "Wenn der Mittelstand sich nicht wehrt, wird er weggekehrt", so Ohoven.

Quelle: MyLogistics
Portal:  www.logistik-express.com

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