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China Industrie 4.0: Volksrepublik strebt Technologieführerschaft an

China wird im Rahmen von China 2025 und Internet Plus rasant seinen Industrie- und Fertigungsbereich automatisieren bzw. digitalisieren und vernetzen. Deutschland und Europa sollten sich aber beim Technologietransfer nicht von kurzfristigen Geschäftschancen leiten lassen.

Das Land der Mitte hat sich in der letzten Dekade immer mehr von einem Zulieferland von Billigprodukten in schlechter Qualität zu einem ernst zu nehmenden Konkurrenten für hochwertige Hightech-Produkte entwickelt. Man denke nur an die Smartphone-Hersteller Huawei, ZTE und Xiaomi. Gleichzeitig kauft sich China immer mehr in europäische und auch deutsche Firmen ein wie beispielsweise im Falle von Midea und demdeutschen Roboterhersteller Kuka aus Augsburg geschehen.

Flucht nach vorne mit China 2025 und Internet Plus.
Das Land hat gewaltige Pläne für die Realisierung der eigenen vierten industriellen Revolution. Inspiriert durch das deutsche „Industrie 4.0“ hat die Volksrepublik die Strategien „China 2025“ und „Internet Plus“ entwickelt. Für Deutschland ist „Made in China 2025“ beides – Chance und Bedrohung zugleich. Durch Internet Plus sollen Internet-Technologien wie Mobile Internet, Cloud-Computing, Big Data und Internet of Things in traditionelle Industrien integriert werden, um den Informationsfluss sowie die Effizienz zu verbessern und die Kosten zu minimieren.  Ein geringes Wirtschaftswachstum und steigende Löhne lassen das alte Modell der billigen Massenproduktion immer weniger attraktiv erscheinen. Deswegen tritt China die schnelle Flucht nach vorn an – in Richtung Qualität und Effizienz.

Mithilfe von „Made in China 2025“ soll die komplette Industrie restrukturiert und wettbewerbsfähiger gemacht werden. Die Verbesserung der Produktionstechnologie ist dabei nur ein Instrument. Weiterhin sollen das Ausbildungssystem und die Förderung von Talenten verbessert werden. Generell ist geplant, die Struktur der Industrie zu optimieren und spätestens bis 2035 Energie, Materialverbrauch sowie Emissionen im Produktionsprozess internationalen Standards anzunähern. Durch Steigerung der Effizienz und der Integrität sollen chinesische Dienstleistungen und Produktion bis in die höchsten Bereiche der globalen Versorgungsketten vordringen. Der lokale Anteil von Schlüsselkomponenten und Materialien wird dabei von 40 Prozent im Jahr 2020 auf 70 Prozent im Jahr 2025 ansteigen. Die Volksrepublik wird also immer mehr auch hochwertige Bauteile selbst produzieren und immer weniger hinzukaufen.

Zehn Prioritätsbereiche.
China 2025 hebt zehn Prioritätsbereiche hervor, die besondere Aufmerksamkeit erhalten:

  • Neue fortschrittliche IT
  • numerische Highend-Maschinen und -Robotik
  • Luft- und Raumfahrttechnologie
  • Meerestechnik und Hightech-Schiffsbau
  • moderne Eisenbahntechnik
  • energiesparende Fahrzeuge und Fahrzeuge mit neuartigem Energieantrieb
  • Elektrische Ausrüstungen
  • landwirtschaftliche Geräte
  • neuartige Werkstoffe
  • Biopharmazeutische Produkte und medizinische Geräte

Laut dem Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) hat sich „China somit ehrgeizige Ziele gesetzt, die es wohl nur schwer ohne ausländische Unterstützung innerhalb des festgelegten Zeitrahmens erreichen kann.“

Technologietransfer genau überdenken.
Laut Jost Wübbeke, Leiter Programm Wirtschaft und Technologie beim Mercator Institute for China Studies (MERICS) und einer der Autoren der Studie „Made in China 2025“, „befindet sich die Industrie in China gegenwärtig eher auf dem Level Industrie 2.0 – also einer sehr grundlegenden Automatisierung bei geringer Durchdringung mit digitalen Anwendungen und charakterisiert durch Handarbeit und Fließbandarbeit. Es gilt eine sehr große Lücke zu schließen und daher wird China 2025 in der Breite sicherlich Schwierigkeiten haben, die chinesische Industrie zu modernisieren. Viele Unternehmen werden davon nicht profitieren. Wübbeke glaubt, dass die Strategie zu ambitioniert ist und an den Bedürfnissen der Unternehmen vorbeiplant.“ Er fügt an: „Trotzdem wird die Anzahl der Unternehmen steigen, die sehr fortschrittlich sind und im großen Maße von der Strategie profitieren können. Diese werden auch auf internationalen Märkten sehr an Wettbewerbsfähigkeit gewinnen und das ist natürlich für deutsche und internationale Unternehmen eine große Herausforderung.“

Deutsche Unternehmen sollten gemäß Wübbeke die Herausforderungen aber auch die Chancen sehen. Dabei wäre es gut, sich nicht zu stark vom chinesischen Markt abhängig zu machen.Unternehmen aus dem Land der Mitte schließen die Technologielücke durch Zukauf von Unternehmen in Europa. Generell sind chinesische Investitionen als sehr positiv zu bewerten. „Es gibt in Europa sehr viele positive Erfahrungen. Es gibt aber auch einen wachsenden Anteil von durch den chinesischen Staat getriebenen Investitionen u. a. in der Automatisierung, Industrie 4.0 sowie in der Halbleiterindustrie. Diese Initiativen müssen genau unter die Lupe genommen werden.“ Wübbeke folgert: „Es besteht dort die Gefahr, dass wichtige Technologien abfließen und die technologische Führerschaft Deutschlands ins Wanken gerät. Wir brauchen hier mehr Transparenz und es muss genau bedacht werden, welcher Technologietransfer ermöglicht bzw.  beschränkt wird. „Entscheider in Politik und Wirtschaft sollten sich nicht von kurzfristigen Geschäftschancen täuschen lassen, die „Made in China 2025“ für ausländische Hightech-Hersteller bereithält, heißt es in der Studie. Am Ende gehe es der chinesischen Führung darum, ausländische durch chinesische Technologien zu ersetzen.

McKinsey: Viele chinesische Unternehmen bisher schlecht auf Industrie 4.0 vorbereitet.
Auch das Beratungs- und Managementunternehmen McKinsey ist der Meinung, dass nur eine begrenzte Anzahl chinesischer Unternehmen fähig ist, die Initiativen im Rahmen von China 2025 in ihrem Betrieb umzusetzen, auch wenn die Begeisterung für Industrie 4.0, Kostenreduzierung und Wettbewerbssteigerung sehr groß ist.

In einer Studie von 2016, bei der 130 Unternehmen befragt wurden, folgerte der Consulter, dass der „extreme Enthusiasmus über Industrie 4.0 zu unüberlegten Investitionen in Ausrüstungen und Instrumente und zu Vergeudung von Ressourcen führen kann.“ Es mangelt an einem systematischen Einführungsplan, was das größte Hindernis für die Einführung von Industrie 4.0 im Land der Mitte darstellt. Nur sechs Prozent der befragten Unternehmen besaß eine klare Strategie für die Implementierung der Initiativen. „Daher funktioniert eine einheitliche Lösung für die digitale Transformation in China nicht“, folgern die Autoren der Studie. Der Einsatz von Robotik erfolgt bisher nur in der Montage und Systemintegration, was den geringsten Gewinn innerhalb der Versorgungskette bietet. Die Roboterdichte beträgt laut der Federation of Robotics im Land der Mitte 49, in den USA 176und in Japan 305 auf 10 000 Arbeitnehmer. China hat einen sehr ambitionierten Plan in der Strategie verankert und will bis 2020 die Roboterdichte auf 150/10000 Arbeitnehmer steigern. Generell liegt die Produktivität in der chinesischen Fertigung bisher bei nur einem Viertel im Vergleich zu den Industrieländern.

Rasante Technologiesprünge möglich.
Wie auch immer, all das kann sich sehr schnell ändern. Vor rund zehn Jahren lag der chinesische Anteil an den weltweiten E-Commerce Transaktionen bei nur ein Prozent. Heute liegt er bei rund 40 Prozent. Der momentane Wert aller Transaktionen liegt höher als in Frankreich, Deutschland, Japan, Vereinigte Königreiche und den USA zusammen. Zudem fokussieren chinesische Kapitalgeber zunehmend auf digitale Technologien. Laut der Studie „Digital China: Powering the Economy to Global Competitiveness“ (12/2017) des McKinsey Global Institutes ist der gesamte Wagniskapitalsektor Chinas schnell von zwölf Milliarden US-Dollar (9,7 Milliarden Euro) in 2011-13 auf 62,4 Milliarden Euro in 2014-16 gewachsen. Dies entspricht einem Zuwachs von sechs Prozent auf 19 Prozent Anteil am globalen Wagniskapital. Laut McKinsey gehört die Volksrepublik zu den drei größten Wagniskapitalgebern weltweit für digitale Technologien, wie Virtual Reality, autonome Fahrzeuge, 3D Printing, Robotik, Drohnen und Künstliche Intelligenz. Der neue McKinsey Industry Digitization Index (MGI) für China stuft verschiedene Industriesektoren anhand des Digitalisierungsniveaus ein. Dabei zeigt sich, dass die Digitalisierung noch weit hinter der in den USA zurückliegt. Allerdings schließt sich diese Lücke rasant. Im Jahr 2013 war die USA 4,9-mal mehr digitalisiert als China. Im Jahr 2016 nur 3,7-mal. Die am stärksten digitalisierten Sektoren in der Volksrepublik sind die Informations- und Kommunikations­technologien, die Medien sowie der Finanzbereich. Im Fertigungsbereich für Hightech-Güter als auch für grundlegende Güter sieht es bisher noch recht bescheiden aus.

Fazit.
Die Digitalisierung der chinesischen Industrie im Rahmen von Industrie 4.0/China 2025 und Internet Plus ist nicht aufzuhalten. In den nächsten Jahren wird sie rasant fortschreiten. Dabei wird die Volksrepublik gewaltige Mengen von Wagniskapital in neue Technologien investieren und fehlende Technologien im Ausland zukaufen. Hier bestehen Chancen für deutsche und ausländische Unternehmen auch einen Fuß in den chinesischen Markt zu stellen bzw. die Präsenz auszuweiten. Allerdings sollten sich Entscheider nicht von kurzfristigen Geschäftschancen täuschen lassen. Jeder Technologietransfer muss genau begutachtet werden, damit deutsche Unternehmen nicht die Technologieführerschaft verlieren. (DR)

Quelle: LOGISTIK express Fachzeitschrift, Ausgabe 1/2018

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