Motto der Österreichischen Ratspräsidentschaft: „Ein Europa, das schützt“

Die österreichische Ratspräsidentschaft wird unter dem Motto „ein Europa, das schützt“ stehen, wie Bundeskanzler Sebastian Kurz und EU-Minister Gernot Blümel heute im EU-Hauptausschuss des Nationalrats betonten. Dabei spiele die Subsidiarität die zentrale Rolle. Gemeinsam mit der EU-Kommission wolle man ein „subsidiäreres“ Europa. Die EU solle nicht bürokratischer werden, sondern dort stärker, wo man es im Sinne eines besseren Schutzes braucht. Die derzeitige Überregulierung habe einfach keinen Mehrwert mehr, sagte Blümel. Man habe auch angeboten, die Ergebnisse der von Kommissionspräsident Jean Claude Juncker eingesetzten Taskforce zur Subsidiarität während der österreichischen Präsidentschaft zu präsentieren.

Konzentrieren soll sich demnach die EU auf die Eindämmung der illegalen Migration. Klares Ziel sei, so Bundeskanzler Kurz, die ständige Diskussion über die Verteilung der Flüchtlinge „hinter uns zu lassen“, da dies ohnehin nicht funktioniere. Der Fokus der EU sollte vielmehr auf dem Schutz der Außengrenzen liegen. FRONTEX brauche ein neues Mandat, die Staaten mit EU-Außengrenzen müssten verstärkt unterstützt werden, zudem sei es notwendig, die Kooperation der EU mit den Herkunftsstaaten der Flüchtlinge und MigrantInnen zu verbessern, umriss der Bundeskanzler die Ziele in dieser Frage nach Wortmeldungen von Johann Gudenus (FPÖ) und Alma Zadic (PILZ). Dazu werde es auch am 20. September in Salzburg ein Gipfeltreffen der Staats- und RegierungschefInnen geben, kündigte die Regierungsspitze an.

Zielpunkt sei aber auch, Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit zu schützen, weshalb ein weiterer Schwerpunkt auf dem digitalen Binnenmarkt liegen werde, so Kurz und Blümel. Kurz zeigte Sympathie für eine digitale Besteuerung, um insbesondere Internetgiganten in die Pflicht zu nehmen.

Schließlich gehe es auch um Stabilität in der Nachbarschaft – ein wesentlicher Aspekt für die Sicherheit Europas. Denn wenn es auf dem Westbalkan gut läuft, sei das auch gut für Europa, bekräftigten beide. Ein Gipfel am 17. Mai in Sofia wird sich dieser Herausforderung unter dem Titel „Ermutigungsgipfel“ widmen, berichtete EU-Minister Blümel und reagierte damit auf Fragen der Abgeordneten Claudia Gamon (NEOS) und Alma Zadic (PILZ). Das Schlussdokument sollte substantielle Formulierungen enthalten, womit man auch ein starkes Signal an die betreffenden Staaten senden wolle. Man spreche deshalb von einem „Ermutigungsgipfel“, weil es eben kein Beitrittsgipfel ist, stellte der EU-Minister klar.

Das Programm für die Ratspräsidentschaft werde im Juni dem Europäischen Parlament präsentiert, man werde das selbstverständlich auch gerne mit den österreichischen Mandatarinnen und Mandataren diskutieren, sicherte Minister Blümel SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder zu. Bei der Vorbereitung kooperiere man eng mit den Ministerien, meinte er gegenüber Petra Steger (FPÖ). Die österreichische Präsidentschaft sei die letzte volle Präsidentschaft vor den EU-Wahlen, was eine hohe Beschlussdynamik erwarten lasse, so Blümel, der dabei die Zahl von rund 200 Dossiers nannte.

Regierung skeptisch gegenüber Errichtung einer Europäischen Arbeitsschutzbehörde

Der EU-Hauptausschuss fand im Vorfeld des kommenden europäischen Rats am 22. und 23. März 2018 statt. Diskutiert wurde eine vielfältige Themenpalette – angefangen vom Brexit, dem mehrjährigen Finanzrahmen über die soziale Säule der Union bis hin zum internationalen Handel, zu Russland und zur Türkei. Die SPÖ legte zwei Anträge auf Stellungnahme vor, diese fanden jedoch keine ausreichende Unterstützung.

Druck machen wollen die SozialdemokratInnen vor allem im Kampf gegen das Lohn- und Sozialdumping, das in Europa noch immer an der Tagesordnung stehe, wobei Österreich besonders stark davon betroffen ist. Klubobmann Andreas Schieder (SPÖ) weist in seinem Antrag insbesondere darauf hin, dass derzeit neue Regeln für die Entsendung von Beschäftigten in andere EU-Länder ausverhandelt werden. Die SPÖ spricht sich daher dafür aus, die Anhebung sozialer Standards in der EU zum Schwerpunkt der österreichischen Ratspräsidentschaft unter dem Titel soziale Fairness zu machen. Auf diesem Weg sollte ein effektiver Beitrag zur Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping geleistet werden. Sie unterstützt auch die Errichtung einer europäischen Arbeitsschutzbehörde.

Im Gegensatz dazu zeigte sich EU-Minister Blümel skeptisch, da man auch auf EU-Ebene im System sparen wolle, wie er sagte. Er sieht jedenfalls keinen Mehrwert einer derartigen Behörde, außerdem halte er die Errichtung einer solchen gerade im Hinblick auf die Diskussion über den neuen Finanzrahmen für den falschen Zugang. Auch Dagmar Belakowitsch (FPÖ) vertrat die Auffassung, dass eine solche Behörde nichts bringe, sie setzt vielmehr auf ein Anti-Lohndumping-Gesetz. Dem konnte sich Klubobmann Schieder (SPÖ) nicht anschließen. Er ist überzeugt davon, dass eine solche Institution inhaltlich einen großen Beitrag leisten könne. Der Antrag erhielt schließlich nur die Stimmen von SPÖ und Liste Pilz und blieb damit in der Minderheit.

Kurz: Niemand will einen Handelskrieg mit den USA

Die SozialdemokratInnen thematisierten auch wieder die Freihandelsverträge und brachten auch dazu einen Antrag auf Stellungnahme ein, mit dem jedoch die anderen Fraktionen nicht mitgehen konnten.

SPÖ-Abgeordneter Jörg Leichtfried erinnerte daran, dass die Verhandlungen mit Japan, Singapur und Vietnam weitgehend abgeschlossen seien und jene mit MERCOSUR und Mexiko kurz vor dem Abschluss stünden. Über die Wiederaufnahme der TTIP-Verhandlungen werde vom Präsidenten des Europäischen Rats laut nachgedacht, so die SPÖ in ihrem Antrag, in Vorbereitung befänden sich Verhandlungen mit Australien, Neuseeland und der Türkei. Die SPÖ-MandatarInnen wollten in diesem Zusammenhang den Bundeskanzler auffordern, zu den handelspolitischen Ausführungen der Schlussfolgerungen klarzustellen, dass diese Handelsabkommen als gemischt eingestuft und daher auch dem Nationalrat zur Genehmigung vorgelegt werden. Einmal mehr sprechen sie sich gegen Konzernklagerechte oder sonstige privilegierende Bestimmungen für Konzerne aus und erinnern daran, dass die FPÖ unmittelbar vor der Nationalratswahl 2017 einem ähnlich lauteten Antrag der SPÖ zugestimmt habe.

Jörg Leichtfried (SPÖ) gab zu bedenken, dass die Schiedsgerichtsklauseln, die ursprünglich als Schutz für Investoren in unseren Ländern gedacht waren, sich zu einem Instrument entwickelt hätten, um Vorteile für Konzerne gegenüber der Rechtsprechung durchzusetzen. Eine solche Klausel hält er bei Verträgen mit Ländern, die hohe rechtsstaatliche Standards aufweisen, für obsolet.

Dem widersprach Peter Haubner (ÖVP) vehement und meinte, faire und transparente Handelsabkommen würden einen großen Beitrag zu Wohlstand, Wettbewerbsfähigkeit und Sicherung der Arbeitsplätze in Österreich leisten. Wenn Österreich und die EU nicht dabei seien, würde diese Lücke von anderen Ländern gefüllt werden, warnte er und wies unter anderem darauf hin, dass Japan der zweitgrößte Handelspartner im asiatischen Raum ist. Was die Sorgen in Bezug auf MERCOSUR betrifft, so meinte Bundeskanzler Kurz, Österreich nehme starken Einfluss darauf, damit die heimische Landwirtschaft und heimische Produkte nicht unter Druck kommen.

Einen multilateralen Handelsgerichtshof sieht der Bundeskanzler positiv, wie er gegenüber Claudia Gamon (NEOS) festhielt. Österreich präferiere eine große Lösung, denn eine solche sei allemal besser als Einzelabkommen.

Die Abgeordneten verliehen auch ihrer Sorge über die Ankündigung von US-Präsident Donald Trump Ausdruck, Schutzzölle einzuführen. Man habe in dieser Sache viele Gespräche geführt, jedoch mit mäßigem Erfolg, berichtete Bundeskanzler Sebastian Kurz. Nun sei darüber zu diskutieren, wie man darauf reagiert. Er jedenfalls sei für eine maßvolle Reaktion, denn niemand könne einen Handelskrieg mit den USA wollen. Wie der Bundeskanzler festhielt, sei man derzeit „alarmiert“, man hoffe aber, den Schaden in Grenzen zu halten. Problematisch sei die Sache nur, wenn die Zölle auf Aluminium und Stahl nur einen ersten Schritt darstellen sollten.

EU-Minister Blümel bestätigte gegenüber dem Ausschuss, dass man in der EU bemüht sei, Ausnahmen zu erhalten, wie diese auch für Kanada und Mexiko gelten. Wenn nicht, werde man alle Möglichkeiten im Rahmen der WTO in Anspruch nehmen.

Regierung bleibt bei Nein zu höheren EU-Beiträgen

Thema im Ausschuss waren auch die Brexit-Verhandlungen, wobei sich sowohl der Bundeskanzler als auch der EU-Minister zufrieden über die jüngst erzielten Fortschritte zeigten. Für die Übergangsperiode gelte nun das Acquis, was die zukünftige Zusammenarbeit betrifft, so wolle der Europäische Rat Leitlinien verabschieden. Jedenfalls soll das Verhältnis mit dem Nichtmitgliedsland Großbritannien so eng wie möglich sein, sagte Blümel, der gleichzeitig klarmachte, dass sich Großbritannien im Binnenmarkt keinesfalls die Rosinen herauspicken könne. Man strebe jedenfalls eine möglichst enge wirtschaftliche Zusammenarbeit an, betonte Blümel. Auch die Kooperation im Sicherheitsbereich müsse eng sein. Klubobmann Reinhold Lopatka (ÖVP) hatte im Vorfeld dieser Aussagen hinsichtlich des Brexit von einer der größten institutionellen Herausforderungen gesprochen.

Thematisiert wurden dabei selbstverständlich auch wieder die Beitragszahlungen, wobei sowohl Kurz als auch Blümel einmal mehr festhielten, dass Österreich nicht bereit sei, mehr ins EU-Budget einzuzahlen. Es könne nicht sein, dass die Zahlungen automatisch höher werden, wenn die EU kleiner wird, merkte dazu Blümel an. Er wisse aber, dass Österreich damit gegen die Linie des EU-Parlaments argumentiere.

Einen immer wieder ins Spiel gebrachten Europäischen Finanzminister sieht die Regierung skeptisch, ebenso neue Regelungen für die Eurozone. Bevor man neue Regeln einführt, sollte man dafür sorgen, dass die alten eingehalten werden, meinte dazu Bundeskanzler Kurz.

Thema Türkei und Russland

Wenn es auch zwischen den früheren Regierungspartner SPÖ und ÖVP viel Dissens gibt, so kam in der Türkeifrage das Signal zur Unterstützung der Regierungslinie. Jörg Leichtfried meinte, der Standpunkt des Bundeskanzlers, wonach Beitrittsverhandlungen mit dem Land keinen Sinn machen und man vielmehr eine enge Zusammenarbeit über einen Nachbarschaftsvertrag anstreben sollte, sei durchaus positiv zu diskutieren. Der Bundeskanzler anerkannte in diesem Zusammenhang die jüngsten Bemühungen von Außenministerin Karin Kneissl, das bilaterale Verhältnis zwischen Österreich und der Türkei zu entspannen. Die Verhandlungen zur Zollunion mit der Türkei seien auf Eis gelegt, berichtete er, Voraussetzung für eine Modernisierung des Abkommens sei eine Änderung der Politik des Landes.

Was die Beziehungen zu Russland betrifft, so sprach sich Bundeskanzler Kurz für einen ständigen Dialog aus, gleichzeitig hielt er fest, dass völkerrechtswidriges Verhalten zu sanktionieren sei. Angesprochen von Claudia Gamon (NEOS) auf den Giftanschlag auf einen Agenten und seine Tochter in Großbritannien, unterstrich der Bundeskanzler die volle Solidarität mit Großbritannien. Der Vorfall sei strikt zu verurteilen und aufzuklären. Dabei erwarte man sich ein konstruktives Verhalten von Seiten Russlands. Er rief aber zur Vorsichtig auf, einem Staat die volle Verantwortung zuzuschreiben, denn wenn die Chemikalie auch aus Russland komme, sei nicht sicher, dass Russland diese auch selbst verwende.

 

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