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Trends der Logistik

Logistik Express hat die Gelegenheit genutzt, um beim BVL-Kongress Meinungen zu den aktuellen und zukünftigen Trends in sämtlichen Bereichen der Logistik einzuholen. TEXT: ANGELIKA THALER

In einer schnelllebigen Zeit wie der unseren werden häufig Dinge zum Trend erklärt, die kurze Zeit später wieder vergessen sind. Nicht nur in der Mode tauchen diese in regelmäßigen Abständen wieder auf und reißen manche zu wiederholten Begeisterungsstürmen hin. Interessanterweise gibt es in unserer Branche – dem weiten Feld der Logistik- einige Trends, die sich sehr hartnäckig halten, und manche, die das Potenzial haben, die Zukunft zu beeinflussen. Und da niemand besser geeignet ist, diese zu identifizieren, als Menschen aus der Praxis, haben wir einige Aussagen für unsere Leser- Innen gesammelt und in weiterer Folge die Quintessenz ermittelt.

Meinungen und Kommentare Rainer Buchmann, Geschäftsführer, SSI Schäfer Peem GmbH: 
„In der heutigen Zeit sind die Leute gewohnt, dass Informationen jederzeit überall erhältlich sind. Dementsprechend entsteht auch der Wunsch, Ware stets sofort an jedem Ort zu bekommen. Das zieht Auswirkungen auf den Versandhandel und Internetshops nach sich, wo Bestellungen rund um die Uhr erfolgen. Im B2C Bereich ergibt das viele kleine Bestellungen mit immer wichtigerer „Lieferkürze“, der man nur mit mehr Automation in den Prozessen entgegentreten kann. Im B2B Bereich ist das Stichwort „City Logistics“, der Trend geht weg von Megazentren und hin zu standardisierten, dezentralen Einrichtungen, um frequente Lokalbelieferung sicherzustellen. Bezüglich des Outsourcings muss jeder für sich überlegen, ob Logistik zu den Kernprozessen zählt oder nicht, wer sich über die Logistik vom Mitbewerb differenzieren möchte, wird diese sicher nicht outsourcen.“

Leopold Pilsner, MBA, Geschäftsführer Wirtschaftsinitiativen Leoben GmbH: 
„Die entstehende Weltwirtschaftskrise wird die Logistik vor noch größere Herausforderungen stellen, was schnelle Innovationen noch dringender macht. Es wird eine Marktbereinigung bei kapitalschwachen Unternehmen geben, die laufenden Änderungen der Bankbedingungen sogar bei bestehenden Verträgen verhindern die Planbarkeit.“

Dipl.-Kfm. Martin Weiblen, Manager Business Development & Marketing Central Europa, Dematic GmbH: 
„Die Vereinzelung wird an Bedeutung gewinnen, also kleine Gebindegrößen mit vorkonfektionierten Waren, wodurch sowohl für Hersteller als auch für Händler der Kommissionieraufwand steigt. Zusammen mit dem Mangel an Fachpersonal wird daher die Automation weiter zunehmen. Ein weiterer Trend ist die steigende Inanspruchnahme von Logistikdienstleistern (Service Providern). Auch Osteuropa bleibt uns als Trend erhalten, etwa Russland – wobei momentan die Entwicklungsgeschwindigkeit schwer abzuschätzen ist. Kommt es nun jedoch zu einer längeren Rezession, ist mit geändertem Investitionsverhalten und damit auch Vertragsrückgängen zu rechnen.“ 

Christoph Schmid, Mitglied der Geschäftsleitung, Swisslog AG: 
„Aufgrund der wieder sinkenden Energiekosten erwarte ich ein Abflauen des Dezentralisierungstrends. Wichtig ist die genaue Standortwahl, man muss prüfen, wo sich der Aufbau eines Distributionszentrums – auch im Hinblick auf Grundstücks- und Personalkosten) wirklich lohnt. Des Weiteren nimmt die Bedeutung der Flexibilität von Lagerhäusern zu, sie müssen sich geänderten Marktbedingungen anpassen können. Da das Abdecken von Spitzenzeiten durch Freelancer schwieriger wird, wird es zu weiterer Automatisierung kommen, etwa in der Kommissionierung – auch wenn dies nicht bei allen Artikeln möglich ist. Die aktuelle wirtschaftliche Lage wird Zeitverzögerungen bei Projekten mit sich bringen, uns somit auch einen Schub beim Retrofit. Insgesamt ist die Nachfrage nach Innovationen sehr hoch, solange diese wirtschaftlich sind.“ 

Rolf Beckmann, Leiter der Entwicklung, Fiege Holding Stiftung & Co. KG:
„Die Fertigungstiefe wird zugunsten der Kontraktlogistiker abnehmen. Durch starke Vernetzung und das Eingreifen in die Kernprozesse der Hersteller, können die Produzenten von der Erfahrung der Dienstleister profitieren anstatt einzelne Beratungsleistungen zuzukaufen. Uns erwartet in nächster Zeit besonders anspruchsvolle, hohe Logistik, gekennzeichnet durch spezielle Alleinstellungsmerkmale.“

Martin Hildebrand, Diplom-Betriebswirt, Key Account Manager, Rhenus AG & Co. KG:
„Bei kleinen Volumen wird die Zentralisierung, etwa in Form von Europalägern, zunehmen. Bei Konsumgütern sehe ich eine Zunahme der RFID-Kennzeichnung schon im Vorfeld, und bei großvolumigen und preissensiblen Gütern erwarte ich eine regionale, kundenorientierte, oder nahe am Verbrauchsmarkt positionierte Einlagerung. Deutlich sichtbar ist auch das steigende Interesse an zusätzlichen Servicedienstleistungen, beispielsweise Montage vor Ort.“

Gerald Hofer, Geschäftsführer, KNAPP Logistik Automation GmbH: 
„Ein Trend, der mit Sicherheit anhalten wird, ist jener der Nachhaltigkeit. Platz- und Energiebedarf müssen weiter gesenkt werden, immer wichtiger wird auch die ergonomische Arbeitsplatzgestaltung. Die Automation kann hier helfen, ein arbeitsfreundliches Umfeld zu schaffen – etwa durch selbstfahrende Kommissionierfahrzeuge, die das Heben übernehmen. Auch die wachsende Artikelvielfalt verstärkt die Nachfrage nach Automation. Hier nehmen die Ware-zum-Mann-Systeme stark zu. Ein weiterer Trend sind die „Shopfriendly- Konzepte“, wo die Produkte bereits in der richtigen Reihenfolge sortiert angeliefert werden. Besonders in der Lebensmittelbranche deutet alles auf höhere Automationsgrade hin. Die boomenden Märkte bleiben weiterhin der Osten und auch Lateinamerika, aufgrund der Wirtschaft wird es jedoch verstärkt kleine und mittlere statt großer Projekte geben. Ganz wichtig ist der Service, in Service Level Agreements liegt die Zukunft.“ 

Stefan Heßmann, Vertrieb und Projektierung, S&P Computersysteme GmbH:
 
„Im Bereich der Betriebswirtschaft und der Kosten nimmt auch wegen der Finanzkrise die Bedeutung der Leistungsoptimierung, etwa bei der Produktivität, stark zu.“ 

DI Michael Baranowski, Geschäftsführer, TEAM GmbH:
 
„Die Kunden wollen vermehrt individuelle aber standardisierte Lagersysteme zum günstigen Preis. Wichtig hierbei sind Flexibilität, Skalierbarkeit und Modularität, etwa bei neuer Software. Klar erkennbar ist die starke Serviceorientierung, die Kunden möchten die Controlling- und Logistikkennzahlen zur Verfügung haben, um sie als Entscheidungsgrundlage zu nutzen.“ 

Hans Jürgen Heitzer, CEO, LOCANIS AG: 
„Jährlich werden 170 Milliarden Euro in der Logistik ausgegeben, davon 85 Milliarden in der Intralogistik. Trotz aller Optimierungen liegen noch mindestens 20 Prozent brach, bei denen man ansetzen kann. Im Hinblick auf die technische Entwicklung erwarte ich demnächst RFID-Tags auf jeder Holzpalette, wir würden uns auch freuen, wenn Galileo ersetzt und in Folge dessen Indoor-GPS möglich würde. Für Container haben wir eine differential GPS-Lösung fertig, die man als Ergänzung in den Häfen nutzen kann.“ 

Dr. Andreas von Beringe, CEO und Mitgründer, SAF AG:
 
„Sowohl im Handel als auch in der Industrie steht die optimierte Bestandsführung erst ganz am Anfang. Der Grund dafür ist das Fehlen oder die mangelnde Qualität der relevanten Daten. Hier besteht noch sehr viel Potenzial, das es zukünftig zu nutzen gibt. Auf einen hochwertigen Datensockel kann man effekti
ve Systeme zur Bestell- und Warenbestandsoptimierung aufsetzen. Des Weiteren wird der Automatisierungsgrad die 100 Prozent Marke erreichen.“ 

Andreas Schreiber, Key Account Manager, TOPSYSTEM Systemhaus GmbH:
 
„Leider gibt es zur Zeit große wirtschaftliche Probleme. Der größte Fehler wäre jetzt allerdings ein Investitionsstopp, das wäre zusätzlicher Sand im Getriebe unserer Ökonomie. Ein positiver Trend betrifft in meinen Augen das Netzwerken, immer mehr läuft über persönliche Kontakte ab.“ 

Oswald Werle, CEO, inet-logistics GmbH:
 
„Das wichtigste Thema ist mit Sicherheit das der Effizienzsteigerung. Man muss mit Dynamik und Flexibilität auf Veränderungen reagieren und auch bewusst agieren können, um die Auswirkungen der tendenziell steigenden Transportkosten unter Kontrolle zu halten. Ein weiterer Trend geht – soweit es infrastrukturell möglich ist – hin zum kombinierten Verkehr. Allein schon aufgrund der Ökobilanz bzw. des ökologischen Footprints sind hier nachhaltige Konzepte gefragt. Das Potenzial ist auch vorhanden, nun muss nur noch die Infrastruktur gegeben sein.“ 

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