Wer killt das Klima? Die Guten oder die Bösen?

Um es vorweg unmissverständlich zu sagen: Wer der „Xundheit“ oberste Priorität abspricht, ist ein Depp und vor solchen Leuten möge uns Gott bewahren. Einzige irdische Abwehrmöglichkeit – Wahlen ernst nehmen. Und wer die für alle sichtbaren Tatsachen nicht sieht, ist ein Dummkopf.

Peter Baumgartner

Die mitunter schwierige Frage ist, wer sind die Guten und wer die Bösen? Die Zeitschrift Falter stellte kürzlich die Frage: „Wer killt das Klima?“ Die Antwort, grob interpretiert, kam nicht unerwartet: Wir.  Wenn es um das Thema Verkehr geht, muss man da aber schon etwas genauer hinschauen, denn nicht jeder Gute ist gut und nicht jeder Böse ist ein Depp. Ein paar Beispiele:

Die Wirtschaft fordert die „Prinzipien des freien Warenverkehrs zu berücksichtigen“. Was aber ist der freie Warenverkehr, was sind seine Prinzipien und wer bestimmt, was ein freier Warenverkehr ist? Allgemein bekannt ist der freie Verkehr von Waren eine tragende Säule im europäischen Binnenmarkt. Genau so steht es im Vertrag von Lissabon – “Der freie Warenverkehr”, eigentlich ein unmissverständlicher Begriff.

Es geht um die ungehinderte Inverkehrbringung von Waren (Zollunion). Warum macht die EU dann in der Praxis daraus gleichzeitig eine freie Wahl der Verkehrsmittel und niemand widerspricht? Die europäische Politik interpretiert ihre eigenen Begriffsbestimmungen also völlig falsch – und alle akzeptieren das. Wer ist jetzt der Böse? Die Frächterlobby, die das macht was toleriert wird, oder die EU-PolitikerInnen, die ihre eigenen Regeln nicht kennen (wollen)? Man sollte wohl überlegen, ob die vom Verkehr geplagte Bevölkerung tatsächlich in Geiselhaft der Transportlobby ist, oder unter den Blödheiten des blauen Sternenbanners im Feinstaub zu ersticken droht.

Ein anderes Beispiel: Wenn bald alle EuropäerInnen bei Amazon oder Zalando ein (1) T-Shirt bestellen, das „Sam Day Delivery“ vor der Haustüre liegen soll und am nächsten Tag, weil die Farbe nicht passt, postwendet retour geht, um womöglich entsorgt zu werden, wer ist dann wild geworden? Der Transportbereich oder vielleicht doch der Konsument selber, dem die Bestellung per Mausklick wichtiger ist, als der Feinstaub, den er mit seinem Konsumverhalten aufwirbelt? Gut, es ist schon verlockend, sich alles liefern lassen zu können. Aber wer gut sein will, muss sich schon die Frage stellen, ob er nicht schon Teil der Schwarmdummheit ist.

Leider wird in der Debatte um die Guten und Bösen auch immer vergessen, dass jeder Frächter seine LKW-Flotte verschrotten kann, gäbe es nicht die verladende Industrie, die ihnen Tonnen zum Transport anbietet. Noch schlimmer, kein Frächter führt freiwillig 2/3 Luft im Laderaum spazieren. Das passiert nur, weil zum Beispiel ein Karton Persil Waschmittel viel größer ist, als er sein müsste. Aber da passt eben mehr Werbung für Persil drauf und schaut verkaufstechnisch besser aus. Ähnlich ist es beim Gewicht.

Man kann sogar Speiseeis per Mausklick bestellen – nur die Kühlverpackung ist um ein Vielfaches schwerer als der Becher Himbeereis. Die verladende Industrie, die Werbe- und Verpackungsindustrie bestimmen was auf der Straße fährt. Sie bestimmen über die Effizienz der Transportmittel und der Infrastruktur. Prügelknabe ist der Frächter oder gar der Lohnsklave hinter dem Lenkrad. Selbst wenn es um die Lenkrad-Lohnsklaverei geht, lohnt es sich genauer hinzuschauen. Die wirklich schwarzen Schafe ausgenommen, der Großteil der Frächter macht das, was „EU-konform“ ist. Selbst die größten Schweinereien entsprechen gültigen EU-Regeln.

Die Frage ist also, was wirklich nachhaltig nützt, um die LKW-Lawine eindämmen zu können.  Die Korridormaut zwischen München und Verona ist so eine Idee, aber wird dadurch insgesamt auch nur ein einziger LKW weniger fahren? Wohl eher nicht. Die ASFINAG wird bis 2024 trotzdem 8 Milliarden Euro in den Straßenausbau investieren – für den freien Warenverkehr. Die LKW-Maut generell erhöhen wird sich wohl auch zuerst auf die Frachttarife niederschlagen, bevor ein einziger Verlader auf die Bahn umsteigt. Und wo überhaupt hat die Bahn die Kapazitäten, Straßentransporte in erheblichem Maße aufzunehmen? Rollende Landstraße ausbauen? Auch wenn die ÖBB verspricht, bis 2021 die Kapazität von 200.000 LKW auf 450.000 im Jahr erhöhen zu können, dann ist das noch immer ein Tropfen auf dem heißen Stein und irgendwann muss der LKW ja doch wieder auf die Straße. Ganz abgesehen davon, dass auch der Bahnausbau keineswegs unumstritten ist. Über die freien Kapazitäten der Binnenschifffahrt spricht sowieso niemand.

Dann gibt es noch Befürworter von „rigorosen Maßnahmen“, die eine Sperre von Autobahnabfahrten für richtig erachtet und sich gleichzeitig über Investitionen in den Autobahnbau freuen. Egal welche Maßnahmen hier als sinnvoll erachtet werden, wenn Verkehrsströme umgelenkt, „besser verteilt“ oder teurer werden, dann wird der Verkehr insgesamt nicht weniger – aber mehr Leute davon betroffen. Das ist kein Lösungsansatz, sondern bestenfalls ein Krisenmanagement. Als positives Beispiel wird gerne die Schweiz mit ihrer rigorosen Verkehrspolitik genannt. „Der Bund begrenzt die Belastungen durch den Transitverkehr…“ klingt nett. In Wirklichkeit machen die Schweizer nämlich nichts anderes, als die Nacktschnecken über den Zaun in den Nachbargarten zu schmeißen. Die beste Voraussetzung für dessen Vermehrung.

Wenn bei der Klärung der Fragestellung, wer killt das Klima, WIR herauskommt, trifft das wahrscheinlich ziemlich genau die Wahrheit. Dann muss die Konsequenz aber auch lauten, WIR müssen die Suppe gemeinsam auslöffeln und gemeinschaftliche Lösungen finden. Derzeit schaut es eher nicht danach aus. Die Eidgenossen üben sich als Trittbrettfahrer der EU. Und die Wirtschaft positioniert sich an der Spitze der Ökodiktatur wenn sie beteuert, klimafreundlich sein zu wollen – aber nur, wenn es andere bezahlen. Wir sind klimafreundlich, wenn wir Investitionsanreize bekommen, hört sich so an, als wenn ein Bankräuber beteuert, gegen Überweisung einer Förderung auf einen Überfall verzichten zu wollen.

Autor: Peter Baumgartner

Bild: IBBS

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