WIFO & HV Konjunkturreport: Stimmung im österreichischen Einzelhandel kühlt weiter ab
Zweites Rezessionsjahr bereitet Sorgen. Hohes Maß an Unsicherheit auch auf Konsumentenseite. Zahl der offenen Stellen am Arbeitsmarkt geht um 23% zurück.
Der vom WIFO vorgestellte „Konjunkturreport Einzelhandel“ belegt auch im dritten Quartal 2024 die fehlende Dynamik der heimischen Konjunktur. Sowohl im September als auch in der ersten Oktoberhälfte stagniert die gesamtwirtschaftliche Aktivität. Der heimische Non-Food-Handel verzeichnete auch in den Sommermonaten ein Minus bei den inflationsbereinigten Nettoumsätzen (-1% im Juli, -0,3% im August).
Leichte Umsatzzuwächse im LEH können Kostensteigerungen nicht kompensieren
„Die österreichische Konjunktur verläuft weiterhin schwach. Auch die Bruttowertschöpfung im Handel stagniert seit Juli auf dem Vorjahresniveau. Zumindest der Lebensmitteleinzelhandel hat im dritten Quartal leichte Umsatzzuwächse erwirtschaftet, allerdings können diese die Kostensteigerungen in der Beschaffung, beim Personal sowie bei Fremdkapital, Mieten und Pacht bei weitem nicht kompensieren“, erklärt Rainer Will, Geschäftsführer des freien, überparteilichen Handelsverbandes.
„Der nachlassende Preisauftrieb sowie die gestiegenen Haushaltseinkommen haben die realen Umsätze der heimischen Einzelhändler zuletzt einigermaßen stabilisiert, allerdings liegt der österreichische Non-Food-Handel auch im dritten Quartal unter dem Vorjahresniveau“, ergänzt WIFO-Ökonom und Studienautor Jürgen Bierbaumer.
Angstsparen nimmt zu: Sparquote steigt heuer auf 11,4%
Das Konsumentenvertrauen ist zwar zuletzt angestiegen, liegt aber weiterhin auf niedrigem Niveau. Die anhaltend hohe Unsicherheit der Konsument:innen erhöht trotz stark gestiegener Haushaltseinkommen primär die Sparquote auf heuer voraussichtlich 11,4%. Erschwerend hinzu kommt die Verschiebung der Konsumausgaben weg vom klassischen Warenkauf hin zu Reisen, Urlaub, Gastronomie und Selbstoptimierung.
Immerhin: Der weiterhin nachlassende Preisauftrieb stützt die reale Entwicklung. Im September 2024 lag die Inflation in Österreich bei 1,8% – Tendenz weiterhin fallend. Der Wehrmutstropfen: Wir liegen damit noch immer über dem Schnitt des Euro-Raums (1,7%).
Stimmungsbild im österreichischen Handel pessimistischer als in Deutschland
Verglichen mit den deutschen Einzelhandelsunternehmen fallen die aktuellen Umfrageergebnisse der heimischen Händler deutlich pessimistischer aus. Im September ist das Stimmungsbild im österreichischen Einzelhandel laut Vertrauensindikator der Europäischen Kommission um 6,1 Punkte eingebrochen, in Deutschland lag das Minus bei nur 1,8 Punkten. Betrachtet man jedoch die Entwicklung über die letzten drei Monate, so ist der Pessimismus in beiden Ländern ähnlich stark ausgeprägt.
Überbürokratisierung & Regulierungswut hemmen Wirtschaftsstandort
Massiv ist auch die hemmende Wirkung des Regulierungswahnsinnsin Österreich bzw. ganz Europa. Von 2019 bis 2024 wurden in der EU unfassbare 13.000 Rechtsakte verabschiedet, in den USA waren es im gleichen Zeitraum 3.500 Vorschriften. Hinzu kommen über 400 weitere delegierte Rechtsakte in der europäischen Rechtssetzungs-Pipeline, welche die Brüsseler Überbürokratisierung befeuern.
„Der Bürokratiedschungelin Europa ist ein absoluter Produktivitätskiller, der unsere Innovationskraft lähmt. Erschwerend hinzu kommt der mangelhafte Vollzug dieser Regulierungen bei dubiosen Wirtschaftsakteuren und Plattformen aus Drittstaaten. Es kann doch nicht im Sinne der EU sein, Unternehmen aus Fernost besserzustellen als europäische Betriebe, die hierzulande Steuern zahlen und unseren Sozialstaat mitfinanzieren“, erklärt Rainer Will, der Sprecher des österreichischen Handels.
Arbeitsmarkt trübt sich weiter ein: Rückgang der offenen Stellen um -23%
Die aktuelle schwache Wirtschaftsentwicklung spiegelt sich auch am Arbeitsmarkt. Der Bestand an offenen Stellen ging sowohl im Einzelhandel als auch in der Gesamtwirtschaft weiter zurück und lag im September im Einzelhandel bereits um –23,3% (Gesamtwirtschaft -14%) unter dem Niveau des Vorjahres.
Ausblick: Konsumnachfrage bleibt 2025 mau, Inflation normalisiert sich
„Gemäß der aktuellen WIFO-Prognose wird die Konjunkturschwäche auch im 2. Halbjahr 2024 anhalten, so dass die Wirtschaftsleistung im gesamten Jahr um -0,6% zurückgehen dürfte. Für das Jahr 2025 erwarten wir einen minimalen Zuwachs von 1%“, so Jürgen Bierbaumer.
Auch im weiteren Jahresverlauf dürften die privaten Haushalte zurückhaltend agieren, so dass die privaten Konsumausgaben heuer stagnieren und erst 2025 wieder minimal zunehmen werden. Trotz der zuletzt kräftigen Lohnzuwächse regen die Unsicherheit hinsichtlich des wirtschaftlichen Umfelds und die steigende Arbeitslosigkeit zum Vorsichtssparen an. Für 2025 wird daher ein weiterer Anstieg der Sparquote auf 11,5% erwartet. Die Inflation dürfte im Gesamtjahr 2024 bei 3,1% liegen, für 2025 werden 2,2% prognostiziert.