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Brexit: Hamsterkäufe bei britischen Unternehmen – Angst vor „No-Deal“ wächst. Österreichische Exporteure zum Handeln aufgefordert!

Aktuelle ACREDIA Euler Hermes -Studie zum gegenwärtigen Szenario des bevorstehenden EU-Austritts Großbritanniens.

Ludwig Mertes, ACREDIA Vorstand: Das Vereinigte Königreich ist mit rund vier Milliarden Euro Exportvolumen unter den Top 10 der österreichischen Handelspartner. Besonders betroffen sind dabei die Sektoren Maschinenbau und die Automobilzulieferindustrie. Das Entscheidungsdatum, in welcher Form sich der Brexit ereignen wird, rückt immer näher und daher sind die Exporteure bereits jetzt gefordert, ihre Verträge im Hinblick auf einem etwaigen Brexit zu überprüfen und entsprechend anzupassen. Dies betrifft vor allem Zollbestimmungen und eine etwaige Ausstiegsklausel, falls sich die kommerziellen Bedingungen stark verändern“,

 

  • 70% Wahrscheinlichkeit einer Einigung in letzter Sekunde – ohne wirkliche Details, wie genau das Handelsabkommen aussehen wird
  • Anhaltende politische Diskussion verunsichert Unternehmen, kostet Profitabilität und Wirtschaftswachstum
  • Großbritannien zählt zu den zehn wichtigsten Handelspartnern Österreichs 
  • Zwei österreichische Sektoren – Automobilzulieferer und Maschinenbauer – besonders betroffen

Ein „Blind Date“ – das heißt, eine Einigung in letzter Sekunde zwischen Europäischer Union (EU) und Großbritannien, bei der vorher keiner wirklich weiß, wie sie genau aussehen wird – ist mit rund 70% weiterhin das wahrscheinlichste Szenario im „Brexit“ Scheidungsprozess. Allerdings steigt durch die anhaltenden Diskussionen auch die Wahrscheinlichkeit eines „No Deal“-Szenarios (25%), dass keine Einigung gefunden wird. Ein Verbleiben in der EU ist mit 5% hingegen nahezu unwahrscheinlich. Zu diesem Schluss kommt die aktuelle Studie des führenden Kreditversicherers ACREDIA Euler Hermes mit dem Titel „Brexit: A blind date better than a bad breakup.“

Ein harter Ausstieg hätte massive Auswirkungen auf die Wirtschaft. Größter Verlierer wäre Großbritannien selbst, aber auch Deutschland, die Niederlande, Frankreich und Belgien müssten bei ihren Exporten deutliche Einbußen hinnehmen.

Österreich: 4 Milliarden Euro Exportvolumen.
„Das Vereinigte Königreich ist mit rund vier Milliarden Euro Exportvolumen unter den Top 10 der österreichischen Handelspartner. Besonders betroffen sind dabei die Sektoren Maschinenbau und die Automobilzulieferindustrie. Das Entscheidungsdatum, in welcher Form sich der Brexit ereignen wird, rückt immer näher und daher sind die Exporteure bereits jetzt gefordert, ihre Verträge im Hinblick auf einem etwaigen Brexit zu überprüfen und entsprechend anzupassen. Dies betrifft vor allem Zollbestimmungen und eine etwaige Ausstiegsklausel, falls sich die kommerziellen Bedingungen stark verändern“, kommentiert Ludwig Mertes, ACREDIA Vorstand, die aktuellen Szenarien.

Anhaltende Diskussionen kosten bis zur Einigung jedes Quartal 0,1pp an Wirtschaftswachstum.

„Dass noch immer keine Einigung in Sicht ist, verunsichert Wirtschaft und Unternehmen“, so Mertes weiter. „In Kombination mit der sehr polarisierten politischen Landschaft in Großbritannien sind das keine guten Vorzeichen im Brexit-Scheidungsprozess. Selbst Neuwahlen vor März 2019 können wir aktuell nicht ausschließen, denn Mehrheitsverhältnisse sind denkbar knapp und die Debatten auf der Insel hitzig. Vermutlich wird es dazu nicht kommen, aber die Möglichkeit trägt dennoch erheblich zur allgemeinen Verunsicherung bei.“

Diese Unsicherheit dürfte nach Berechnungen der ACREDIA-Experten bis zu einer Einigung jedes Quartal bis zu 0,1 Prozentpunkte (pp) beim britischen Wirtschaftswachstum kosten. Insgesamt erhält das Wirtschaftswachstum also einen weiteren Dämpfer und die Volkswirte gehen beim britischen Bruttoinlandsprodukt (BIP) von nur noch von einem Zuwachs von 1,3% für 2018 und 1,2% für 2019 aus.

„Das britische Pfund gerät zunehmend unter Druck. Die Kaufkraft der Briten sowie der Konsum sind dadurch rückläufig. Am stärksten leiden jedoch die Unternehmen. Ihre Profitabilität und Gewinnmargen sind im Sog des Pfund dahingeschmolzen“, sagt Mertes. „Um ganze 2,5pp sind die Unternehmensmargen seit Anfang 2016 geschrumpft – und vorerst ist kein Ende abzusehen. Die Abwertung der Währung geht im Brexit-Karussell in den kommenden Monaten erst einmal weiter, und die Löhne steigen gleichzeitig an. Um die verbleibenden Margen zu sichern, werden sich britische Unternehmen wohl zunehmend nach lokalen Lieferanten umsehen.“

Das gilt insbesondere für Branchen, die stark vom Import abhängig sind: Automobil- und Chemiebranche, Maschinen- und Anlagenbau, Einzelhandel und Lebensmittelbranche. Vereinzelt dürften sich aber lokale Kapazitäten ergeben, da europäische Unternehmen ebenfalls vermehrt versuchen, britische gegen europäische Lieferanten auszutauschen.

Hamsterkäufe vor dem Sturm: Unternehmen horten Importware, um Lieferkette zu sichern.

„Wir sehen außerdem zunehmend Hamsterkäufe – wie nach einer Sturmwarnung“, sagt Ludwig Mertes. „Um mögliche Zölle, Verzögerungen oder gar Unterbrechungen der Lieferkette zu vermeiden, horten britische Unternehmen immer mehr Importwaren, die sie für ihre Produktion zwingend benötigen. Sie wollen vorbereitet sein. Zusätzliche Zollkontrollen und Staus wären für ihre Lieferkette ein Desaster. Diese Hamsterkäufe sollen zwar ihre Margen und Produktion zunächst absichern, sie bergen gleichzeitig aber auch bilanzielle Risiken – für die Unternehmen selbst und indirekt für ihre Lieferanten.“ 

Rosenkrieg: Britische Exporteure wären selbst die größten Verlierer bei „No Deal“

Ein „No-Deal“ Szenario ist im Zuge der aktuellen Unsicherheit ebenfalls deutlich wahrscheinlicher geworden. Lag die Wahrscheinlichkeit zuvor noch bei 5%, so liegt sie nun schon bei rund 25%. Das würde bedeuten, dass die Regeln der World Trade Organisation (WTO) greifen und etwa 4-5% Zölle auf beiden Seiten anfallen würden. Das britische Pfund würde in diesem Fall massiv abwerten und bis Ende 2019 auf voraussichtlich 0,88 Euro fallen. Exportverluste wären die Folge.

Deal in letzter Sekunde erwartet: Für Unternehmen ein  „Blind Date“ mit Überraschungen.

Mit einer Wahrscheinlichkeit von 70% ist aktuell der „Blind Brexit“ der aussichtsreichste Kandidat im Trennungskarussell. Nach Einschätzung von ACREDIA werden sich die EU und Großbritannien auf ein Handelsabkommen mit weiterhin engen Handelsbeziehungen einigen.

„Angesichts der anhaltenden Diskussionen auf beiden Seiten wird es aber vermutlich eine Einigung auf den letzten Drücker geben“, sagt Mertes. „Für Unternehmen ist das wie ein ‚Blind Date‘, denn sie wissen nicht, was auf sie zukommt. Das kann im Detail positive oder auch böse Überraschungen bereithalten. Dennoch ist es für sie immer noch besser als eine unschöne Trennung.“

Ein solcher „Last-Minute-Deal“ im Januar 2019 könnte den Weg ebnen für eine Übergangsphase bis Ende 2020, in der zunächst beim Handel mit Gütern und Dienstleistungen sowie den Grenzkontrollen alles beim Alten bleibt. Die Märkte würden sich mit einer Einigung merklich entspannen. Der Wechselkurs zwischen Britischem Pfund und Euro würde voraussichtlich wieder auf etwa 1,14 klettern nach einem erwarteten Tiefstand zwischen 1,06-1,09 bis zum Jahresende 2018 (das entspricht einer monatlichen Abwertung von rund 3%).

Norwegen ist der Weg: wahrscheinlichstes Szenario der Einigung

„Wir gehen von einem Abkommen aus, das dem zwischen der EU und Norwegen ähnelt“, so Ludwig Mertes. „Das hat Großbritannien zwar bisher abgelehnt. Allerdings würde es die Nordirlandfrage lösen, und die Konservativen könnten so ihre Mehrheit behaupten, die von den 10 Sitzen der nordirischen Democratic Unionist Party abhängt. Die Briten hätten weiterhin weitestgehend Zugang zum europäischen Binnenmarkt. Allerdings hätten sie dann umgekehrt keine Kontrolle über die Migration in der EU und müssten sich hier den europäischen Regeln beugen – ohne die Möglichkeit, Einfluss zu nehmen, denn Stimmrecht haben sie keines mehr. Zugeständnisse werden sie machen müssen. Norwegen ist der Weg, der vermutlich die geringsten Verluste mit sich bringt.“

Die gesamte Studie finden Sie unter:  www.eulerhermes.de.

Rückfragen & Kontakt:
Mag. Marion Koll, Pressesprecherin Acredia Versicherung AG
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