Grüne Talfahrt für die Nasse Logistik
Ein Rückblick. Die positive Erwartungshaltung durch die Grüne-Regierungsarbeit in der österreichischen Wasserstraßen Logistik, hat sich in Luft aufgelöst. Was zunächst wie ein warmer Regen wirken sollte, hat schlussendlich zur Wüstenbildung beigetragen. Übrig geblieben ist eine Treibholzgefahr. Vorweg, am fehlenden Geld liegt es nicht. Das neue „Beamtenschiff“ soll rund 30 Mio. Euro kosten.
OK, die Ausgangsposition für die grüne Verkehrs- und Transportpolitik war nicht besonders günstig. Eigentlich gründelt die Binnenschifffahrt schon seit 50 Jahren an und unter der Wahrnehmungsgrenze herum. Das hat viele, auch hausgemachte, Gründe. Letztlich war und ist immer die Politik für die Bedeutungslosigkeit der Binnenschifffahrt ausschlaggebend. Die Folgen dieser Politik sind mittlerweile überall in der Umwelt sichtbar.
Die Grünen in Österreich sind zwar angetreten, um genau diese Verwerfungen durch eine kluge Verkehrspolitik rückgängig zu machen. Gekommen ist es anders, ganz anders. Unter der grünen Verkehrs- und Transpolitik hat der Straßenverkehr noch um eine Dimension zugelegt und die Binnenschifffahrt hat weiter Anteile verloren. Die Neuzulassung von Lastkraftwagen verschiedener Klassen ist im letzten Jahr um bis 58 Prozent gestiegen! Und anstatt, dass sich die grüne Hoffnung der Transportverlagerung auf die Schiene erfüllt hätte, ist auch der Schienengüterverkehr stark zurückgegangen. Insgesamt um fast 9 Prozent von 2022 auf 2023.
Es ist nur ein schwacher Trost, dass es der Binnenschifffahrt in anderen Ländern nicht viel besser geht, als in Österreich – allerdings geht man dort von einem wesentlich höheren Niveau aus. Zuwächse gab es zuletzt in der Schweiz, obwohl dort die grüne Politik keine Rolle spielt und der Schienenverkehr traditionell stark ist. Deutliche Zuwächse in der Nassen Logistik gab es auch in den osteuropäischen Donaustaaten. Es hat zwar lange gedauert, bis der Markt nach dem Kriegsausbruch bemerkt hat, dass es außer LKW noch etwas gibt, aber jetzt ist die Donau der rettende Fluchtweg für die Versorgungssicherheit. Davon könnte die Schiffbauindustrie mit ihrer Zulieferindustrie profitieren. Tut sie aber nicht ausreichend. Nach Österreich kommen nicht nur ukrainische Kriegsflüchtlinge, sondern auch ukrainische Donauschiffe für Modernisierungsmaßnahmen. Man weiß die Qualitätsarbeit der einzig verbliebenen Schiffswerft in Linz zu schätzen. Global ist es in der Schiffbauindustrie aber so wie nahezu überall – China (und Korea) gibt den Ton an. Die europäische Schiffbauindustrie lebt derweil von öffentlichen Aufträgen. Das muss sich rasch ändern. Um den Inlandsbedarf nach hochwertigen Schiffen zu erhalten, fordert die Branche, dass in den nächsten 10 Jahren 10.000 Schiffe in Europa gebaut werden müssen. Um die dafür notwendigen Investitionen tätigen zu können, braucht es politische Rahmenbedingungen. Doch woher sollen die kommen?
Naturgemäß ist auch der Hafenumschlag in den österreichischen Donauhäfen eine Randerscheinung in der Logistik. Häfen sind mittlerweile zum Umschlagplatz für den Straßengüterverkehr geworden und über die Hafenkante geht noch das, was der LKW übriglässt. In der Branche wird deshalb auch gar nicht mehr so gerne der Begriff Hafen verwendet. Durchgesetzt hat sich mittlerweile die „trimodale Logistikdrehscheibe“.
Damit lässt sich auch die grüne Förderpolitik leichter übertölpeln. Da stört es die grünen Logistikexperten auch nicht, wenn Wasserflächen im Hafen großräumig „verlandet“ werden, um neue Flächen für China-Container zu schaffen, die nie und nimmer über die Hafenkante in Österreich verladen werden. Und natürlich bleibt so die wünschenswerte City-Logistik per Schiff weiterhin eine Vision. Es ist ein sichtbares Zeichen der grünen Umweltpolitik: Bodenfraß und betonieren ist verboten – zuerst verlanden und dann betonieren ist super. Umso bemerkenswerter ist anderseits der unbändige Wille in den ukrainischen Donauhäfen, dass trotz permanenter Beschussgefahr, alles unternommen wird, um den Hafenumschlag zu steigern. Selbst massive Infrastruktur Zerstörungen können die ukrainischen Hafenbetreiber nicht aufhalten. In den ersten vier Monaten des Jahres 2024 wurden in den ukrainischen Häfen mehr Güter umgeschlagen, als in Österreich das ganze Jahr.
Die österreichische Infrastrukturministerin, die gleichzeitig Umweltministerin, Verkehrsministerin und Energieministerin ist, gibt sich alle Mühe, mit schönen Bildern zu demonstrieren, dass sie auch Verantwortung für die Wasserstraßeninfrastruktur trägt. Dafür muss schon mal eine Stromtankstelle herhalten. Hauptsache die Medien haben etwas zu berichten. Doch der sichtbare „Erfolg“ ihrer Politik ist, dass bei den zunehmenden Überschwemmungsereignissen Straßen zu Wasserstraßen werden.
Dort fahren aber keine Frachtschiffe, sondern höchsten Schlauchboote der Feuerwehr. Wasserstraßen haben spezifische Vorteile gegenüber anderen Infrastruktureinrichtungen. Dazu gehört neben der Möglichkeit große Mengen zu transportieren auch, dass übergroße Schwertransporte leicht per Schiff transportiert werden können. Aber nur dann, wenn die Infrastruktur dafür vorhanden ist. Also Umschlagsanlagen, Zufahrten und vor allem, dass die produzierende Industrie möglichst nahe am Wasser angesiedelt ist. Infrastrukturpolitik ist also auch Industrie- und Raumordnungspolitik. Wenn Industriestandorte konsequent so geplant werden, dass sie mit ihren Produkten die Wasserstraße gar nicht erreichen können, dann braucht man keine Infrastrukturpolitik. Dann genügt es, wenn ein paar Motorboote und Ausflugschiffe die „europäische Wasserstraße Donau“ nutzen können.
In Österreich bestimmen nämlich Gemeindepolitiker mit ihren lokalen Interessen, wie die Verkehrs- und Transportlogistik in Österreich ablaufen muss. Würde es seitens der EU nicht die Forderung geben, dass die wichtigste Transportinfrastruktur den militärischen Anforderungen entsprechen muss (PESCO-Projekt Military Mobility), wir könnten die Donau auch gleich zuschütten.
„Herr Kästner, wo bleibt das Positive? Ja, weiß der Teufel, wo das bleibt.“ Österreich (und Deutschland) befindet sich auf dem Weg in eine neue Regierung. Diesmal wahrscheinlich ohne „Spinatpolitik“. Das erzeugt Hoffnung mit neuen Vorzeichen. In Deutschland ist die To-do-Liste an die neue Bundesregierung – wie immer die ausschauen mag, sehr lang.
Deutsche Logistiker wissen, wir stehen vor einer Zeitenwende. Kommt die Nasse Logistik nicht bald in Fahrt, wird es traurig enden. In Österreich muss man über die Nasse Logistik nicht lange reden. Auch für die neue Regierung wird die Devise lauten: „Alles auf Schiene“ – was der LKW übriglässt. (RED)
Quelle: LOGISTIK express Journal Transport & Logistik LE-5/2024 T&L