Auswirkungen des Brexits auf Irland

In der irischen Wirtschaft, insbesondere im Agrarsektor, geht seit zwei Jahren die Angst um. Es wird mit massiven Verwerfungen im Außenhandel gerechnet, ganz egal, ob es ein weicher oder harter Brexit wird.

Beitrag: Arne Mielken.

Es gibt wohl kein Land in der EU, welches wirtschaftlich so eng mit Großbritannien (GB) verflochten ist, wie die Republik Irland. 15 Prozent der irischen Ausfuhren gehen auf die Nachbarinsel. Der Anteil britischer Waren an der Einfuhr ist noch höher. So werden beispielsweise einzelne Warengruppen wie Brot/Getreideprodukte oder Mineralwässer/Softdrinks/Säfte zu Zweidrittel aus dem Vereinigten Königreich (VK) importiert.

Laut Schätzungen des irischen ESRI (Economic & Social Research Institute) kommen 38 Prozent der Milch, Käse und Eier aus GB. Bei Fleisch liegt der Anteil bei 24 Prozent, bei verarbeiteten Nahrungsmitteln bei 44 Prozent. Im Fall eines harten Brexits und WTO-Zöllen würden sich diese Importe massiv verteuern. Für Brot/Getreideprodukte liegen die WTO-Zölle bei 52 Prozent, für Milch, Käse und Eier bei 122 Prozent, bei Fleisch bei 100 Prozent und bei Getränken bei 40 Prozent etc.

Substitution ist angesagt.
Irische Unternehmen haben sich bei der Substitution britischer Lieferanten bis jetzt noch sehr zurückgehalten. Das AußenwirtschaftsCenter in Dublin erwartet aber spätestens ab Sommer verstärkte Aktivitäten. Auch im Transportwesen müssen neue Wege gesucht werden. Die Haupttransportrouten zwischen Irland und dem europäischen Kontinent führen über die britischen Inseln. Laut der Irish Road Haulage Association (IRHA) fahren rund 2.000 irische Transportunternehmen regelmäßig ins VK oder durchqueren die Insel auf dem Weg zum europäischen Festland. Das Transportgewerbe befürchtet, dass die Lkw im Falle der Einführung von strengen Grenzkontrollen von und nach GB mit erheblichen Wartezeiten und Kunden damit auch mit Transportverzögerungen rechnen müssen.
Als Alternative zum VK-Transit kommen nur direkte Fähren zwischen Irland und Frankreich, Belgien oder den Niederlanden in Betracht. Von der Küste bis Österreich ist es dann aber noch weit. Es ist auch fraglich, ob genug Kapazitäten zur Verfügung stehen, insbesondere in den Sommermonaten, wenn Touristen nach Irland strömen.

Anfang des Jahres haben sich einige irische Parlamentarier studienhalber die Grenzabfertigung am Dreiländereck Deutschland/Frankreich/Schweiz angeschaut, wo sich freitags und montags respektive vor/nach Feiertagen die Lkw regelmäßig kilometerweit stauen. Der Eindruck war ernüchternd. Eine innerirische Grenze ohne sichtbare Kontrollen nach dem Brexit ist wohl eine Illusion.

Traditionsreicher Handel Deutschland-Irland.
Irland verdankt seinen Wohlstand in den letzten Jahrzehnten vor allem Tochterfirmen multinationaler Konzerne, die durch eine niedrige Körperschaftssteuer angelockt wurden/werden. Die Industrie, insbesondere in den Segmenten Pharma, Medtech und Biotech, Nahrungsmittel und Getränke, produziert vor allem für den Weltmarkt. Irland verfügt nur über wenige Rohstoffe. Das Image einer naturnahen Landwirtschaft macht Lebensmittel aber zum Exportschlager.

Der irische Markt mit nur 4,8 Mio. Einwohner, davon 1,8 Mio. im Großraum Dublin, ist relativ klein. Das irische BIP pro Kopf liegt aber weit über dem EU-Schnitt. Irische Händler/Abnehmer suchen meist einen direkten Kontakt zu Lieferanten. Es ist jedoch eine Marktbearbeitung durch einen lokalen Vertreter/Importeur, der vor Ort den Vertrieb, die laufende Betreuung der Kunden, ggfs. eine technische Beratung und Wartung übernimmt, zu empfehlen. Häufig wird von irischen Vertretungen auch der nordirische Markt mit betreut, was nach dem Brexit schwierig werden könnte. In manchen, wenig beratungsintensiven Wirtschaftszweigen ist auch ein Direktvertrieb in Irland möglich. So importieren manche Supermarktketten direkt.

Einige deutsche Unternehmen lassen Irland durch Vertriebspartner im VK bearbeiten. Dies funktioniert nicht immer zufriedenstellend. Bei vielen irischen Firmen bestehen Vorbehalte, dass sie so mehr bezahlen oder die britischen Zwischenhändler sie vernachlässigen könnten. Ein Vertrieb über einen GB Partner kann jedoch sehr erfolgreich sein, wenn dieser über eine eigene Vertriebsorganisation in Irland verfügt. Nach dem Brexit wird man hier wohl neue Lösungen suchen müssen.

Das Internet ist in Irland im internationalen Vergleich sehr verbreitet und wird auch für Geschäftszwecke stark genutzt. 88 Prozent der irischen Konsumenten recherchieren vor Kaufentscheidungen im Internet (EU-Durchschnitt: 79 Prozent) und 32 Prozent der irischen KMU sind schon im Onlinehandel aktiv (EU: 26 Prozent).

Einfache Importbestimmungen.
Irland ist seit 1973 Mitglied der EU und ist Teil des Euro-Zone. Seit Vollendung des Europäischen Binnenmarkts 1993 entfällt im innergemeinschaftlichen Warenverkehr die Aus- und Einfuhrabfertigung durch die nationalen Zollverwaltungen. Für Waren aus Nicht-EU-Ländern kommen die Zollsätze gemäß dem gemeinschaftlichen Zolltarif der EU zur Anwendung. Neben der Mehrwertsteuer werden Verbrauchssteuern (Excise Duties) auf alkoholische Getränke, Tabakwaren, Kraftfahrzeuge und Mineralölprodukte erhoben. Diese sind relativ hoch.

In Irland gilt – wie auch in GB – Common Law und Case Law. Bei Vertragsabschlüssen ist es daher empfehlenswert, einen Rechtsanwalt einzuschalten. Die Durchsetzung von Rechtsansprüchen ist zeitraubend und kostspielig und gestaltet sich meist schwierig, da das Verfahrensrecht oft den Beklagten begünstigt. Zu beachten ist außerdem, dass die obsiegende Partei grundsätzlich nur den Ersatz der Verfahrenskosten zugesprochen bekommt, d.h. jener Kosten, die für die Führung des Prozesses unvermeidlich waren. Die reinen Beratungsgebühren sind grundsätzlich von jeder Partei selbst zu tragen.

Fazit: Der Brexit bietet Außenhandelsunternehmen in Österreich und Deutschland gute Chancen, englische Lieferanten oder Abnehmer im kleinen, aber feinen irischen Markt zu ersetzen. Allerdings schmälern lange und teure Transportwege den Erlös. Im Handel mit Irland gelten die Regeln und Gesetze des innergemeinschaftlichen Handels. Da Irland auch Teil der Euro-Zone ist wird in Euro fakturiert. (AM)

Quelle: Zeitschrift LOGISTIK express Ausgabe 3/2019

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