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Brauchen Unternehmen heut-zutage eine interne IT-Abteilung?

Früher hatten Unternehmensleiter schwerpunktmäßig mit wirtschaftlich relevanten Dingen zu tun – mit Märkten, Mitarbeitern, Kunden, Finanzen etc. Nachdem Computerisierung und Automatisierung seit etlichen Jahren in die Unternehmen Einzug gehalten haben, sieht sich jeder, der die Geschicke eines Unternehmens zu leiten hat, mit Fragen konfrontiert, die einen starken technischen Bezug haben. Autor: Michael Ghezzo, Confare

Um der steigenden Bedeutung von IT für den Unternehmenserfolg gerecht zu werden, wurde in den 90er Jahren die Rolle des Chief Information Officers geschaffen. Er sollte die IT zu einem Wettbewerbsvorteil für das Unternehmen machen und dem Business-Management als Partner in allen IT-relevanten Entscheidungsprozessen zur Verfügung stehen. Die Forscher des Massachusetts Institute of Technology, MIT, prophezeiten dem CIO eine bedeutende Rolle in der Unternehmensführung. Obwohl das Rollenbild des CIO kein neues ist, wurde nur in wenigen Unternehmen die ursprüngliche Zielsetzung umgesetzt. In einer breiten von Ernst & Young durchgeführten Studie zur »DNA of the CIO« gaben nur 43 % der befragten CIOs an, maßgeblich am Gestalten strategischer Unternehmensentscheidungen mitzuwirken, und gerade 17 % haben es zum Teil der Geschäftsführung geschafft.

Missverständnisse auf Tagesordnung
»Die IT-Branche hat in den letzten Jahren immer das Blaue vom Himmel versprochen und dies leider selten eingehalten. ERP-Systeme sollten alles vereinfachen, doch leider wurde es meistens verabsäumt, zuerst Prozessoptimierungen umzusetzen. Systeme werden noch immer mit Hilfe von hübschen Dashboards und Lämpchen verkauft, und der CEO erwartet am kommenden Montag schon seinen schönen Bildschirm«, erklärt Eric-Jan Kaak, der beim heimischen Vorzeigeunternehmen Blizzard die Bereiche IT und Controlling verantwortet. »Der CIO hat dabei schön mitgespielt und die Erwartungen hoch gehalten. Bis die IT jedoch ein mehr oder weniger brauchbares Ergebnis vorweisen kann, ist aber in Wahrheit ein langwieriges Projekt notwendig, das dann meistens höhere Kosten verursacht als erwartet.«

»Die IT ist keine Spaßbremse, sondern Teil der gesamten Prozessgestaltung«, Eric-Jan Kaak, Bereichsleiter IT & Controlling bei Blizzard.

Kein Wunder also, dass sich die Unternehmensführung oftmals mehr von der IT erwartet, als diese zu liefern im Stande ist. Die Enttäuschung beruht auf Gegenseitigkeit. So sagen in der Befragung von Ernst & Young 4 von 10 IT-Managern, dass sie nicht den notwendigen Rückhalt von Seite der Unternehmensführung des CEO haben.

»IT Departments have become completely useless«, Peter Hinssen, Co-Gründer der Across Group und Lektor an der London Business School.

Der CIO hat sich mehr als »Top Dog of the Nerd Herd and Boss of all things Bits and Bytes« positioniert, als wirklich strategischen Einfluss zu erlangen, schreibt Peter Hinssen von der London Business School in seinem Artikel »IT Departments Have Become Completely Useless«. Er beschreibt eine IT-Abteilung, die mehr gegen als für das Business arbeitet. Dementsprechend wird der CIO oft nur dann in strategische Überlegungen miteinbezogen, wenn es um IT-Budgets oder die Rolle der IT in Change-Prozessen geht, bestätigen die Studienergebnisse von Ernst & Young.

Neue Schatten-IT?
Die Spannungen nehmen zu, denn das Verständnis von EDV ist nicht mehr allein in der Hand von Experten. Neue Endgeräte, Apps, Cloud Computing und Social Networking halten Einzug in Unternehmen. Bevor der Marketingleiter den CIO von einem teuren, langwierigen und oft nicht erfolgreichen CRM-Projekt überzeugt, ist ein entsprechendes Cloud-Service schnell bestellt und installiert. Jeder Abteilungsleiter kann sich seine eigene IT-Unterstützung einkaufen.

Während man in den letzten Jahren die »Industrialisierung« der IT propagiert hat, hält nun die »Consumerization« in den Unternehmen Einzug. »Bring Your Own Device« heißt der Trend, dass Anwender ihre privaten Endgeräte dienstlich nutzen. Auch Anwendungen aus dem privaten Umfeld, wie Skype oder Facebook, wollen moderne Arbeitnehmer auf dem Arbeitsplatz nutzen. Das Verständnis ist gering, wenn dies von der IT aus Gründen wie Compliance oder IT-Sicherheit abgedreht wird.

Innovator statt Verhinderer
Klaus Glatz ist CIO der Andritz AG, verantwortet die internationalen IT-Belange des bedeutenden Industriekonzerns und möchte nicht als Verhinderer gesehen werden: »Mit dem Einsatz neuer Technologien werden auch neue Modelle ermöglicht, die man aber entsprechend steuern und managen muss. Die IT ist gefordert, den neuen Trends auch offen zu begegnen.«

»Die IT ist gefordert, den neuen Trends offen zu begegnen«, Klaus Glatz, CIO der Andritz AG.

Sich hinter Tech-Talk, Fachsimpeln und Abwehrargumenten zu verstecken wird nicht der richtige Weg für den CIO sein, sich vor diesem Trend zu schützen. So sehen auch in der E&Y Studie 37 % der befragten IT-Manager Verbesserungsbedarf, wenn es um Kommunikations- und Führungsfähigkeiten geht. »Über den Tellerrand zu blicken, wird eine wichtige Fähigkeit des CIOs sein«, erklärt Ali Aram, Senior Manager IT-Advisory bei Ernst & Young. »Wer sich nur mit dem günstigen und sicheren IT-Betrieb befasst, braucht sich nicht zu wundern, wenn er nicht in strategische Überlegungen einbezogen wird.«

»Notwendig, dass eine merkbare Verschiebung hin zur Innovation passiert«, Johann Mittheisz, CIO der Stadt Wien.

Johann Mittheisz, CIO der Stadt Wien, hat mehr als 40 Jahre IT-Erfahrung. Er ist es gewohnt, sich den strategischen Anforderungen der Fachabteilungen proaktiv zu stellen. Als »alter Hase« spürt er die Herausforderungen, die von den Themen Mobility, Cloud, Big Data und Soziale Technologien ausgehen. Der CIO dürfe diese jedoch nicht als Bedrohung empfinden. Es gelte, sie in eine Gesamtstrategie sinnvoll zu integrieren und nutzbar zu machen, ohne dass Security und Stabilität leiden. »Dafür ist es notwendig, dass von der derzeitigen 80:20 Regel – 80 % Betrieb, 20 % Innovation – eine merkbare Verschiebung zur Innovation hin passiert«, fordert Mittheisz.

Gemeinsam Prozesse verbessern
Die Innovation kann durch neue Technologien und Geschäftsmodelle, die daraus möglich werden, passieren oder durch das Optimieren der Unternehmensprozesse. Eric-Jan Kaak von Blizzard hat gute Erfahrungen mit multidisziplinären Teams gemacht, welche die gesamte Wertschöpfungskette betrachten und verbessern. »Die IT ist hier genauso mit an Bord, aber keine Spaßbremse, sondern Teil der gesamten Prozessgestaltung, einer Prozessgestaltung, die sich der Kernprobleme annimmt und nicht an der Oberfläche kratzt, als kontinuierliche Maßnahme und nicht als Projekt.«

CIO als Unternehmer
Die Spar AG ist eines der bedeutendsten Lebensmittelhandelsunternehmen in Österreich, mit 75.000 Beschäftigten und 12,5 Milliarden Euro Jahresumsatz beträgt alleine das Projektbudget der IT 25 Millionen Euro. IT-Chef Andreas Kranabitl fürchtet nicht um seinen Handlungsspielraum. »Eine Unternehmens-IT besteht aus viel mehr als Microsoft Office, Smartphones, Notebooks und Clouds. Ich gehe davon aus, dass diese Themen zirka 20 Prozent meiner Agenda ausmachen.«

»CIO muss ein Unternehmer sein, der sich mit IT, Geschäftsprozessen und Menschen auskennt«, Andreas Kranabitl, CIO der Spar AG.

Diese wird viel mehr von Innovationsthemen dominiert, wie In-Memory, Mobile Applications, E-Commerce, Predictive Solutions und vielem mehr. »Im Mittelpunkt stehen Business Solutions und Projekte.« Die IT ist nicht mehr ein exotisches Durcheinander von Freaks und Gurus. IT ist eine professionelle Organisation, die die notwendigen Lösungen und Services liefert. Gerade wird der Business-Plan der IT 2013 – 2015 erstellt, und es sieht nicht danach aus, als würde Kranabitl und seiner Mannschaft dabei langweilig: »Wir haben einiges vor, das auch die IT fordern und wachsen lassen wird. Der CIO muss ein Unternehmer sein, der sich mit IT, Geschäftsprozessen und Menschen auskennt.«

Chancen aktiv nutzen
Und so kommen auch die Analysten von Ernst & Young zu dem Schluss, dass der CIO aktiv die Chance nutzen soll, sich im Zusammenhang mit Mobility, Cloud und Social Media als Berater für die Fachabteilungen zu bewähren und aufzuzeigen, wie sich auf der Basis von Technologie neue Business-Chancen auftun. Er hat das entscheidende Know-how, um sicher zu stellen, dass den rechtlichen Rahmenbedingungen und Sicherheitsanforderungen Rechnung getragen wird, ohne sich dabei als »Verhinderer« zu disqualifizieren. Dazu benötigt er Business-Verständnis und Kommunikationsfähigkeit. So ist er als gleichberechtigter und wichtiger Mitentscheider in den strategischen Gremien geschätzt und wird zum entscheidenden Wettbewerbsvorteil für sein Unternehmen. (MG)

Quelle: LOGISTIK express Fachzeitschrift 2/2013

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