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Energiewende: Internationales Wiener Motorensymposium 2022

Bis 2050 will die EU CO2-neutral sein. Bis 2030, also in acht Jahren, sollen im Zuge des Green Deals der EU laut eines Entwurfs die Netto-Treibhausgasemissionen um 55 Prozent gegenüber 1990 reduziert werden. Doch viele Experten auf dem Internationalen Wiener Motorensymposium bezweifelten, dass die Elektrifizierung des Fahrzeugantriebs schnell genug erfolgen wird, um zumindest in die Nähe der Klimaziele zu kommen.

Energiewende: Die Zeit drängt.
Die Zweifel werden vor allem dadurch begründet, dass 2030 in der EU weiterhin rund 75 Prozent der 350 Millionen Pkw fossile Kraftstoffe tanken werden. Für den Straßenschwerverkehr, die Schifffahrt sowie den Flugverkehr gilt der batterieelektrische Antrieb ohnehin als nur bedingt anwendbar. Selbst in Österreich, wo laut Mobilitätsmasterplan der Bundesregierung ab 2030 nur mehr emissionsfreie Pkw neu zugelassen werden dürfen, wird zu diesem Zeitpunkt ein Großteil der Bestandsfahrzeuge nach wie vor Benzin oder Diesel tanken und somit weiter viel CO2 ausstoßen.

Doch das müsste nicht sein, wie etwa Mats Hultman von Neste, dem weltweit größten Hersteller von erneuerbarem Dieselkraftstoff und nachhaltigem Kerosin, auf dem Symposium zeigte. Neste erzeugt seit Jahren großindustriell „Biodiesel“ etwa aus Altölen, mit dem der CO2-Ausstoß des Fahrzeugs um bis zu 90 Prozent gesenkt wird und damit das Niveau eines Elektroautos auf Basis des EU-Strommixes erreicht – wenn die Energieerzeugung mitberücksichtigt wird. Dieser Kraftstoff (hydriertes Pflanzenöl) kann dem fossilen Diesel beigemengt werden oder ihn vollständig ersetzen – ohne dass eine neue Tankinfrastruktur oder neue Motoren nötig wären wie beim Umstieg auf eine batterieelektrische oder Wasserstoff-Mobilität, die Jahrzehnte dauert und große Investitionen in die Infrastruktur voraussetzt. Wie viele seiner Kollegen auf dem Motorensymposium sieht Hultman in diesen erneuerbaren Kraftstoffen keinen Ersatz für den batterieelektrischen Antrieb, sondern eine Ergänzung. Momentan arbeitet Neste mit Hochdruck an der Entwicklung von regenerativem Benzin, das ebenfalls den CO2-Ausstoß eines herkömmlichen Benzinfahrzeugs um bis zu 90 Prozent reduzieren soll.

Doch ob dieser Lösungsansatz in der EU eine Chance hat, ist ungewiss. Denn die EU-Gesetzgebung konzentriert sich bei den Emissionen nur auf die Abgase aus dem Auspuff, die Energieerzeugung wird ausgeklammert. Damit gilt Strom immer als emissionsfrei, auch wenn er mit Kohle erzeugt wird und ein Elektroauto mit Kohlestrom unterm Strich mehr CO2 erzeugt als ein Diesel-Pkw. Sollte zudem die für die kommenden Jahre geplante neue Abgasnorm Euro 7 sowie weitere Richtlinien im Zuge des Green Deal den Verbrennungsmotor praktisch unmöglich machen, werden laut Hultman einige der besten Lösungen in der EU verhindert. Dabei sei die Energiequelle für das Klima entscheidend und nicht der Antrieb, für den sie verwendet wird. Die Klimaziele seien nur mit einer Kombination aller verfügbaren Lösungen in der nötigen Schnelligkeit erreichbar und dazu zählen neben Strom auch Wasserstoff, Biogas, erneuerbare sowie synthetische Kraftstoffe, die so genannten E-Fuels.

Diese können, wie erneuerbare Treibstoffe ebenfalls im Verbrennungsmotor eingesetzt werden – entweder als Beimengung zum fossilen Kraftstoff oder als Ersatz. Auch E-Fuels können ein Fahrzeug praktisch emissionsfrei fahren lassen – wenn die Energieerzeugung mitberücksichtigt wird. Die einfachste Form von E-Fuels ist grüner Wasserstoff, der mit Ökostrom aus Wasser via Elektrolyse erzeugt wird. Er lässt sich durch die Beigabe von Kohlenstoff aus CO2, das entweder aus der Luft oder aus Industrieabgasen abgespalten wird, zu flüssigen Kraftstoffen wie E-Methanol, E-Benzin, E-Diesel oder auch E-Kerosin weiterverarbeiten. CO2-Abspaltung und Wiederverwertung sind unerlässlich, um den nötigen klimaneutralen Kohlenstoffkreislauf zu schaffen, betonte Robert Schlögl vom Max-Planck-Institut für Chemische Energiekonversion in Mühlheim an der Ruhr.

E-Fuels haben jedoch eine schlechtere Energiebilanz als Ökostrom, der direkt ein batterieelektrisches Auto antreibt. Schlögl sieht in dem höheren Energieaufwand für die Herstellung von E-Fuels kein Problem: „Werden nur 0,5 Prozent der Landoberfläche mit PV-Anlagen bedeckt, ist das Problem erledigt.“ Schlögl spricht bei E-Fuels von chemischen Batterien, die ähnlich funktionierten wie die Fotosynthese in der Natur. Damit „kann man den Sonnenschein in den Autotank füllen.“ Viele Experten lehnen den schlechteren Wirkungsgrad als Ausschließungsgrund für E-Fuels deshalb ab und fordern eine gesamtheitliche Betrachtung. Was die Kosten vor Steuern betrifft, wären mit heutigen Fahrzeugtechnologien E-Fuels die billigste Art, 2050 CO2-frei zu fahren, verwies Ulrich Kramer von Ford auf die umfassende Kraftstoffstudie 4 der deutschen Forschungsvereinigung Verbrennungskraftmaschinen e. V. (FVV).

E-Fuels eignen sich etwa hervorragend als Speicher und somit zum Transport von Ökostrom in großen Mengen und über weite Strecken. Anders als Batterien verlieren sie auch über eine lange Speicherdauer keine Energie, sagte Martin Härtl von der Technischen Universität München. Diese Vorteile sind umso wichtiger, als die EU laut Schlögl auch künftig einen Großteil ihrer Energie aus fernen Weltregionen wird importieren müssen. Anders als Erdöl oder Erdgas lässt sich Ökostrom jedoch nicht in Schiffen oder Pipelines transportieren. Laut Jürgen Rechberger von der AVL in Graz sind Ökostromspeicher wie Wasserstoff und E-Fuels auch „zum Schließen von Versorgungslücken im erneuerbaren Stromnetz“ nötig, bei uns etwa im Winter, wenn die Sonne selten scheint. Die AVL arbeitet seit Jahren intensiv an der Entwicklung effizienter Elektrolyseure für die Wasserstofferzeugung. In Graz entsteht derzeit eine AVL-Pilotanlage für die Herstellung von E-Fuels.

Porsche dagegen errichtet mit Partnern gerade in Chile eine Pilotanlage für E-Fuels. Laut Karl Dums soll sie 2022 in Betrieb gehen, die Serienproduktion ist für 2025 vorgesehen. Die geplante Produktionsmenge pro Jahr beträgt 55 Millionen Liter E-Benzin, zwei Jahre später soll diese Menge verzehnfacht werden. Porsche will dort E-Methanol, E-Benzin und später auch E-Kerosin erzeugen.

Für Dums und Hinrich Helms vom Forschungsinstitut Ifeu in Heidelberg macht die E-Fuel-Produktion nur dort Sinn, wo Ökostrom im Überfluss zur Verfügung steht, wie eben in Chile oder in Nordafrika, nicht aber in Europa, solange hier mit fossiler Energie Strom erzeugt wird. In Regionen wie Chile gehen Experten von rund einem Euro an Herstellkosten pro Kilo grünem Wasserstoff als Basis-E-Fuel aus. In Zentraleuropa werden heute die Herstellkosten pro Kilo dagegen auf rund vier Euro geschätzt – abhängig vom lokalen Strompreis.

Viele Experten bezweifeln aber ohnehin, dass E-Fuels ausreichend schnell in ausreichender Menge zur Verfügung stehen, um auch im Pkw-Bereich einen größeren Beitrag zur Energiewende leisten zu können. Sie würden eher in der Luft- und Schifffahrt benötigt. Für Helms von Ifeu werden auch schlichtweg die nötigen Mengen unterschätzt. Zudem zögern große Investoren, die für die Erzeugung von E-Fuels nötigen Milliarden auszugeben, solange die EU-Gesetzgeber sie nicht als Beitrag zur Klimawende anerkennen. Für Karsten Wilbrand von Shell fehlt es den EU-Gesetzgebern an „Technologieoffenheit“. Diese gilt aber als unerlässlich, um die angestrebte Energiewende in der Mobilität schnell genug umzusetzen, um zumindest in die Nähe der festgelegten Klimaziele zu gelangen.

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