Retourenbetrug – Fünf Maßnahmen zur Bekämpfung falscher Reklamationen
Retourenbetrug stellt eine Bedrohung für den Einzelhandel, besonders im E-Commerce, dar. Mit zunehmender Beliebtheit des Online- Shoppings nimmt auch der Rückgabebetrug zu und verursacht beim Einzelhandel erhebliche finanzielle Schäden.
Laut dem European Return-o-Meter (EUROM)1, eine Erhebung der Forschungsgruppe Retourenmanagement der Universität Bamberg, liegt die durchschnittliche Rücksendungsquote im E-Commerce bei etwa 24,2 Prozent. Im Jahr 2021 beliefen sich die Gesamtkosten für Retouren im deutschen E-Commerce auf rund 530 Millionen Euro, Tendenz steigend. Geht man in einem Zahlenspiel davon aus, dass es sich bei ca. 5 Prozent aller Rücksendungen um betrügerische Retouren handelt, würde ein Schaden von ca. 26,5 Millionen Euro pro Jahr entstehen. Retourenbetrug ist also nicht nur ein Randproblem, sondern eine ernsthafte Bedrohung für die wirtschaftliche Stabilität von Online-Händlern.
Eine gängige Form des Retourenbetrugs ist die „Artikel nicht erhalten“-Methode. Dabei behaupten Kunden, dass ihre Bestellung nicht angekommen ist, obwohl sie tatsächlich zugestellt wurde. Infolgedessen fordern sie eine Rückerstattung oder einen Ersatz. Gerne genommen ist auch das sogenannte Tauschspiel, bei dem Käufer den Artikel austauschen und eine minderwertigere Rücksendung als Original deklarieren. Des Weiteren gibt es Fälle, in denen Kunden absichtlich Produkte beschädigen und sie dann zurücksenden, während sie behaupten, der Schaden sei bereits bei der Lieferung entstanden.
Eine weitere betrügerische Praxis ist die Mehrfachrückerstattung, bei der Kunden, nachdem sie eine Rückerstattung für einen angeblich nicht erhaltenen Artikel erhalten haben, ihre Kreditkartenunternehmen kontaktieren, um eine zweite Erstattung zu erlangen. Da die Zahl der Online-Verkäufe weltweit steigt und mit Aktionstagen wie dem Black Friday und der Weihnachtszeit die Hauptsaison für den Handel vor der Tür steht, ist zu erwarten, dass die Rücksendewelle noch an Intensität zunehmen wird. Die folgenden fünf Strategien können wirkungsvoll dazu beitragen, Retourenbetrug im Einzelhandel erfolgreich zu reduzieren:
- In Echtzeit-Bestandsmanagement investieren: Betrügerische Rücksendungen wirken sich auch negativ auf die Genauigkeit von Bestandsdaten aus. Oft werden Artikel in einem schlechten Zustand oder überhaupt nicht zurückgegeben, was zu Ungenauigkeiten im Lagerbestand führt und die Fähigkeit der Einzelhändler beeinträchtigt, ihre Kunden zu bedienen. Denn Bestandsabweichungen können sowohl zu Fehlbeständen als auch zu überhöhten Beständen führen, was in beiden Fällen mit erheblichen Kosten verbunden ist. Eine Echtzeit-Bestandsverwaltung zeichnet sich unter anderem durch die kontinuierliche Bereitstellung aktueller Daten zu Rücksendungen aus. Durch die umfassende Überwachung sämtlicher Retouren in jeder Phase des Rücklogistikprozesses können Einzelhändler gewährleisten, dass nur verkaufsfähige Artikel wieder in den Bestand aufgenommen werden. So kann ein effizientes Bestandsmanagement helfen, die finanziellen Verluste durch betrügerische Rücksendungen zu verringern.
- Rückgabegebühren einführen: Immer mehr Online-Händler – insbesondere im Fashion-Bereich haben damit begonnen, Rückgabegebühren zu erheben. Aktuelle Daten von Shippit2 und Fluent Commerce zeigen, dass dabei die Marke keine Rolle spielt. Boten noch vor sechs Jahren fast die Hälfte aller Einzelhändler kostenlose Rücksendungen an, sind es mittlerweile weniger als 20 Prozent. Es ist anzunehmen, dass diese Zahl weiter sinkt.
Rückgabegebühren bieten Einzelhändlern die Möglichkeit, sowohl gelegentliche als auch betrügerische Rücksendungen effektiv zu minimieren. Es ist jedoch ratsam, diese Maßnahme mit Sorgfalt zu behandeln, um die Zufriedenheit von Premiumkunden nicht zu gefährden. Durch ein gezieltes Retouren-Konzept lässt sich die Rücksendungsquote signifikant senken und gleichzeitig die Belastung der Rückwärtslogistik sowie der gesamten Lieferkette reduzieren. Eine andere Möglichkeit ist, Kunden in zwei Kategorien einzuteilen: Verifizierte Kunden mit niedriger Rückgabequote, die weiterhin kostenlose Rücksendungen erhalten, und Neukunden oder Kunden mit höherer Rücksendequote und eingeschränkten Rechten. In diesem Fall haben Kunden die Option, Artikel gegen eine Gebühr zurückzugeben. So schützen Einzelhändler ihre loyalen Kunden und schrecken gleichzeitig diejenigen ab, die Rücksendungen missbrauchen.
- Rücknahmelogistik stärken:
Eine einfachere Rückgabe von Artikeln kann Einzelhändlern helfen, die Unzufriedenheit ihrer
Kunden mit Rücksendekosten zu reduzieren. Durch die Rückgabemöglichkeit im Geschäft beispielsweise, kann das Verkaufspersonal die Artikel sofort prüfen und wieder dem Bestand zuführen, anstatt sie ins Lager zurückzuschicken. Viele Kunden, die gekaufte Ware im Laden zurückgeben, tauschen um und kaufen etwas anderes, anstatt nur zurückzugeben. Außerdem ist es viel schwieriger und die Hürde größer, einen „betrügerischen“ Artikel im Laden zurückzu
geben als ihn einfach per Post zu schicken. - Strengere Kontrollverfahren einführen: Strengere Kontrollverfahren am Rückgabeort tragen ebenfalls dazu bei, betrügerische Retouren zu verringern. Einzelhändler haben die Möglichkeit, den Lebenszyklus ihrer Produkte durch den Einsatz modernster Technologien wie KI-gestützter Analysen und Blockchain-Technologie präzise zu verfolgen. Diese innovativen Ansätze ermöglichen es, sicherzustellen, dass zurückgegebene Artikel tatsächlich dem ursprünglichen Kauf entsprechen. Indem sie Unregelmäßigkeiten in den Rückgabemustern identifizieren, sind diese Systeme in der Lage, potenzielle Betrugsversuche frühzeitig zu erkennen. Das reduziert die Anzahl der betrügerischen Rücksendungen im Rückgabeprozess erheblich.
- Spezialisierte Logistikpartner wählen: Um den Retourenbetrug einzudämmen, nutzen
viele Einzelhändler die Möglichkeit der Zusammenarbeit mit externen Logistikanbietern. Anbieter, die auf Rücknahmelogistik spezialisiert sind, sollten über die Infrastruktur verfügen, um Rücksendungen effizient zu bearbeiten und betriebliche Störungen durch Betrug zu minimieren.
Zudem bieten sie Einblicke in Retourentrends. Durch ihre strategische Beratung können Einzelhändler Prozesse verfeinern und die Auswirkungen auf die Lieferkette nachhaltig minimieren.
Die Folgen von Retourenbetrug wirken sich nicht nur negativ auf die finanziellen Ressourcen der Unternehmen aus, sondern tragen auch häufig zur Erhöhung der Warenpreise bei. Während Unternehmen bestrebt sind, ihren Kunden hervorragenden Service zu bieten, ergeben sich aus dieser kundenorientierten Strategie manchmal unerwünschte Schlupflöcher, die Betrügern zugutekommen. Die Herausforderung besteht also darin, wirkungsvolle Strategien zur Erkennung und Verhinderung von Retourenbetrug zu entwickeln, ohne dabei die Zufriedenheit der ehrlichen Kunden zu beeinträchtigen. Leider gibt es kein einfaches Rezept, um Rückgabebetrug zu verhindern. Einzelhändler können jedoch die Wahrscheinlichkeit von Missbrauch verringern, indem sie eine Kombination der genannten Maßnahmen anwenden und ihren Kunden klar erklären, welche Rückgaberichtlinien gelten und welche Kosten damit verbunden sind. (RED)
Quelle: LOGISTIK express Journal Handel & DIstanzhandel (H&D) LE-5-2024