Bahnen wollen expandieren

Auf dem österreichischen Bahnnetz tummeln sich derzeit 22 Eisenbahnverkehrsunternehmen. Die Chancen für weitere Expansionen stehen nicht schlecht, wie eine Umfrage unter ihnen zeigt.  Redaktion: Logistik express

Unter den österreichischen Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) ist die Stimmung durchwegs gut. 22 Bahngesellschaften sind derzeit im Gütergeschäft auf dem staatlichen Bahnnetz unterwegs und beklagen sich nicht über die geschäftliche Entwicklung, auch wenn der Konkurrenzkampf ausgeprägt ist. Das mit Abstand größte und wohl auch älteste EVU auf dem Markt sind die Österreichischen Bundesbahnen mit ihrem Cargo-Konzern Rail Cargo Group (RCG) und deren Töchtern und Beteiligungen in ganz Europa. 2010 noch wirtschaftlich schwer angeschlagen, „sind wir mit dem eingeschlagenen Sanierungsweg – trotz europaweit schwierigem Marktumfeld – sehr zufrieden und haben in vielen Bereichen signifikante Ergebnisverbesserungen erreicht“, verlautet seitens RCG.

Auf dem Weg aus der Krise haben die ÖBB im Güterverkehr ihr Beteiligungsengagement spürbar reduziert, bei der Produktion die Schrauben angezogen, und derzeit wird gerade das seit Jahren defizitäre Stückgutgeschäft organisatorisch neu auf Schiene gebracht. Auch hier gilt: „Wir sind sehr zufrieden mit der Entwicklung der Sanierungsmaßnahmen.“

Das mit viel Elan aufgezäumte Turnaround-Programm scheint zu greifen, in der Bilanz 2012 weisen die ÖBB für den Teilkonzern RCA einen Umsatz von 2,3 Mrd. Euro und einen Gewinn von 29 Mio. Euro (EBT) aus. Im Jahr zuvor wurde noch ein Verlust von 49 Mio. Euro geschrieben. Das Sanierungsprogramm läuft weiter und brachte bislang beispielsweise eine bessere Auslastung der Züge, gleichzeitig sank die Zahl der Zugkilometer um beinahe fünf Prozent. RCA hat sich von unrentablen Standorten getrennt und die Preise teilweise erhöht, auch wenn das den Kunden nicht geschmeckt hat. „Das flächendeckende Produktionssystem ermöglicht uns, auch bei kleinen Volumina auf die Umweltschiene zu verlagern, vorausgesetzt, die Verkehre sind betriebswirtschaftlich darstellbar“, betont ÖBB-Holding-Sprecherin Sonja Horner.

Die ÖBB fahren derzeit ein radikales Umstrukturierungsprogramm, um die Kosten zu senken und die Profitabilität zu steigern. So wurden im Vorjahr 60 Mio. Euro durch Optimierung der operativen Abläufe eingespart. „Wir schauen jetzt viel genauer auf die Life-Cycle-Kosten und können hier viel herausholen“, ist Franz Seiser, Vorstandsmitglied der ÖBB-Holding AG, überzeugt. Beispielsweise durch Automatisierung der Betriebsabläufe über spezielle Betriebsführungszentralen. Im Güterverkehr haben die ÖBB noch einiges zu tun. RCG verfügt derzeit über eine Eigenkapitalquote von elf Prozent. „Da haben wir wenig Spielraum für Investitionen und Akquisitionen“, gibt Seiser zu. Auch wenn die RCG im Vorjahr ein EBIT von 56 Mio. EUR eingefahren hat, sei man im Güterverkehr noch weit davon entfernt, die Kapitalkosten zu verdienen, stellt Georg Kasperkovitz, Vorstandsmitglied in der RCG, klar.

Mit fünf Geschäftsfeldern Geld verdienen
In der RCG werden klare Linien gezogen für fünf große „bewertbare und Benchmark fähige“ Geschäftsfelder. Diese sind: Cargo Logistics für das Bahnspeditionsgeschäft, Rail Cargo Operator als Operateur für Container-Shuttle-Verkehre auf langen Entfernungen; Rail Cargo Austria mit den Ablegern Rail Cargo Hungaria und Rail Cargo Carrier macht das hauseigene Traktionsgeschäft und das Waggonvermietgeschäft, und die Instandhaltung des rollenden Materials ist bei Rail Cargo Wagon bzw. ÖBB Technische Services angesiedelt.

„Spediteure sind wichtige Kunden für uns“, beteuert Kasperkovitz. Auf diese geht Rail Cargo Operator mit seinen Shuttle-Angeboten zu. Während Rail Cargo Logistics freilich als Spediteur auf dem Markt auftritt und direkt bei Verladern Ladung akquiriert. Es werde in Zukunft sowohl Konkurrenz als auch Kooperationen mit heimischen Speditionen geben, ergänzte der Manager.

Aus dem klassischen Lkw-Landverkehr hat sich die RCG definitiv verabschiedet, zumal ExpressInterfracht, wo dieses Geschäftsfeld über viele Jahre angesiedelt war, in den vergangenen Jahren im zweistelligen-Euro-Bereich unwirtschaftlich unterwegs war. Nach der Notbremsung wurde die gesamte Lkw-Flotte bis auf wenige Fahrzeuge verkauft, Lkw-Carrier-Leistungen werden jetzt im großen Stil bei externen Lieferanten eingekauft. RCG verspricht, weiterhin Einzelwagenverkehr anzubieten, wobei hier Österreich und Ungarn als Primärmärkte gelten. „In Rumänien oder Bulgarien werden wir ihn sicherlich nicht anbieten“, sagte Kasperkovitz. Wenn produktionstechnisch clever organisiert wird, lässt sich mit Einzelwagenverkehren verdienen, ist man bei RCG überzeugt. Für 2013 erwartet die RCG ein EBIT von 93 Mio. EUR, das somit im Vergleich zum Horrorjahr 2010 mit einem Minus von 280 Mio. EUR herzeigbar ist.

Bei der Linzer CargoServ „ist das vergangene Jahr 2012 sehr gut gelaufen und wir haben uns sowohl beim Umsatz als auch beim Ergebnis verbessert“, ziehen Christian Janecek und Markus Schinko, Geschäftsführer von CargoServ, positiv Bilanz. Das Bahnunternehmen hat eigenen Angaben zufolge „erfreulicherweise auch im Drittkundengeschäft neue Aufträge gewonnen und ist so weiter gewachsen“. Den Wettbewerb zwischen den EVU nehmen die Linzer teilweise als aggressiv wahr: „Die Staatsbahnen leiden unter Ergebnisdruck und sind bemüht, Preiserhöhungen durchzusetzen. Das führt dazu, dass sich Verlader zunehmend den privaten EVU zuwendeten“, beobachtet Schinko.

Generell ist Österreich ein kleiner Markt, der Großteil der Bahntransporte kommt aus den Nachbarländern oder geht dorthin oder wird im Transit gefahren. Daher arbeitet CargoServ sehr eng mit ausländischen Partnern zusammen und konzentriert sich vorwiegend auf die Betriebsführung von Anschlussbahnen, auf Baustellenlogistik und Gefahrguttransporte. Für das von München aus operierende EVU Lokomotion war „2012 aus betrieblicher Sicht sicherlich das schwierigste Jahr seit Gründung im Jahr 2001“. Fünf Wochen war im Vorjahr die Brennerroute gesperrt und alle Züge mussten über die Tauern umgeleitet werden. Dennoch: Per Saldo wurden mehr als 8.300 Züge gefahren, „das war deutlich über unseren Erwartungen“, zieht Geschäftsführer Armin Riedl Bilanz.

Wettbewerb spielt sich über den Preis ab
Der Wettbewerb in Österreich hat sich weg von der Qualität und hin zum Preiswettbewerb entwickelt, hat man in München den Eindruck. Lokomotion ist sehr stark auf den Achsen via Brenner und Tauern präsent, sieht aber in Zukunft ebenso gute Entwicklungschancen auf der Achse von Tschechien und Polen nach Italien. Obwohl die Domäne des EVU die Ganzzüge von Deutschland nach Italien sind, „werden auch zunehmend Kunden aus Südosteuropa auf uns aufmerksam“, freut sich Riedl.

Für das EVU LTE lief es 2012 gut, „unsere Erwartungen wurden sogar übertroffen“, sagt Andreas Mandl, Geschäftsführer der LTE Logistik und Transport. Blickt er auf das Marktgeschehen in Österreich, so sieht er PKP International, DB Schenker, SZ Cargo oder CD Cargo als wirklich neue Mitbewerber. LTE macht, was die meisten anderen EVU auch machen: Ganzzugverkehre im Transitverkehr von den Niederlanden bis nach Rumänien sowie in die Ukraine und nach Kroatien. Mit diesem Geschäft wurde im Vorjahr ein Umsatz von 64 Mio. Euro erwirtschaftet.

Bei der österreichisch-ungarischen Raaberbahn blieb das 2012er-Geschäft hinter den Erwartungen zurück. Zwar habe man in einigen Geschäftsbereichen neue Kunden und neues Volumen akquirieren können, doch so richtig zufriedenstellend fällt die Bilanz 2012 nicht aus. Der Generaldirektor von Gysev Cargo, János Skála, möchte in Österreich stärker Fuß fassen. Als Beispiel dafür nennt der Manager einen oberösterreichischen Spediteur, dessen Züge die Raaberbahn über ihre Drehscheibe Sopron nach Südosteuropa fährt.

Gysev Cargo betreibt in Sopron einen Rangierbahnhof und einen Kombi-Terminal und bietet dazu auch noch zusätzliche Dienstleistungen wie beispielsweise Warehousing, Verzollung, Containerlager und -reparatur an. Derzeit wird der Kombi-Terminal ausgebaut, um Ganzzüge auf einem Gleis bilden zu können. Die Bildung von Ganzzügen in Sopron zählt zu den Kerngeschäften des EVU, das im vergangenen Jahr mit 236 Mitarbeitern mehr als 4,5 Mio. Tonnen auf die Schiene brachte und unterm Strich einen Gewinn von sieben Mio. Euro eingefahren hat.

Die Wiener Lokalbahnen Cargo (WLC) bekam im Vorjahr die unpaarigen Verkehre zwischen Import und Export zu spüren. Da weniger Containerladungen aus Fernost nach Österreich gekommen sind, waren „nicht alle geführten Züge im Import voll ausgelastet“, blickt Gerald Retscher, Geschäftsführer von WLB Cargo auf 2012 zurück. Zugleich waren die österreichischen Exporte im Vorjahr stark und die Exportzüge entsprechend gebucht. Expansionschancen rechnet man sich in Deutschland aus, hier wird in Berlin in absehbarer Zeit eine Niederlassung eröffnet. Deutschland ist Österreichs wichtigster Handelspartner, und hier bei der Verlagerung von Transporten von der Straße auf die Schiene mitzunaschen, hat sich WLC vorgenommen.

Die Steiermarkbahn, Tochter der Steiermärkischen Landesbahnen (STLB), hat im Vorjahr laut Geschäftsführer Helmut Wittmann dank der Erweiterung des Fuhrparks um eine Mehrsystemlok mehr Volumen und damit verbunden auch mehr Umsatz generiert. Und das in einem immer stärker werdenden Wettbewerbsumfeld im Ganzzuggeschäft. Die Steiermarkbahn, gegründet für das internationale Cargo-Geschäft auf nicht STLB-eigenen Strecken, sieht sich primär als Traktionär mit starkem Fokus auf Dienstleistungen auf der sogenannten „letzten Meile“.

Künftig will man vertriebsseitig noch stärker auf Verlader in der Industrie sowie auf Spediteure zugehen. Auf dem EVU-Markt bestehen bedeutet, auf Kundenanfragen schnell zu reagieren. Wittmann: „Die Vorlaufzeiten für die Transportabwicklung werden immer kürzer.“ Zum Konkurrenzdruck kommt auch noch der Lkw als Preisdrücker. Fazit: Die Margen sinken.

Zu den Newcomern in der EVU-Szene in Österreich zählt die zur deutschen HHLA-Gruppe gehörige Metrans, die in Österreich als Containeroperator, Terminalbetreiber und Bahnunternehmen agiert. Mit 17 eigenen Loks und 1.310 Containertragwagen zieht Metrans in Österreich derzeit die Aufmerksamkeit auf sich. Nach der Übernahme des Containerterminals im Mierka Donauhafen Krems fährt Metrans in Eigenregie Containerganzzüge von Österreich nach Hamburg. Reedern und Spediteuren im Kundenfokus bietet Metrans ein Haus-Haus-Angebot im Containertransport mit einem großen eigenen Wertschöpfungsanteil (Verzollung, Containerdepot etc.). (LE)

Quelle: LOGISTIK express Fachzeitschrift 4/2013

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